Tom Hengst im Interview über „Gib dein Geld”, Memphis-Rap und Sample-Psychosen

Credit: Johannes Schlegel

Am vergangenen Freitag veröffentlichte Tom Hengst seine zweite Solo-EP „Gib dein Geld”. Der Sound der Platte ist stark durch den US-amerikanischen Down-South-Rap aus Memphis beeinflusst, wobei der bisherige Signature-Stil des Hamburgers immer noch klar erkennbar ist. Seit seinem letzten Solo-Release sind zwei Jahre vergangen, in denen er zwei Kollaborationen mit seinem partner in crime Kwam.E und Lugatti veröffentlichte. Auf „Gib dein Geld” zeigt sich Tommy H von seiner bis dato komfortabelstes Seite, der raue Sound aus Memphis passt zu ihm wie die Faust aufs Auge. Wie er zu dem aktuellen Sound gefunden hat, welche Produzenten ihn dabei unterstützt haben und welche Genre-Größe ihm seinen Segen gab, hat Tom Hengst uns im Interview verraten. Außerdem hat er uns erzählt, ob seine Texte eine politische Dimension haben, welche Projekt-Fortsetzungen er plant und wie ein ganz besonderes Sample auf der EP gelandet ist.

Du hattest eigentlich vor, als nächstes Projekt die „Brustbeutel EP 2” zu droppen. Wieso ist es jetzt doch „Gib dein Geld” geworden?

Zum einen haben für die „Brustbeutel EP 2” die Beats gefehlt. Ungewollt habe ich mit der ersten EP sozusagen so gut vorgelegt, dass der Sound auf der Fortsetzung noch krasser werden muss, vor allem die Beats. Es gibt viele gut Boombap-Produzenten, zum Beispiel Mr. Gees oder Classic.der.Dicke, aber in letzter Zeit sind wir nicht dazu gekommen, gemeinsam Session zu machen. Beats schicken ging beim ersten Teil, aber diesmal will ich zusammen im Studio sitzen und daran arbeiten. Stattdessen war ich viel mit Skew im Studio und hatte einfach Bock auf diesen Sound – getreu dem Motto „Gib dein Geld”. Das ist nicht als Überfall gemeint, sondern dass es langsam Zeit wird, Früchte zu sehen. Alles ist ein bisschen düsterer und härter, weil ich mir dachte, dass es momentan genug Singsang gibt.

Die EP ist stark vom Down-South-Rap aus Memphis beeinflusst. Wann und wie hast du das Genre kennengelernt?

Boah, wie hat das angefangen? Ein Kollege von mir diggt den Sound schon länger und hatte mir mal ein Beatpaket geschickt. Ich hab schon länger Bock, was in diese Richtung zu machen. Ich finde diese Vocal Chops und Samples, diese rohen Drum-Patterns einfach geil. Das ist diesem Neunziger Boombap irgendwie ähnlicher als dem modernen Trap. $uicideboy$ sind wahrscheinlich der größte Name, der heutzutage für den Sound steht. Aber auch die Künstler von früher sind krass. Da gibt es aber Leute, die davon viel mehr Ahnung haben als ich. Mir gefällt einfach dieser Sound. Und auf solchen Beats kann man einfach geil rappen.

Wie würdest du den Sound für Leute beschreiben, die noch nie davon gehört haben?

Es ist eher ein düsterer Sound, passend zur grauen Jahreszeit. Die Beats sind sehr sample-lastig, aber mit einer sehr harten Snare und Kick. Es ist kein radiotauglicher Sound, sondern eher für Leute, die nachts im Auto durch die Stadt fahren – aber nicht, um zu chillen, sondern weil sie auf dem Weg zu irgendeiner Action sind.

Die Kälte des Sounds passt meiner Meinung nach auch überraschend gut zu Hamburg. Siehst du das auch so?

Ja, schon. Hier ist es kalt und das kann man mit diesem Soundbild gut rüberbringen. Aber eigentlich können alle Memphis-Rap machen. Obwohl es eine Bubble ist, kann man es auf viele Arten anwenden. Wenn das Sample stimmt, kannst du auf Memphis auch voll den happy Track machen. Aber klar, es passt zu Hamburg. Auf „Concrete Cowboys” waren ja auch schon leichte Einflüsse zu hören.

Du hattest eben schon kurz Skew erwähnt. Mit welchen Producern hast du sonst zusammengearbeitet? 111kusher, den Producer von „Snitch”, kannte ich zum Beispiel noch gar nicht.

Ich kannte den auch nicht. Der Beat kam per Mail, ich hatte den vorher gar nicht auf dem Schirm. Als ich den im Auto gehört habe, war ich richtig geflasht. Ich wusste, dass ich den nehmen muss. Sonst habe ich viel mit Skew und Isee Jules zusammengearbeitet. Die beiden haben auch „Concrete Cowboys” produziert, zusammen mit Isee Franky. Der hat eigentlich auch einen Beat zum aktuellen Projekt beigesteuert. Den habe ich aber bis jetzt noch nicht verwenden können.

Das heißt, du in erster Linie mit den gleichen Jungs wie sonst auch zusammengearbeitet?

Ja.

Wie habt ihr diesen Sound dann kommuniziert? Kam der Anstoß von dir oder seid ihr da zusammen hingekommen?

Ich bin an einem Tag zu Skew ins Studio gekommen und meinte, dass wir mal was mit Vocal Chops ausprobieren sollten. Mehr musste ich dann gar nicht sagen. Das Intro war zum Beispiel kurz vor Master-Abgabe noch auf einem anderen Beat. Skew hatte die Spuren und hat mir dann über Nacht einen Remix mit den neuen Samples geschickt. Und ich dachte so, ok krank, nehmen wir. Ohne dass ich was wusste, hat er das umgebaut. Vorher war das viel düsterer, jetzt klingt es viel sample-lastiger. Aber genau das ist geil. Ich muss gar nicht viel mit den Jungs quatschen. Wenn die den Text und meinen Flow hören, wissen die sofort, was ich will. 

Credit: wholadude

Mit Skinny Finsta hast du einen Künstler auf der EP, der die Memphis-Flagge besonders hochhält. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Wir hatten über Instagram das erste Mal Kontakt. Ich bin großer Skinny-Finsta-Fan, weil er einer der echtesten Menschen ist, die ich bislang kennengelernt habe. Echter gehts eigentlich gar nicht. Ich hab auf seinem Tape auch einen Feature-Part. 

Und wie hat er reagiert, als du ihm erzählt hast, dass du jetzt auch in die Memphis-Richtung gehen willst?

Er war für einen Videodreh in Hamburg, da habe ich ihm schon was gezeigt und erzählt, dass ich vom Soundbild her in die Memphis-Richtung gehen will, wenn man das überhaupt so nennen kann. Er meinte dann: „Da muss ich rauf”. Und dann meinte ich „Selbstverständlich musst du da rauf”. So habe ich den Segen von jemandem bekommen, der wirklich Ahnung von dieser ganzen Materie hat. Und der muss dann natürlich mit aufs Tape, keine Frage.

Lass uns über „Felgen Drehen” sprechen, den meiner Meinung nach stärksten Track der EP. Der Song ist überraschend nachdenklich, vor allem im Vergleich zum Rest der Platte. Die gesungene Hook ist ja auch sehr ungewöhnlich für deinen Style. Wie ist der Track zustande gekommen?

Den hab ich an einem heißen Tag im Sommer geschrieben. Ich bin aufgewacht und hab mich auf meinen Balkon gechillt. Morgens scheint da die Sonne rein. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch gar nicht den Beat, ich hab auf irgendeinen YouTube-Beat geschrieben. Dann bin ich mit dem Text ins Studio und hab Skew gesagt, dass wir einen chilligen Beat machen müssen. Ich hab ihm den Text ohne Beat vorgerappt und eine Sunde später war der Song fertig. Morgens angefangen, abends fertig. Ich glaube, das war sogar der einfachste Track auf der ganzen EP.

Die Line „Gib dein Geld” spielt auf den EP-Titel an. Hat dich der Track auf den Namen der Platte gebracht?

Ne, der Name der EP stand schon. Aber der Song ist auch einer meiner Favoriten. Der ist einfach anders.

Auf dem Introtrack „Juckt nicht” sagst du die Line: „Bitch wir sind nicht in NYC, du weißt der Norden ist die Heimat”. Lines wie diese hört man bei dir häufiger. Wen sprichst du mit so einer Aussage an?

Wobei ja auch Haftbefehl mal sowas in der Art gesagt hat. Eigentlich meine ich damit keine Person an sich, sondern eher die ganze Industrie, die sich immer an Amerika orientiert. Nicht nur Rapper, auch Manager, Labels oder Vertriebe. Wir sind nicht in den USA. Klar hat jeder Einflüsse aus den Staaten, auch ich. Aber ich versuche, meinen eigenen Sound und mein eigenes Ding zu machen.

Eine andere Line, die bezeichnend für dich ist, hab ich auf „Basic” gehört: „Hau Faschos auf die Backen wie Beate Georg Kiesinger”. Gehört die politische Dimension zu deinen Lyrics dazu?

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich da klar positioniere und das auch schon seit meiner Jugend gemacht habe. Ich versuche zwar immer, das von meiner Musik zu trennen, um mich selber nicht zu sehr zu zensieren. Aber klar, man sollte Nazis einfach aufs Maul hauen. Das ist ‘ne ganz klare Nummer. Das muss ich jetzt nicht in jedem Song sagen, aber ab und zu findet es statt. Leute, die mich kennen, wissen, dass ich mich dafür einsetze. Nirgendwo ist Platz für Rassismus oder sonstige Sachen.

Du hast auf dem Track „Untergrund Elite” Pöbel MC als Feature am Start. Wie ist da der Kontakt zustande gekommen?

Auch über Instagram. Ich hatte sogar mal einen Track für sein Album oder eine EP gemacht, der aber leider nicht rausgekommen ist. Ich wollte ihn jetzt aber auf jeden Fall auf meiner EP haben, weil das einfach passt.

Wessen Idee war es, auf „Kartentrick” mit Lugatti das „Ich hab dein Mutter” Sample einzubauen?

(lacht) Seit der „Bärenbrüder EP”, also eigentlich seitdem wir uns das erste Mal im Studio getroffen hatten, haben wir eine Psychose von diesem Video. Und von dem Spielplatz Rapbattle. Vor ein paar Monaten war er hier, um den Song für die EP zu machen. Wir meinten dann zu dem Produzenten, dass er das mit reinpacken muss. Er hat das runtergeladen, zurecht geschnitten und fertig war das Ding. Das musste einfach sein, weil wir nicht auf dieses Video klarkommen. Digga, wir haben immer, wenn er hier war, nur das gesagt – egal auf welche Frage. Als er weg war, musste ich das erstmal aus meinem Sprachgebrauch entfernen, damit ich das nicht zu fremden Leuten sage.

Credit: rengtones

Du greifst auf dem EP-Cover die Ästhetik vom Deutschrap der Nuller Jahre auf. Warst du in den kreativen Prozess eingebunden?

Das hat Prince One gemacht, der mittlerweile ein guter Freund geworden ist. Ich hab mir vor ungefähr drei Jahren mal ein Tattoo von ihm abgeholt. Ich find seinen Style so krass. Zuerst wollten wir ein Shirt machen, dafür hat er auch schon ein Design fertig gemacht, das wird auch irgendwann noch rauskommen. Erstmal habe ich aber ein Cover für die EP gebraucht. Also hab ich ihm die Demos geschickt und er wusste direkt, wo es hingehen soll. Manche sagen mir, dass der Character gar nicht aussieht wie ich. Klar hat der das 1996 auf den Finger, aber der sollte gar nicht aussehen wie ich. Ich wollte einfach, das Prince One seinen Style fährt und er hat mehr als abgeliefert.

Ist die „Brustbeutel EP 2” weiterhin geplant oder hast du sie jetzt erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben?

Die ist auf jeden Fall weiterhin geplant. Ein Song ist sogar schon fertig, der eigentlich mit auf „Gib dein Geld” kommen sollte. Das hätte aber den Soundteppich komplett gesprengt. Der ist von Mr. Gees produziert, richtig kranker Beat. Nächstes Jahr muss die EP auf jeden Fall kommen. Die Leute wollen das auch, das merke ich.

Dann bleibt jetzt eigentlich nur noch die Frage: Wann kommt „Concrete Cowboys 2”?

(schmunzelt) Die Leute wollen immer ein bestimmtes Datum wissen. Es wird auf jeden Fall in den nächsten Monaten kommen. Falls es schneit, wird da noch Schnee liegen. Aber ein  genaues Datum wissen wir noch nicht.

Geht ihr mit dem Album auf die Tour, die im Dezember startet?

Das wird dann wahrscheinlich noch nicht draußen sein, was mich ein bisschen nervt, denn die Leute müssen das eigentlich vorher hören. Aber du weißt ja selber, Qualität braucht seine Zeit. Jetzt auf Biegen und Brechen ein Album rauszubringen, das geht nicht. Wir werden die neuen Songs dort aber auf jeden Fall spielen. Im nächsten Jahr ist außerdem was mit Brenk Sinatra geplant.

Gibt es sonst noch etwas, was du der Welt mitteilen möchtest? Lugatti und du habt in eurer letzten Promophase ja immer gerne Shoutouts verteilt.

Shoutouts an meinen Bruder Kwam. Shoutouts an alle Jungs aus Hamburg und an alle Girls aus Hamburg, an meine Leute, an meine Fam. Shoutouts an alle, die sich das Bundle vorbestellen, die EP hören werden und auf der Tour sind. Shoutouts an rap.de. Und Shoutouts an alle anderen Rapper und Rapperinnen, mit denen ich cool bin.

Credit: Johannes Schlegel