Goldroger im Interview: „Die Musik ist immer persönlich und unpersönlich zugleich”

Credit: Robert Winter

Nachdem Goldroger in den letzten beiden Jahren mit „Diskman Antishock” und „Diskman Antishock II” die ersten Alben seiner Trilogie veröffentlichte, erscheint nun mit „Diskman Antishock III” das Finale. Unbeeindruckt von Chartplatzierungen oder Streamingzahlen stürzt sich der Rapper in das „Diskman Antishock”-Märchen und findet die Balance zwischen musikalischer Ernsthaftigkeit und Spielplatz-Attitüde. Egal ob dabei ein Kiff-Track oder Love-Song entsteht: der Mann mit den goldenen Locken offenbart in seinem neuen Longplayer nicht nur die Tiefen seiner Persönlichkeit, sondern beweist auch sein Facettenreichtum und bedient sich mit E-Gitarren-Solos, Crooning oder UK-Garage an den unterschiedlichsten Genres. Für Goldroger ist die Platte nun gewissermaßen auch ein Abschluss mit den Geistern der Vergangenheit, um das Projekt gebührend zu Ende zu bringen. Wir haben mit dem Kölner über „Diskman Antishock III”, ein möglicherweise vorbestimmtes Universum und seine Pläne für die Zukunft gesprochen.

Dein neues Album „Diskman Antishock III” ist nach „Diskman Antishock I” und „Diskman Antishock II” das Finale der Trilogie. War von Anfang an geplant, dass es drei zusammenhängende Platten geben wird?

Ja voll, ich hatte das von Anfang an im Kopf. Ich wollte das auch über einen längeren Zeitraum machen, weil ich nicht der Typ bin, der am laufenden Band Singles raus knallen kann. Anstatt nur ein riesiges Album zu machen, fand ich es cooler, das in drei Alben aufzuteilen. Deswegen sind auf dem „Diskman Antishock I” Cover auch drei kleine CD-Symbole zu sehen, bei denen nur das erste ausgefüllt ist.

Auf dem neuen Albumcover sieht man dich mit der Figur des ersten Covers in der Hand. Das ist mit Sicherheit kein Zufall, oder?

Nein, als Kind habe ich einfach gerne mit Action-Figuren gespielt und das hat ein bisschen was von einer Superhelden-Verwandlung. Wenn der Diskman eine Verkörperung von mir ist, dann wäre es der coole Rächer, der durch die Nacht geht und sich mit seinen Dämonen battelt. 

Du verwandelst dich ja auch vom Bomberman zu King Bob Omb. Wie ist es dazu gekommen?

Ich finde dieses Bomben-Motiv ganz cool und damit diesen Rahmen von der ersten bis zur dritten Platte zu haben. King Bob Omb war einfach noch ein zweiter Charakter, der daneben entstand und da Bomberman ja eher selbstkritisch ist, wollte ich noch einen Song machen, auf dem ich ein bisschen mehr abfeiere. Ich mag es generell, dass sich bestimmte Motive durch die Platte ziehen. Als Detail haben wir auch auf ein paar Songs ein kleines Bombengeräusch benutzt.

Credit: Robert Winter

In deinem ersten Song „Antishock” sagst du: „Vor dem Schicksal gibt es kein Entkommen”. Bist du der Meinung, dass alles vorbestimmt ist?

Nein, vermutlich nicht. Aber auch wenn ich nicht von einem komplett determinierten Universum überzeugt bin, möchte man natürlich daran glauben. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es doch vorbestimmt sein könnte und alles kommt, wie es kommen soll. In meinen Songs erwähne ich auch oft Gott, dabei glaube ich prinzipiell nicht an einen klassischen Gott, der krass eingreift. Das sind einfach sehr schöne größere Bilder für andere Ideen, es ist also eher etwas Symbolisches.

Du sagst, dass „Diskman Antishock” für dich wie Voldemorts Horcruxe sind. Steckt in dem Album also auch ein Teil deiner Seele?

Ich glaube, dass das tatsächlich bei allen Songs so ist – auch wenn das einem Klischee entspricht. Wenn mir eine Idee wichtig ist, bin ich relativ verbissen, sie cool umzusetzen. Da geht immer einiges an Nerven und Emotionen flöten, die dann in diesem Song sind. Aber jeder ist an anderen Punkten mit seiner Musik zufrieden. Manche machen das an Streamingzahlen fest, auch wenn das von außen kommt und in anderen Händen liegt. Der einzige Weg am Ende des Tages mit sich selbst zufrieden zu sein, ist zu wissen, dass mir wichtig ist, was ich gemacht habe. Dann ist es eigentlich auch egal, wie viele Streams es hat.

Credit: Robert Winter

Vor fünf Jahren hast du in einem Interview mit uns gesagt, dass du lieber ein verkannter guter Rapper wärst als ein mittelmäßiger bekannter Rapper. Bist du heute immer noch derselben Meinung?

Ja, ich denke es geht den meisten so. Wenn ich immer den gleichen Song machen würde und das so lange wiederhole, bis die Zahlen durch die Decke gehen, wäre es für mich relativ schnell ein ganz normaler Job ohne diese Spielplatz-Attitüde – das würde mich nicht kicken. Aber wenn ich einen Song abgebe, der aus was für einem Grund auch immer nicht performt, bei dem ich aber komplett zufrieden mit mir war, bin ich trotzdem happy. Deswegen habe ich auch sehr geringe Erwartungen. So kann ich immer damit leben, egal wie es am Ende ankommt.

Mit „Brandlöcher” hast du ein Lied für die Kiffer geschrieben, in dem du auch die negativen Aspekte aufzeigst. Wolltest du damit auf die Schattenseiten des Cannabis-Konsums aufmerksam machen?

Ja und nein. Vor allem unter Kiffern hat man oft Gespräche, wenn ein Joint brennt, die so ablaufen: „Ich muss mal weniger rauchen” – „Ja bro, ich auch”. Ich wollte keinen Song mit dieser „Hör auf damit, der Scheiß ist gefährlich für dich”-Zeigefinger-Scheiße machen, sondern einen Track, der nicht wirklich beschönigend ist, den man aber trotzdem zum Kiffen hören kann. Also ich hoffe, dass die Leute den dann hören (lacht).

Wenn man deine Songs „Frag mich wie” und „Schwarz” miteinander vergleicht, merkt man, dass du gerne mit Kontrasten spielst. War es dir wichtig, unterschiedliche Seiten von dir zu zeigen?

Ja voll. Das war eigentlich der Hauptgrund, weswegen ich diese Diskman-Reihe machen wollte. Es sollte kein Konzeptalbum entstehen, sondern eher den Vibe von drei Mixtapes haben, in denen ich mich ausprobiere. Während meiner ersten Kontakte mit der Musikindustrie hatte ich zwischenzeitlich eine Phase, in der mir das ein bisschen den Kopf gefickt hat. Dann habe ich eine Weile gar nichts rausbekommen und erst als ich gesagt habe, dass mir das alles scheißegal ist und ich jetzt einfach Songs mache, hat es funktioniert. Es war für mich wie für einen Künstler, der Studien macht – wie Dürer, der ganz viele Hände oder Landschaften zeichnete. Also habe ich einfach verschiedene Facetten von Ideen ausprobiert, um langfristig ein Gefühl dafür zu bekommen, wo ich hin will.

Du hast auch dieses Mal wieder gemeinsame Sache mit dem Produzenten-Duo Dienst&Schulter gemacht. Wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?

Das ist immer anders. Manche Beats haben wir zusammen gemacht, aber ich habe auch viel zu Hause geschrieben und bin erst ins Studio gegangen, wenn ich die Songs hatte. Ich habe auch Zugriff auf die Dropbox, in der alle ihre Beats sind. Netterweise erlauben sie mir auch, übermäßig viel zu blockieren, das hasst man eigentlich bei Rappern (lacht). Dann habe ich da drauf geschrieben und mit den Jungs recordet. Mittlerweile passt das auch blind, weil wir so eng sind und ihre Beats auch Goldroger-Type-Beats sind.

Hat sich eure gemeinsame Arbeitsweise über die Jahre und Alben auch verändert?

Ja, es nähert sich immer mehr an. Ich habe auch schon ganz oft Beats von den Jungs ausgegraben – da bin ich richtig frech. Ich setzte mich an ihren Rechner und öffne einfach irgendwelche Logic-Sessions, bei denen es keinen Beat mit dem Namen gibt. Das sind meistens Sachen, die sie noch nicht geil finden. Ich weiß aber auch, wann ich sagen muss „Nein man, das ist geil”. Das waren dann Songs wie „Lavalampe Lazer” oder „Potion”. Die sind aber genauso schonungslos und sagen mir, wenn es dope oder scheiße ist.

Bisher hattest du mit Naru auf „Coup de grâce” nur einen Feature-Gast, jetzt bist du zusammen mit 9inebro, Lugatti und YRRRE zu hören. Wie kommt es, dass jetzt gleich drei Rapper vertreten sind?

Aus „Diskman III” wurden jetzt doch zehn Tracks, deshalb hat sich das so ergeben. Für die Platte kam auch öfter ein Feature mit einem größeren Rapper ins Gespräch, aber ich habe zum einen keinen Bock, irgendwem hinterher zu rennen und zum anderen ist die Musik für mich schon etwas Intimes. Auf diesem Projekt verarbeite ich viel Persönliches, das in den letzten Jahren abgegangen ist. Deswegen ist es geil, da dann noch ein paar Homies drauf zu haben, mit denen ich wirklich befreundet bin und die ich cool finde – nicht nur irgendwelche Playlist-Features. Naru kenne ich seit dreizehn oder vierzehn Jahren, mit YRRRE war ich auf Tour und Lugatti und 9ine kenne ich aus Köln, wir sehen uns mega oft im Studio.

Also ist „Diskman Antishock III” auch dein persönlichstes Album?

Ich weiß nicht, mehr oder minder ist alles persönlich – aber schon vielleicht mehr als das „Avrakadavra” Album davor. Manchmal können Songs, in denen ich mich hinter einem Bild oder einer Metapher verstecke, aber auch direkter sein als Songs, in denen ich etwas ganz klar sage. Die Musik ist immer persönlich und unpersönlich zugleich.

Deine Musik ist ja auch immer sehr facettenreich. Bei diesem Album ist von Crooning über UK-Garage bis zu E-Gitarren-Solos vieles dabei. Wie würdest du deinen Sound beschreiben?

Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich kann vielleicht eher sagen, was ich nicht mache. Aber ich bin froh, dass irgendwie trotzdem alles zusammenpasst. In den Songs ist fast immer eine Gitarre, das ist das Einzige was alles zusammenhält (lacht). Aber eigentlich ist der gemeinsame Nenner bei meinem Sound, dass der nächste Track immer anders klingen könnte als der davor und ich einfach ausprobiere. Ich bin immer ein Riesenfan von den Kanye-West-Alben gewesen, weil jedes Album eine eigene Vision hat.

Auf „King Bob Omb” beziehst du dich mit Zeilen wie „Fühl mich wie Kanye West bei ‚Hell of a Life’” oder „Fühl mich wie bei ‚Life of Pablo’” auch oft auf Kanye. Ist er eine Inspiration für dich?

Auf manchen Gebieten schon, auf manchen nicht (lacht). Bevor es mit Diskman losging, habe ich wirklich jeden Tag „Life of Pablo” gehört, weil es so facettenreich ist. Kanye ist halt schon ein O.G. und Türenöffner – auch für alle meine anderen soundmäßigen Vorbilder wie Brockhampton. Selbst wenn er die weirdeste Scheiße labert, hat man immer das Gefühl, dass er es hundertprozentig ernst meint. Das versuche ich auch. Ich mag gar nicht, wenn man in der Musik eine krasse Ironie hört. Wenn man etwas gefühlvolles sagt, muss man halt die Hosen runterlassen.

Credit: Robert Winter

Viele Erzählungen und Konflikte der ersten Teile werden auf „Diskman Antishock III” weitererzählt oder finden ihr Ende. Ist das Album gewissermaßen auch ein Abschluss mit den Geistern der Vergangenheit?

Ja total, bestimmte Motive ziehen sich durch die Songs und mittlerweile sehe ich alle drei Diskman-Teile zusammen als das richtige Album. Genau wie bei „Herr der Ringe”, da ist ein Teil ja auch nicht nur eine Geschichte. Über alle drei Platten gibt es zum Beispiel eine Liebesgeschichte, die zwar nicht chronologisch ist, die am Ende aber eine Story ergibt. Bevor ich jetzt weitermache wollte ich all diese – teilweise auch diffusen – Ideen für Songs oder Lines von 2019 in meinem Handy loswerden. Ich will nicht so ein Typ sein – ich will jetzt keine Namen nennen – der Ende 30 ist und noch über seine Abi-Feier rappt. Das finde ich komplett belastend. Man muss die Sachen einmal cool abhandeln und zu einem Ende führen.

Also hat dieses Märchen ein Happy End?

Ja, ich bin ziemlich happy damit. Ich habe es genauso hinbekommen, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist immer cool, eine Idee anzufangen, aber meistens schon ein stressiger Kampf, es zu Ende zu bringen. Deswegen hat es vor allem deshalb ein Happy End, weil ich damit fertig bin (lacht). Jetzt kann ich mich wieder auf etwas Neues freuen, das ist immer das geilste an der Mucke. Als Nächstes würde ich tatsächlich gerne ein Album ohne klarere Linie machen.

In Zukunft ist also noch nichts Konkreteres geplant?

Ja, nur abstrakt. Ich hoffe, dass die Tour stattfindet und danach fahre ich auf jeden Fall mit den Jungs irgendwo hin und schließ mich einfach mal zwei Wochen ein, um zu schauen was kommt. Es kann auch sein, dass ich jetzt die Gitarre kicke – das wäre eigentlich der Move, weil ich mich nicht so gerne wiederhole. Ich habe tatsächlich gerade auch wieder Beats gehört und sortiert. Aber ich weiß es selber noch nicht.

Auf Instagram meintest du, dass wir uns zum Release auch auf eine Überraschung gefasst machen können. Es wird doch nicht eine – von dir sonst so gehasste – Deluxe-Box geben?

Nein, ich habe mich bewusst dagegen entschieden. Ich finde es immer schade – ohne jetzt wem ans Bein pissen zu wollen – wenn Rapper sagen, dass ihnen diese Chart-Scheiße egal ist und dann auf einmal mit Boxen anfangen. Mir ist es scheißegal, ob das Album am Release-Tag gekauft wird oder auf der Tour. Vielleicht würde ich das anders sehen, wenn ich wirklich eine realistische Chance hätte, auf die Eins zu kommen – das wäre verlockend (lacht). Aber für zwei, drei oder vier ist es mir dann auch zu doof, dafür werfe ich das nicht über den Haufen. Die Hauptsache ist, dass sie es sich lange anhören. Das können Charts oft nicht abbilden. Es gibt auch Rapper, die auf die Eins charten und dann am Ende trotzdem in einer fünfhunderter Venue in Berlin spielen, das passt oft nicht zusammen. Es ist auch eher eine kleine Überraschung, aber es ist ein schönes Detail und macht es am Ende noch mehr zu einem Album.