Haftbefehl

rap.de: War es für Dich immer logisch, kriminell zu werden?
 

Haft: Nee, ich bin da rein geboren! Ich hatte keine andere Wahl. Gut, ich hätte auch meine Schule machen können, aber… Stell dir mal vor, du kommst auf eine Schule, in der fünften Klasse, wo Gitter in den Fenstern sind und dann kommt dir dein Klassenlehrer jeden Tag entgegen und stinkt nach Jägermeister. Alter, dann nimmst du ihn ja auch nicht ernst und scheißt auf den Spasti. Dann gehst du halt raus, weißt du was ich mein?
Ich habe mir rechnen selber beigebracht. Straßenmathematik, mein Bester. (lacht) Ich bin auf jeden Fall in einer ekelhaften Ecke groß geworden. Wir können da gern mal hingehen, dann kann ich Dir das zeigen. Ich war das letzte mal mit Chaker da, der hat gemeint, das sieht ja aus wie in Tunesien. Überall sind Kameras, richtig abgefuckt, die Ecke.
Die schlachten ein Lamm auf dem Balkon und lassen das Blut hinunter tropfen. Die schmeißen eine Waschmaschine vom zehnten Stock, ohne zu gucken. So Sachen Alter!

rap.de: Warum habt ihr dort gewohnt?
 

Haft: Das war am Anfang nicht so. Das war ne schöne Ecke in Offenbach. Das ist erst mit der Zeit so geworden. Die Leute sind immer ekelhafter geworden und dann waren auf ein mal zu viele Kulturen auf einmal da. Jeder hat seinen Senf dazu beigetragen, alle Deutschen sind ausgezogen. Die haben keinen Bock mehr gehabt.
Mein Vater hat die Wohnung damals gekauft. Die Wohnung hat 350.000 Mark gekostet, die kriegst du jetzt für 80.000 Euro. Rechne mal den Unterschied. Das ist ein Verlust von 70.000 – 80.000 Euro, Alter.
Jetzt bekommst du die Wohnungen vom Sozialamt. Wenn du eine Wohnung suchst, zahlen die dir das. Und wir haben die Wohnung damals gekauft. Stell dir mal vor, wie sich das in 15 Jahren verändert hat. Aber ich wohne da ja nicht mehr, zum Glück.
rap.de: Das hört sich ja erst mal so an, als müsse man da etwas tun. Als müsse man diese Zustände verändern.

Haft: Auf jeden Fall.
 

rap.de: Auf der anderen Seite wird das auf deinem Album aber immer so ein bisschen…

Haft: … als cool dargestellt. Findest du? Wenn ich jetzt der Sohn von irgend einem jüdischen Banker wäre, würde ich sagen: “Ach ihr scheiß Straßenpisser, ihr seid Dreck“. Natürlich würde ich das machen. Ich würde auch nichts damit zu tun haben wollen, aber ich versuche das beste heraus zu holen. Ich muss doch die Leute unterhalten, mein Bester.
Worüber soll ich denn rappen? Sag mir was ich sonst rappen soll? Soll ich darüber rappen, wie schön die Stadt Frankfurt ist? Die Stadtmitte meine ich jetzt! (lacht) Irgendwas muss ich den Leuten doch erzählen und dann kann ich das nur cool darstellen. Oder soll ich nur Lieder auf meinem Album machen von wegen: “Ohh, hier sind nur graue Betonblöcke, ich bekomme keine Luft!“?
rap.de: Ist es anstrengend da wieder raus zu kommen? Im Privatleben. Du hast einen Song drauf für ein Mädchen, ein richtiges Liebeslied…

Haft: Nee, ist kein Liebeslied. Ich sage nicht ein mal in dem Lied: “Ich liebe dich“. Hast du wahrscheinlich nicht genau hingehört, mein Bester. (lacht) In dem Lied geht es darum, dass es einfach nur zwei verschieden Welten sind, dass man nicht klar kommt. Du kommst aus einer guten Familie und ich bin halt ein Azzlack, geh Du Deinen Weg, ich gehe meinen Weg. Das ist das Thema auf diesem Song. Meine Welt ist grau und so eisig, weißt du was ich meine?

rap.de: Würdest Du da gern raus kommen?
 

Haft: Ich bin schon draußen um ehrlich zu sein. Ich wohne ja nicht mehr da, aber ich verkehre da die ganze Zeit. Auch wenn du wegziehst, kommst du da nicht weg. Ich kann nicht arbeiten für 500 Euro im Monat.