Morlockk Dilemma

rap.de: Es gibt ja auch Studien darüber, dass Menschen, die verhältnismäßig viel spenden, sich dann privat und in der Arbeit mehr wie Arschlöcher benehmen, weil sie der Meinung sind, es sich dann herausnehmen zu können.

Morlockk Dilemma: Das kann schon sein. Ich find's geheuchelt, wenn sich die letzten abgewrackten Popstars dann bei "First Aid" treffen und "Heal the World" singen. Das ist zynisch für mich, dass die damit Geld verdienen. Was bewirken die damit? Dass die Leute eine halbe Stunde denken: "Mh, Afrika gehts ziemlich scheiße. Renate, lass uns einen Flug nach Kenia buchen, da müssen wir auch mal hin. Damit unterstützen wir ja auch die Tourismusbranche!". Dass dann aber irgendwelche Diktatoren davon finanziert werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Das Problem ist ja, dass das die Handlungen "unserer" Welt auch Auswirkungen auf das Leben der dritten Welt haben. Das ist halt das Ding, wo ich mir sage: Okay, dann schreib ich wenigstens 'nen Text drüber und fühl mich deswegen jetzt nicht besser, aber hab mir wenigstens Gedanken darüber gemacht.

rap.de: Du hast auch diesen Track gemacht namens "Mordshunger", der das Thema Armut behandelt. Glaubst Du, dass in Zukunft mehr und mehr Leute einen Aldi überfallen müssen, um über die Runden zu kommen?

Morlockk Dilemma: Das passiert ja jetzt schon. Ich weiß nicht, ob es mehr wird, das ist spekulativ.
Ich fand die Idee halt lustig, dass da jemand nicht wegen der Kohle einen Laden ausraubt, sondern wegen dem Essen. Ich kenn auch Leute die… na gut, die sind zu faul, um's zu kaufen… aber ich kenn auch Leute, die Lebensmittel klauen oder die Scheiße bauen, um ein gewisses Lebensniveau zu halten, welches sie teilweise auch vom Fernsehen vorgelebt bekommen. Für mich wär das keine Lösung, weil mir da einfach auch die Risiken zu hoch wären, aber ich kann mir Leute vorstellen, die aus dieser Motivation heraus Scheiße bauen.

rap.de: Ist ja auch so ein klassisches HipHop-Motiv. Die anderen Kids haben alle Nikes, deswegen will ich jetzt auch welche haben.

Morlockk Dilemma: Ich halte das eher für ein Gesellschafts-Motiv. Wenn du in einer Firma arbeitest und du wirst echt schlecht bezahlt, kannst du dir sicher sein, dass der Chef auf jeden Fall eine große Wohnung und Plasma-Fernseher hat. Und ein Auto, und eine Freundin aus Russland. (Gelächter) So etwas wird einem ja täglich vorgelebt.
Dass es Leute gibt, die das dann auch haben wollen und irgendwann mal "Scarface" kucken… der Fairness halber muss man aber sagen: Die sollten "Scarface" auch mal zu Ende kucken. Das wird dann immer vergessen.

rap.de: Das ist ja echt interessant, dass nie wirklich thematisiert wird, dass "Scarface" oder "Goodfellas" eigentlich total schlecht ausgehen für die Protagonisten.

Morlockk Dilemma: "Goodfellas", Alter! Am Ende hat er keine Pasta mehr mit Tomatensauce bekommen, sondern nur noch Nudeln mit Tomatensauce. Die Moral ist ja immer da! Ich versuch ja auch, mit Moral zu arbeiten, wenn auch auf einer sarkastischen Ebene.
In meinem Bekanntenkreis sind auch genügend Leute, die Geld machen, indem sie was anderes tun, als von neun bis fünf zur Arbeit zu gehen. Auf der anderen Seite kenne ich aber auch genügend Leute, die studiert haben und mit dem, was sie in der Hand haben, auch nichts kriegen.
Ich will jetzt niemandem sagen, dass er auf die Straße gehen oder sich aufbäumen muss gegen das böse, böse Establishment, aber man kann zumindest auch mal wieder wütend werden, und wütend sein dürfen.

rap.de: Herkunft ist ja auch eines dieser "Großen Dinge" auf "Circus Maximus". Inwiefern prägt Dich Deine Herkunft – auch abseits der Musik?

Morlockk Dilemma: Also, in der Musik spielt's keine Rolle – zumindest nicht dahingehend, dass ich nie großer Fan davon war, mit der Leipzig-Fahne zu schwenken. Ich bin stolzer Leipziger, aber für die Musik war's nie wichtig.
Für mich als Person ist es aber schon wichtig. Wenn ich irgendwie in einer anderen Stadt bin, wie es zum Beispiel während meines Studiums war, und ich treffe jemanden aus Leipzig, dann freut man sich halt. Es ist einfach so. Man hat einfach ein anderes Themengebiet, über das man spricht. Über manche Sachen muss man auch gar nicht sprechen, weil sie offensichtlich sind.
Die prägendste Zeit ist die um die Jugendzeit herum und wenn Du dann in so einer Zeit den selben Umgang hast, die selben Erlebnisse, die selben Problematiken – dann verbindet einen das. Ich weiß dann genau: Der Typ, der aus dem selben Viertel kommt, hat die selbe Scheiße durchgemacht, der weiß, was da passiert ist und was da Sache war. Das trennt mich dann von jemandem, der vielleicht dasselbe Alter hat wie ich, aber aus Niederbayern kommt.