Neukölln Unlimited

rap.de: Hat man als Filmemacher den Eindruck, dass man einen Beitrag zur Diskussion liefern kann?

Agostino: Man hofft schon, dass wenn man etwas macht, die Leute darüber reden und es einen Nachdenk-Effekt erweckt. Oder dass es vielleicht auch etwas ändert – diese Hoffnung hat man immer. Ich hoffe, dass es etwas bewirkt, sonst würde ich Werbefilme machen.

Dietmar: Bei dem Film war es uns besonders wichtig, dass wir ein Thema transportieren über diese Familie. Die ist sehr unterhaltsam, deshalb haben wir auch unterhaltsame Elemente eingebaut und da war es oftmals schwierig abzuwägen, wie viel Unterhaltung, wie viel Inhalte und wie viele Fakten wir reinbringen wollen.
Letztendlich konnten wir nur mit dem arbeiten, was uns von den Protagonisten zur Verfügung gestellt worden ist und deshalb mussten wir ständig überlegen: Machen wir mehr Tanzen rein? Machen wir mehr Singen rein? Liefern wir mehr Fakten und Diskussionen? Wir mussten ständig abwägen, wie das dann später in den neunzig Minuten rüber kommt. Dabei mussten wir auch speziell an ein Publikum denken, was sich sonst nie mit diesen Diskussionen auseinander setzt.

rap.de: Ist das so? Erreicht Ihr so ein Publikum?

Dietmar: Ja, definitiv.

Agostino: Wir haben auch mehr ein jugendliches Publikum und wenn die "Dokumentarfilm“ hören, denken die an Sonntagnachmittags-Fernsehen und Tiger, die sich im Dschungel paaren. Die denken an etwas total Schweres und Langweiliges und unsere Absicht war es, sie durch Entertainment zum Nachdenken zu bringen. 

Dietmar: Wir denken da auch an die Schulen und hoffen, dass der Film sehr viel in Unterrichtsmaterialien einfließt und jeder Lehrer ist vielleicht auch glücklich über die Doppelstunde, wo er den Film einschieben und anschließend drüber diskutieren kann.

rap.de: Du hast jetzt vorhin darüber gesprochen, dass Du das Screenplay geschrieben hast. Wie wird denn so ein Film praktisch umgesetzt, dass man bei genau den Situationen dabei ist, die relevant sind? Dass man dann eben auch wirklich sieht, wie der Brief geöffnet wird?

Dietmar: Die kriegen jeden Tag von uns so ein Sheet und wir sagen "Hier ist der Text!“ (Gelächter)

Agostino: Man muss die ganze Zeit anrufen und von sich aus hinterher sein, weil die dich nicht anrufen werden. Du kannst tausend Mal sagen "Ruf mich an, wenn was ist“, aber das wird in den seltensten Fällen passieren. Das heißt, dass man jeden Tag anrufen muss, fragen muss was los ist und was passiert, dann meinen die "Wir haben einen Brief bekommen“ und wir gehen am nächsten Tag hin und sagen "Ok, lies uns von diesem Brief vor“. Die wissen aber vorher schon ungefähr, was wir wollen. Wenn es um ein Tanz-Battle geht, wissen die, dass wir sie beim Training filmen wollen.
Es gab zum Beispiel auch eine totale Glücksszene, die mit Ehrhart Körting. Da habe ich Hassan angerufen und gefragt, was er so macht und er meinte "Ich bin gerade unterwegs mit dem Auto. Ich fahr zur Manege, weil Körting da für eine Stunde oder so ist und ich wollte dem meine Meinung sagen“. Da habe ich mir auch gedacht: Vielen Dank, dass du mir das erst jetzt sagst!