Lupe Fiasco – Lasers

Da ist es also, das mit Spannung erwartete dritte Album von Lupe Fiasco. Das Album, das er seiner eigenen Aussage zufolge hasst. Zu viel Label-Politik von Seiten von Atlantic Records, zu viele zwangsweise eingegangene Kompromisse begleiteten den Aufnahmeprozess zu „Lasers“, als dass er wirklich einhundertprozentig hinter diesem Album stehen könne, erklärte Lupe im Magazin „Complex“. “Not pretty if you don’t comply / pretty easy if you don’t complain”, heißt es dann auch auf dem Album.
Das ist nicht gerade die beste Promo, die der 28-Jährige für sein eigenes Album machen kann, doch sie ist wenigstens entwaffnend ehrlich. Eine Frage aber bleibt: Ist „Lasers“ nun wirklich das erwartete Kommerz-Monster?

Das Album beginnt vielversprechend. Der Opener “Letting Go” ist ein beklemmendes, düsteres Stück Musik, immer pendelnd zwischen Selbstzweifeln und ausgewachsener Depression. Das darauf folgende “Words I Never Said” mit Alex Da Kid am Beat und Skylar Grey im Refrain – also der Erfolgskombination von Dr. Dres “I Need A Doctor” – ist vielleicht sogar einer der stärksten Tracks des bislang noch jungen Musikjahres 2011. Wie Lupe hier in den Track einsteigt, ist schon für sich ein mittelschweres Ereignis: “I really think the war on terror is a bunch of bullshit / just a poor excuse of you to use up all your bullets / how much money does it take to really make a full clip / 9/11 building seven did they really pull it?”
Wenn Lupe in der Folge noch US-Präsident Obama für seine Passivität kritisiert, die amerikanischen Polit-Kommentatoren Rush Limbaugh und Glenn Beck als Rassisten beschimpft und mehr oder minder deutlich zu bewaffnetem Widerstand aufruft, ist natürlich nicht jede Aussage wohl durchdacht. Aber Lupe schafft es, mit seiner ganzen Wut und seiner rohen Energie das Public-Enemy-Grundrezept ins 21. Jahrhundert zu hieven – was Public Enemy selbst leider nie geschafft haben.

Dieser starke Auftakt von “Lasers” hat allerdings einen Haken: Der Rest des Albums ist leider unerträglich.

Auf “Lasers” wird ein Pop-Ansatz exerziert, der derart rücksichtslos ist, dass er bis an die Schmerzgrenze geht – und in vielen Fällen leider auch darüber hinaus. Im Falle des Rappers aus Chicago ist das sogar doppelt ärgerlich, nachdem er auf den Vorgängeralben mit Stücken wie “Superstar” bewiesen hat, dass er eigentlich dazu in der Lage ist, Pop und HipHop sinnvoll zu verbinden. Aber wer wie Lupe auf seinem Weg in die Pop-Welt noch einen Schritt weitergehen will (oder dazu gezwungen wird), der braucht entweder ein gutes Gespür für große Melodien oder aber einen ganzen Batzen Geld, um sich Leute mit eben diesem Gespür einzukaufen. Beides fehlt Lupe.

Musikalisch tappt der 28-Jährige deswegen von einem musikalischen Klischee ins nächste. Die Single “The Show Goes On” ist leider nur der fehlgeleitete Versuch, eine große Pop-Hymne zu konstruieren, klingt dabei aber in erster Linie eklig. “State-Run Radio” will ein kantiger Poprock-HipHop-Bastard sein, hört sich am Ende des Tages aber einfach nur an wie Pink. Und wenn Lupe auf “I Don’t Wanna Care Right Now” eins zu eins Flo Rida bitet (!), mitsamt Billig-Electro-Instrumental, Autotune-Hook und ultrasimplen Patterns, dann ist das Ende der musikalischen Verfehlungen leider noch längst nicht erreicht.

Klar, auf “Lasers” gibt es schon den ein oder anderen Song, der im Kontext betrachtet durchaus funktioniert, allerdings bilden diese die klare Minderheit. “Out Of My Head” mit Trey Songz etwa ist ein richtig netter, sommerlicher Lovesong, wenn auch mit etwas dämlichen Lyrics. “Break The Chain” besticht mit seinem schamlosen 90er-Jahre-Techno-Vibe, während “All Black Everything” ein bittersüßes, märchenhaftes Stück Musik ist, in dem sich Lupe eine Welt ausmalt, in der Rassenunterschiede nichts zählen: “Uh, and we ain’t get exploited / White man ain’t feared so he did not destroy it / We ain’t work for free, see they had to employ it / Built it up together so we equally appointed.” 

Inhaltlich versteift sich Lupe auf diffuse, unkonkrete Kopf-hoch-Statements. Der Rapper aus Chi-Town stellt sich demonstrativ an die Seite der armen, ehrlichen Arbeiterklasse und will ihr wachrüttelnde, aufbauende Botschaften vermitteln – dummerweise bleibt Lupe die gesamte Spielzeit hindurch so vage, dass man gar nicht versteht, wie dieses böse Establishment denn aussieht, gegen das man jetzt gefälligst rebellieren soll.

Ganz besonders Songs wie “State-Run Radio” sind dabei natürlich auch als Metapher für den Struggle des ehrlichen HipHop-Arbeiters Lupe Fiasco zu verstehen, der allen Widerständen zum Trotz seinen Mann im Haifischbecken Musikindustrie steht. Dummerweise wird Lupes Rebellentum von der gesamten Aufmachung des Albums aufs peinlichste konterkariert. Er merkt gar nicht, dass er längst zu dem geworden ist, wogegen er zu agitieren glaubt, wenn er pseudo-ironische Zeilen rappt wie: “Different is never good, good is only what we pick / You ain’t got a hit unless it sounds like these did / Not too smart you will be a superstar / and if you dumb or something maybe you could be number one.”

Das Album ist musikalisch viel zu stromlinienförming und die textlichen Patterns sind viel zu simpel geraten, als dass Lupes Selbstinszenierung noch glaubhaft wirken könnte. Vor allem deshalb ist “Lasers” im Großen und Ganzen eine Veranstaltung geworden, die mich einfach nur ärgert.

Man kann natürlich darüber debattieren, wie groß der Einfluss der bösen, bösen Plattenfirma Atlantic Records tatsächlich gewesen ist, aber trotzdem muss er irgendwie mitgemacht haben und so ein Album entsteht nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Künstlers.

Das hier ist nicht mehr der clevere, tatsächlich rebellische Lupe mit Eiern in der Hose; das hier ist der Lupe, der Songs für den Twilight-Soundtrack schreibt – und mit diesem Mist ironischerweise  den größten Erfolg seiner Karriere feiern darf.