Nate57

rap.de: Ich komm eigentlich auch aus’m Dorf, und da gibt’s ’ne Menge Leute, die dich feiern. Warum können sich Leute dafür begeistern, die nicht aus dem Kiez kommen?

Nate57: Weil ich, wenn ich an einen Text rangehe, versuche, es so zu machen, dass das für jeden interessant ist. Ich versuche, das auch für sie interessant zu halten. In 3D-Perspektive halten, jede Seite aufzeigen, das macht es vielleicht interessant für die. Würde bei mir in meinem Privatleben nicht so viel laufen, dann wäre es vielleicht nicht so interessant. Aber bei mir ist auf jeden Fall ein direkter Bezug zum Leben.

rap.de: Ist dir das wichtig, dass Rapper ihre Inspiration direkt aus dem Leben ziehen?

Nate57: Muss zwar nicht sein. Ich persönlich bin aber Fan von vielen Rappern, die das machen, und deren Rapmusik feiere ich eben am meisten. Schlau auf den Punkt. Schlau in Anführungsstrichen, das ist ja bei Rap immer so ein Ding. Sind ja nicht die schlauesten, die Rapmusik machen.

rap.de: Meinst du? Warum?

Nate57: Viele wollen das nur machen, um sich zu profilieren, weil sie meinen, dass sie danach coolere Menschen wären, aber das läuft nicht. Feier die Musik, fühle die Musik, aber wenn du schlecht bist, hör auf es selber zu machen. Du kannst ja Rap hören, mit dem Kopf dazu nicken und dich dabei cool fühlen. Aber versuch nicht, es nach außen zu tragen. Viele Leute, die Rap machen, pusten sich gerne auf. Und das wirft speziell hier in Deutschland ein schlechtes Bild auf Rap.

rap.de: Warum ist das gerade bei Rapmusik so. Wieso hat es nicht die Rocker getroffen?

Nate57: Weil Rapmusik von der Straße kommt, eigentlich, hier in Deutschland hat es ja in einer anderen Schicht begonnen. Aber das ist der Hauptgrund. Es ist auch kritisch, sozialkritisch, und in Rap kannst du mehr Wörter verpacken als in jeder anderen Musikrichtungen. Du kannst lange Texte in einen Rap umwandeln, das ist wie Flugblätter. Aber das wollen viele nicht. In Frankreich aber wurde Rap derbe gepuscht. Die hatten auch die erste HipHop-Sendung im Fernsehen, weil die ja derbe die Inlandsmusik pushen. Hier wollen die das nicht, weil die Köpfe dann wieder aufgehen. Hier ist halt ein Land, wo viele alte Menschen wohnen, die wollen so etwas nicht hören, die wollen nicht hören, wenn das Dreckspack seine Fresse aufreißt. Und das haben sie schön geschafft zu unterbinden. Aber jetzt ist die Straße da, und die kriegen uns auch nicht mehr raus. Jetzt werden die Sachen endlich thematisiert, mal schauen, wie die Leute in den Bezirken darauf reagieren, wenn die Leute ihr eigenes Leben reflektieren und dann mal merken, in was für ’ner Scheiße sie eigentlich stecken. Mal gucken, wie sie dann, mit welcher Emotion, was dann zurückkommt. Denn du erntest, was du sähst.

rap.de: Du scheinst dich wirklich sehr für Politik zu interessieren. Meinst du, dass das wichtig ist? Sollte Rap politisch sein?

Nate57: So ist Rap entstanden. Für mich ist es wichtig, weil ich mich ja auch persönlich damit beschäftige. Und es muss jetzt nicht für jeden wichtig sein, aber ich find's cool, ich würde es cooler finden, wenn es in Deutschland mehr davon gibt. Weil die denken alle “Och, ist ja gar nicht so schlimm hier“. Ich stecke doch in meiner Haut, und ich fühle das. Ich versuche, das mit meiner Musik zu erreichen, dass die Leute sich in mich hineinversetzen können. Und dann auch mein Umfeld sehen. Und Immigranten in Deutschland geht’s nicht so gut. Auch Deutschen in der Unterschicht geht es nicht so prickelnd. Das sehe ich. Wobei "Schicht" ein total behindertes Wort ist. Die haben uns ja diesen Titel gegeben. Unterschicht, die die da unten verweilen (grinst). Aber im Ernst: Mensch ist Mensch, und die entschieden das durch die Macht, die sie durch's Geld bekommen. Das entscheidet dann, in welcher Klasse du bist. Es gibt Leute, die sagen, es gibt keine Klassengesellschaft mehr. Ich sage: Das gibt’s noch. Klar, die hat nichts mehr mit Rassen zutun, und Deutschland ist auch ein Land, das nicht mehr so rassistisch ist wie früher, aber es ist trotzdem, immer noch die gleiche Scheiße mit "Hast du was, bist du was, hast du nichts, bist du nichts".