Damion Davis

rap.de: Ist Rap nicht eigentlich auch die lyrischste Musikform? Es wird oft nicht genutzt, was sehr schade ist, aber so an sich kann man unfassbar viel in die Texte packen.
Damion Davis: Da wird ja jetzt auch definitiv viel passieren. Es gibt jetzt mehr so Spoken Word lastigen Rap, wenn ich da an Audio88 denke oder Sichtbeton… Oder auch V-Mann und Morlockk Dilemma. Die haben auch eine krasse Art von Poesie in ihren Texten, auch wenn die ziemlich hart kommt. Da ist auch viel Mythologie und Apokalyptisches drin, die sind ja auch richtig belesen. Man denkt, das sind so Hau-Drauf-Rapper, aber das stimmt gar nicht. Die kennen sich in Filmen und Kultur richtig aus. Man muss ja nicht jeden Text mit so was vollhauen, aber man sollte sich da einfach mal frei lassen. Tua macht so was ja auch. Nicht immer dieses Doppelreim-Schema benutzen, sondern einfach mal frei assoziieren. Einfach mal in ganz abstrakten Bildern über einen Tisch rappen. Dieses Straßenrapding ist ja auch einfach an seinem Zenith. Es gab viele toughe Rapper und jetzt wird es eben eine andere Art von Punchlines geben. Diese abstrakte kunstvolle Art von Punchline, wie sie auch Kaas zum Beispiel bringt. Der hat nicht die Über-Technik, aber bringt gute Bilder. Wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg, dass das noch mehr poetisch wird.

rap.de: Künstler wie Tua können sich aber glaube ich auch deshalb so total freimachen, weil die schon gezeigt haben, dass sie auch diese typischen HipHop-Disziplinen beherrschen. Wie so ein Maler, der total verrückt Farbe auf ein Bild klatscht und damit aber keiner sagen kann, dass er gar nicht malen kann, hat er davor schon Stilleben gezeichnet.

Damion Davis: Genau und das ist auch gut. Man sollte die Technik auf jeden Fall beherrschen und auch schon mal probiert haben, das auszureizen. Klar, es gibt viele Künstler, die erst voll den Realismus fahren und dann Expressionisten oder Surrealisten werden. Du wirst ja auch ins kalte Wasser geworfen. Die wenigsten Künstler haben einen Mentor, der sagt "Vergiss alles, was du gehört hast. Nimm deine Person, deine Gefühle und hau sie aufs Blatt. Lass dir von niemandem sagen, dass das wack ist. Nimm einfach alles, was du fühlst, und pack es in diesen Song rein.“ Wenn ich jetzt einen jungen Rapper kennen lernen würde, würde ich ihm auch sagen, dass er sich gerne von der Technik, die viele Musiker fahren, inspirieren lassen kann. Aber das Beste ist es erst mal, eine eigene Künstlerpersönlichkeit aufzubauen.

Das sage ich auch den ganzen Writer-Kids, die auf irgendwelchen Veranstaltungen zu mir kommen und fragen, wie ich ihre Stylez finde. Ich sage ihnen "Ihr seid Maler! Ihr könnt alles an den Zug oder an die Wand bringen!“ Es müssen nicht immer vier Buchstaben sein, es kann auch einfach mal eine Emotion sein. Eine Blutlache oder wie diese ganzen Streetart-Leute, die einfach nur irgendwelche Figuren nehmen und abstrakteres, künstlerischeres Graffiti machen. Dafür braucht man aber ein cooles Umfeld, das einem Mut zuspricht, sich was zu trauen. Da würde die Musik glaube ich auch weitaus besser werden. Viele Leute eifern anderen nur nach und denken, dass jemand wie Bushido das Erfolgsrezept ist. Sie vernachlässigen dabei aber ihre eigene Persönlichkeit. Um was Eigenes zu machen, braucht man auf jeden Fall Eier und eine starke Persönlichkeit. Wie viele Leute würden gerne die Haare so und so haben oder in den und den Klamotten rumlaufen, trauen sich aber nicht, weil der Druck der Gesellschaft zu hoch ist.

rap.de: Entwindest Du Dich dem Druck der Gesellschaft, oder fühlst Du ihn manchmal auch?

Damion Davis: Ne, ich nehm ihn mit. Ich transformiere ihn. Dagegen anzukämpfen und loszurennen und es nieder zu schlagen, ist der falsche Weg. Man muss mit ihm gehen und an den bestimmten Punkten, sei es auch nur irgendwelchen Leuten den Kinderwagen hoch tragen oder Jemand, der gefallen ist, aufzuhelfen… Das ist halt die Politik, die jeder machen kann in dieser Gesellschaft. Weiß du, wenn ich jetzt meinen Wahlzettel abgebe, weiß ich, dass im Endeffekt nur Scheiße rauskommt, egal welche Farbe am Start ist. Aber wenn die Leute, das Volk zusammenhält und die Leute sich helfen und halt nicht so hart sind und sich was gönnen und teilen können, dann glaube ich, sind alle auf dem besten Weg. Klar gibt es einen Druck der Gesellschaft, aber man kann den ja auch benutzen für seine Musik. Man kann ihn transformieren in was Gutes. Man kann den Hass nehmen und ihn in Liebe transformieren. Das hört sich jetzt ein bisschen Ghandimäßig an, aber ja: Es ist eigentlich gar nicht so schwer. Man muss halt nur auf die Leute zugehen und probieren, seine Scheuklappen abzulegen. Dann kommt man mit allen Leuten gut klar, glaube ich. 

rap.de: Was man aus Deiner Musik immer so ein bisschen raushört, das hast du ja auch gerade gesagt mit den Wahlen, das ist so eine gewisse Politikverdrossenheit aber auch eine gewisse Polizei-Verdrossenheit. Sind das Feindbilder gegen die Du dann doch ankämpfst?

Damion Davis: In bestimmten Momenten schon, weil die Staatsgewalt ist schon, ähnlich wie in älteren Systemen im Osten. Es immer noch Leute gibt, die blind einem Befehl folgen werden, ohne die Möglichkeit zu haben, wirklich darüber nachzudenken, weil sie ein Gelübde unterschrieben haben, weil sie einen Vertrag haben, notfalls auch mit körperlicher Gewalt, die Interessen des Staates durchzusetzen. Damit habe ich ein Problem. Ich bin absoluter Pazifist und ich kann teilweise echt nicht verstehen, wie Polizisten… Der Knackpunkt war einfach der G8 Gipfel in Rostock, wo ich halt gesehen habe, wie Wasserwerfer in Behindertengruppen reingeschossen haben, wo Rollstuhlfahrer dabei waren, oder Gruppen, wo Frauen und Kinder standen und das ist einfach der falsche Weg. Deshalb habe ich oft einen Hass auf die Cops auf jeden Fall. Klar, es gibt solche und solche… Ich würde niemals nem Cop die Eisenstange vors Gesicht kloppen, aber ich habe auf jeden Fall ein Problem damit, wenn Leute aus meiner Schule früher einen auf Revoluzzer gemacht haben und jetzt zu den Cops gehen, um Geld zu machen und dann in bestimmten Momenten gegen uns stehen, obwohl wir alle mal zusammen auf einer Linie waren.

Ich bin halt ein krasser Pazifist, ich habe was gegen die Armee, ich hab was gegen die Polizei, wenn sie körperlich Leute ins Unglück stürzt oder irgendwelche Leute hochnimmt, die Marihuana anbauen, was totaler Bullshit ist, die in Knast kommen. Es gibt viel Ungerechtigkeit und es gibt viele Leute, die viel Schindluder treiben, wo die Polizei sich einen Dreck darum schert, weil sie Schutzgeld bezahlen und so. Die ganze Unterwelt ist doch so verknotet. Manchmal guckt man ja einen Kriminalfilm und denkt sich: "Oh Mann, das ist voll der Schwachsinn, die Cops sind alle bezahlt“, aber es ist doch wirklich so. Leute, die wirklich Geld haben und die richtig ein Imperium haben, die brauchen auch keine Angst vor der Polizei haben, weil sie dort einen Staatsanwalt kennen und einfach Netzwerke haben und damit habe ich schon ein Problem. Und ich glaube die Leute in Süddeutschland können das krass nachvollziehen, wenn du als Schwarzer, als Türke oder als Moslem durch den Park in Stuttgart gehst und immer wieder gefilzt wirst, oder als mexikanischer, tätowierter Rocktyp in Nürnberg lebst und die Bullen dich jedes mal hochnehmen, weil du ein paar Piercings im Gesicht hast. Kann ich absolut nicht nachvollziehen, da kriege ich auf jeden Fall einen Hals.

Aber ich würde niemals so weit gehen und selber, persönlich körperliche Gewalt gegen die Polizei anzuwenden, weil da würde ich genau so scheiße sein, wie sie. Aber da ich auch viele Konzerte für die Antifa und so gemacht habe, ist das Bild gegen den autoritären Staat, gegen das kapitalistische System, gegen den Imperialismus, gegen die marktwirtschaftliche Globalisierung und so schon ganz richtig. Auf jeden Fall, ich bin davon überzeugt, dass uns der Kapitalismus krass ins Unglück stürzt und das viele Leute darunter leiden und die Reichen reicher werden und die Armen ärmer. Das sind alles abgedroschene Phrasen für manche Leute, aber es ist halt einfach so. Die Welt könnte wirklich gut klar kommen, aber es gibt halt immer wieder mehr Leute, die immer noch mehr haben müssen und immer noch mehr wollen. Da habe ich halt einen Hals und es geht darum, den Leuten das zu erklären. Weil viele Leute interessieren sic einfach nicht dafür, weil sie die Schnauze so krass voll haben.