Nazar

rap.de: Kannst Du verstehen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund Islamisten werden?

Nazar: Das ist das Schlimmste, was es gibt, ganz ehrlich.

rap.de: Woran liegt das? Werden die nicht genug lieb gehabt hier?

Nazar: Ein bisschen schon, glaube ich. Ich denke, dass da sehr viel Schuld der Eltern ist. Wenn die Eltern der Kinder sehr altmodisch sind und nicht viel Wert darauf legen, dem Kind das wahre Leben näher zu bringen und das Selbstverständnis, dass man sich seine eigene Welt selbst aufbauen kann, dann passiert das halt sehr einfach. Man bekommt dann schnell das Gefühl, nicht geliebt zu werden und in der Gesellschaft nicht gut anzukommen. Auf dem "Artkore"-Album hatten wir einen Song, der hieß "Unsterblich", und da hab ich halt fragestellend Dinge über den Islam gefragt. Für mich selber! Ich bin ein eigener Mensch und bei uns im Islam weiß man, dass jeder für sich selber den Glauben auffasst und sucht, wie er es für richtig empfindet. Da habe ich dann massenweise E-Mails von kleinen, elf- bis zwölfjährigen Kindern bekommen, die mich über den Islam aufklären wollten. Das fand ich zwar süß, weil die halt gesagt haben: "Hey Nazar! Deine Mama darf nicht über Gott stehen! Und natürlich kommst du in die Hölle, wenn Du ein Tatoo hast!" Ich weiß natürlich, dass das so gesagt ist oder – besser gesagt – in der Gesellschaft so interpretiert wird, aber ich hab diesen Song eigentlich gemacht, um junge Leute zum Nachdenken anzuregen. Dass sie sich eine eigene Meinung über das Ganze bilden. Deswegen finde ich das auch immer sehr, sehr krass, wenn jetzt immer mehr Islamisten das Internet für sich nutzen, um junge Leute auf ihre Seite zu bringen. Ich bin allgemein gegen alles, was Menschen wie eine Sekte fesselt. Jeder soll seine Religion haben, ich respektiere jeden Menschen auf der Welt, egal mit welcher Religion, nur denke ich halt, dass Religion etwas Persönliches ist. Sie sollte nicht dafür stehen, anderen Menschen seinen Glauben aufzudrücken oder zu suggerieren, dass er etwas Schlechteres ist, weil er etwas Anderes glaubt als Du.
 

 

rap.de: Empfindest du das als Deine Aufgabe, Jugendliche darüber aufzuklären?

Nazar: Also, "Aufgabe" ist jetzt zu weit hergeholt, glaube ich. Aber ich rede halt sehr, sehr viel mit meinen Fans, wenn ich auf der Straße bin und ich spreche sie halt auch auf diese Themen an. Wie sie darüber denken, wie sie in ihrer Schule mit anderen Menschen klarkommen, Österreichern wie Ausländern? Da merke ich halt sehr oft, dass die denken, ich fände das cool, wenn die "Ich fick jedem seine Mutter und Du weißt, Allah hat uns zu dem Volk gemacht, das wir sind, und das ist richtig, so zu sein" sagen – weil ich halt ein Rapper mit Gelfrisur bin. Dann merken sie aber, dass ich das nicht so cool finde, was sie da sagen und dann plötzlich fangen sie an, ein bisschen normaler zu reden und wollen mich halt mit einer anderen Art und Weise überzeugen, dass sie halt doch nicht so sind, aber dass man halt als junger Kanake so denken müsse. Ich bin jetzt auch nicht der Messias Nazar oder so was. Es gibt so ein paar Begriffe wie "Migrationshintergrund", wo ich halt echt schon so 'nen Hals bekomme. "Islam" ist auch so ein Thema, ich kann das echt nicht mehr hören. Ich will das auch nicht mehr hören und einfach damit in Ruhe gelassen werden, auch von den Medien. Ist echt schlimm, was da in letzter Zeit passiert.

Man muss allerdings auch sagen – wir haben in diesem Interview fast nur über negative Dinge gesprochen, außer über mein Album. (lacht) Aber ich denke, man sollte auch erwähnen, dass Wien definitiv die lebenswerteste Stadt der Welt ist. Und ich bin viel in der Welt herumgekommen. Das sei zu diesem ganzen Rassismus-Gequatsche mal dazugesagt. Das ist echt eine unglaublich krasse Stadt. Ich empfehle auf jedem Fall jedem, dort mal Urlaub zu machen, um sich Wien selber anzukucken. Wunderschön!

rap.de: Das ist ja mal ein schönes Schlusswort (lacht). Vielen Dank für das Gespräch.