Nazar und RAF Camora

Die beiden Österreicher Nazar und RAF Camora haben bereits am 12. März dieses Jahres ihr Kollaboalbum "Artkore" herausgebracht. Ja, das ist jetzt schon ein bisschen länger her und gerade mit diesem zeitlichen Abstand gesehen wird es immer offensichtlicher, dass hier ein Album teilweise an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbeiging, dass sich ganz und gar nicht zu verstecken braucht.
Wir erinnern uns: Alle deutschen HipHop Medien waren voll beschäftigt mit Farid Bang und Kool Savas, die am gleichen Tag wie RAF und Nazar ihre Alben rausbrachten und so blieb relativ wenig Platz für die Österreicher. Grund genug für uns, auch diese beiden Künstler einmal selbst zur Sprache kommen zu lassen.
Wir trafen uns also mit Nazar und RAF Camora in dessen Studio in Lichtenberg und sprachen unter Anderem über die Brücke zwischen Österreich und Deutschland, Rechtsradikalismus, Nazars Film und die ominöse Fakker-Bewegung.

rap.de: Welche Idee steckte dahinter, zusammen ein Album zu machen?

Nazar: Ich habe ja RAF Camora damals in Wien kennen gelernt. Da hat der schon viel, viel länger Musik gemacht, auch mit Family Bizz und vorher Reggae Projekte und sonstiges und nachdem ich ihn kennen gelernt habe, sind wir richtig gute Freunde geworden. Wir hatten eigentlich schon ziemlich früh den Wunsch, einmal zusammen ein großes Projekt zu machen, aber es kam dann halt so, dass Chak ihn nach Berlin geholt hat, damit er sich halt hier weiter ausbreiten kann.

Dann wollte ich zuerst mal mein Ding aufbauen, aber der Gedanke, dass wir ein Kollaboalbum machen wollten, war halt immer vorhanden. 

RAF Camora: Wir haben uns ja beide in ziemliche unterschiedliche Richtungen entwickelt. Er hat ja eher die härteren Sachen gemacht, ich bin mehr in die Reggae Richtung zu gehen und wir haben immer gewusst: Wenn wir ganz am Anfang zusammen ein Kollabo-Album gemacht hätten, dann wäre es auch nie so interessant gewesen wie jetzt. Jetzt hat jeder gewusst: Nazar macht diese Mucke, RAF Camora macht diese Mucke und zusammen ergeben wir halt wirklich was Neues für unsere Fans sozusagen.

rap.de: Als Ihr die ersten Sachen zusammen gemacht habt. Wie war denn da die österreichische Szene damals?

RAF Camora: Bevor wie angefangen haben, war das so: Stell dir vor, es wär eine riesige Palatschinke und plötzlich sind wir gekommen und haben Schokoladensoße draufgegossen.  Genau so war das.

Plötzlich sind da drei Camps auf einmal gekommen und das waren damals ich und Emir von Family Bizz, wir hatten Skandal aufgebaut, und wenn man so will, zur Zeit von Kool Savas, waren wir die Einzigen in Wien, die ein bisschen Straßenrap gemacht haben.

Dann haben wir diese Skandal EP gemacht, dann hat Nazar angefangen und dann ist quasi alles auf einmal gekommen. Dann hat die Wiener Szene plötzlich gemerkt: Okay gut, da kommen jetzt Leute, die nicht zu uns gehören. Die Wiener Szene war quasi immer ein großer Kreis, das war nie so wie in Berlin, dass es da verschiedene Camps gab. Das war immer eine Community und das waren halt auch mehr die Texta und Blumentopf-mäßige Fraktion.

Dann sind wir gekommen und alle haben sich gedacht: Oh mein Gott. Scheiße, jetzt auch noch bei uns!

rap.de: Wie ist das Verhältnis heute? Ignoriert Ihr Euch?

RAF Camora: Vielleicht ignorieren wir sie etwas mehr, nur ist es halt so, dass man uns fragt, was wir von ihnen halten und sie fragt halt keiner, was sie von irgendwem halten.

Es gibt Kamp MC, der halt in Deutschland so ein bisschen bekannt ist, dadurch, dass er das JUICE Album des Monats gemacht hat. Aber das sagen wir jetzt auch schon zum tausendsten Mal.

Kamp respektieren wir auch, aber sonst kannst Du mir gerne jemanden sagen, den Du da noch so kennst!?

Wir machen unser Ding, uns ist der Rest eigentlich auch scheißegal, ganz ehrlich.

rap.de: Ihr arbeitet oft in Deutschland. Gibt es da so eine Orientierung nach Deutschland?

Nazar: Bei mir hat sich das jetzt nicht so ergeben, dass ich dachte: Ich muss jetzt nach Deutschland kommen, um effektiver arbeiten zu können, sondern Mastino hat mich damals angerufen und meinte: Pass auf, ich mache eine Berlinrunde und will meine Jungs besuchen. Hast Du Bock mitzukommen? Und ich hatte zu dem Zeitpunkt einfach nichts zu tun. Wir sind gemeinsam hergekommen und sind zu Beatzarre ins Studio gefahren. Da hat Beatzarre mir die ersten Beats vorgestellt, unter anderem auch "Streetfighter Part 2".

Der ist ja auch halber Österreicher und wir haben jetzt auch eine Riesenfreundschaft. Der kommt mich oft in Wien besuchen.

Dann meinte Beatzarre zu mir: "Mir gefällt das, was Du auf meine Sachen machst.“ Ich habe gesagt: "Mir gefällt das übergut, was du für Beats machst“ und wir haben dann beschlossen, das "Kinder Des Himmels“ Projekt gemeinsam zu machen.

Dann kam die Zeit wo die Jungs [Beatlefield] ihr eigenes Studio hier gemacht haben und dann war es einfach auch für mich naheliegend, dass es für mich einfach auch mehr Spaß macht, wenn ich zum Produzieren auch mal von zu Hause wegkomme.

Dann bin ich für drei Wochen in der Stadt, bin mit meinen Jungs, die ich sowieso vermisse und die ich nicht so oft sehen kann und dann ist das Arbeistklima auch ganz anders.

Aber mein Gedanke war nie nach Berlin zu kommen um jetzt Berlin zu erobern, weil ganz ehrlich: Ich habe ja trotzdem für meine Stadt Musik gemacht. Ich habe ja nie verleugnet, woher ich komme. Ich habe auch nie Musik über Berlin gemacht oder über Deutschland, sondern immer über mein Land, über meine Stadt.

Natürlich haben mir Leute vorgeworfen, ich hätte mich nach Deutschland verkauft, obwohl ich noch immer in der selben Wohnung wohne, wo ich auch vorher gewohnt habe.

Viel kannst du mir ja nicht vorwerfen. Ich habe ja nicht wirklich viel falsch gemacht. Ich glaube, ich bin auch einer der wenigen Straßenrapper, der Aufmerksamkeit bekommen hat, ohne auf drei Alben oder Interviews eine einzige Person zu fronten oder zu dissen.