Morlockk Dilemma

rap.de: Hat Dir Deine Herkunft aus Leipzig ein paar Sachen schwerer gemacht im HipHop? Ich hab mir letztens erst wieder so alte "Feuer über Deutschland"-Sachen angekuckt, wo man Euch die ganze Zeit mit irgendwelchen schlechten Ossi-Witzen gedisst hat.

Morlockk Dilemma: Ja, aber das ist jetzt schon ein Extrembeispiel. Ich meine, wir haben ja auch die ganze Zeit Dicken-Witze über Jesen vom Neuen Westen gerissen (Gelächter). Das ist ja am Ende genauso platt. Aber mit den Jungs vom Neuen Westen war alles easy. Im Gegenteil, wir haben gegenseitig unsere Lines gefeiert. Das war halt einfach eine Konfrontation auf einer ganz anderen Ebene. Das ist zwar schon mal passiert, dass jemand zu mir gesagt hat: "Ey, hau ab, du Scheiß-Ossi" – aber nicht im HipHop. Da habe ich auch zugelangt, diesen Stolz habe ich schon. Es berührt mich und ich finde es halt ungehörig. 

rap.de: Und wenn Dich Leute auf Deinen Dialekt reduzieren? Berührt Dich das?

Morlockk Dilemma: Ich frag mich immer: Welcher Dialekt? Da sind die Leute auf jeden Fall unfähig, Flow-Raster von Dialekt zu unterscheiden. Ich gebe mir jetzt nicht die größte Mühe, Hochdeutsch zu sprechen beim Rappen, und es gibt bestimmt auch hier und da Wörter, die ich wegen des Dialekts anders betone, aber wenn Leute deinen Dialekt dumm nachmachen oder versuchen, dich deswegen zu piesacken, dann denke ich mir nur: "Willst Du mich jetzt dissen, oder Streit vom Zaun brechen, Du Strauchdieb?" (Gelächter)
Aber ich hab damit kein Problem. Wenn die Leute nett sind und das auf eine charmante Weise machen, kann man ja sogar auch Witze über den Osten machen. Dann ist das auch okay.
Es gibt auch Leute, die zu mir kommen und mir sagen, dass sie mich vor zwei Jahren ultra-scheiße fanden und heute aber niemanden anders feiern. Und da sage ich dann: "Ey, der hat's begriffen!" Wenn mich Leute nicht mögen, dann gebe denen noch ein bisschen Zeit. Ich krieg die sowieso! (grinst)

rap.de: Das ist doch mal eine schöne Game-Übernahme-Ansage (lacht).

Morlockk Dilemma: Naja, Game, Game, was ist schon das Game? Die Folgefrage dessen ist ja meistens so: "Dann magst du also diesen und jenen oder findest diesen und jenen bestimmt scheiße?". Ich respektiere jeden, der für diesen Traum lebt, egal ob er sich selbst verwirklichen oder nur davon leben will. Scheiß drauf und egal, ob ich mir dessen Mucke dann anhören kann oder nicht – jeder, der eine gewisse Zeit dafür opfert, am Ball zu bleiben und auch im gewissen Sinne seine berufliche Karriere damit versaut, weil er halt Texte schreibt statt arbeiten zu gehen, kriegt von mir Respekt dafür, dass er dieses Risiko eingeht. Aber diese ganzen Hater… ich meine, jeder hat ja Hater. Da kannst Du in jedes Forum kucken. Die verstehen halt einfach nicht, dass sie letztenendes immer die Typen bleiben, die am anderen Ende der Leitung sitzen und Kommentare reinhacken.
Die sind aber nichts! Die bringen nichts auf die Reihe, setzen nichts Kreatives um, erschaffen nichts. Bei diesen Leuten, die sich ständig darüber beschweren, warum dieser und jener Rapper statt ihnen selbst da oben ist, ist sowieso Hopfen und Malz verloren. 

rap.de: Aber ist dieses ganze Musik-Business nicht auch Glückssache? Muss man nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein? 

Morlockk Dilemma: Das ist ja immer so. Aber was hat das mit Glück zu tun? 2001 habe ich mein erstes Release gehabt, als Tape mit kleiner Auflage, das es nur in Leipzig gab. Damit war ich erstmal völlig zufrieden und habe nicht an irgendwelche überregionalen Sachen gedacht.
Du arbeitest dann immer vor dich hin, hast aber auch nicht den Anspruch, jetzt irgendwie das Game übernehmen zu wollen oder so und irgendwann stoßen halt mal Leute drauf, die das cool finden und es vielleicht in ihr Magazin nehmen oder eine Review drüber schreiben. Das hat bei mir bis 2007 gedauert, bis die ersten Sachen überhaupt mal besprochen wurden oder irgendein Redakteur mal ein Interview mit mir machen wollte. Von daher ist alles, was für mich danach kam, eine vernünftige und logische Entwicklung gewesen.
Das ist ein Konzept, das ich jedem empfehle, der nicht anders kann, als Musik zu machen. Jedem, der Geld verdienen will, empfehle ich eine Lehre zum Bankkaufmann. Ne, vielleicht nicht, da sieht's auch gerade scheiße aus. (lacht) Macht doch Webseiten-Optimierung oder so 'ne Scheiße. Macht irgendwas anderes, wenn's Euch um Geld geht.
Wenn Du schlau und realistisch bist, kuckst, wie viel du abstoßen kannst und wie Du arbeiten musst, damit nicht alles in die Miesen geht – dann musst du nur noch einen scheiß-langen Atem behalten im Musikgeschäft. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, dass ich schon 2003 bei meinem "Egoshooter"-Tape ersten Kontakt zu Staiger hatte, als er noch bei Royal Bunker gearbeitet hat. Da hat er mich auch anderen Leuten empfohlen. Dann gab es eine lange Zeit, in der ich ihn erstmal nicht gesehen hab, und 2008 oder so hab ich ihn erstmals wiedergetroffen und er meinte nur so: "Ey, hast lange durchgehalten!" So hab ich das für mich auch empfunden. Du kannst Dich darüber aufregen, dass Dich alle Leute unten halten und Du immer noch nicht den Hype hast – aber was bringt Dir das?
Das ist ein Rat, dem ich jedem geben würde, was das Leben betrifft. Du musst halt einfach weitermachen, scheißegal, wie beschissen die Situation ist, wie lange man schon in Praktikums-Verhältnissen steht oder so. Muss nicht gesagt sein, dass es danach sofort losgeht. Redakteure werden zum Beispiel auch nicht gut bezahlt, das weißt Du vermutlich auch. (Gelächter) Aber Du machst es ja trotzdem.

rap.de: Für die Liebe. (lacht)

Morlockk Dilemma: Das Ding ist ja sowieso: Wenn Du keinen Bock hast, dann hört man das auch. Oder man liest es.