Damion Davis

Damion Davis ist ein richtiger Musiker. Der Raum, in dem dieses Interview entstand, ist nicht sonderlich repräsentativ. Es ist nichts zu sehen vom Schein und Sein der Musikindustrie. Leere und halbleere Flaschen türmen sich zwischen Unmengen von Instrumenten. Es gibt keine Gläser, dafür Panflöten und Gitarren. Nebenan wird zwischen Tür und Angel aufgenommen. Mehrmals die Woche trifft sich der Rapper hier mit Bands und jammt. Einfach so, aus Spaß. Mal wird gesungen, mal gerappt. Mal entwickelt sich das Ganze mehr in Richtung Reggae, dann wieder Rock. Zehn Jahre seines Lebens widmete Damion Davis der HipHop-Kultur und fasste die wichtigsten Stationen seiner Karriere auf seiner aktuellen DVD „Lichtjahre“ zusammen. Nun möchte der Vollzeitmusiker und Teilzeitschauspieler mal was Neues ausprobieren. Wir sprachen mit ihm über den bösen, bösen Kapitalismus und die Liebe zur Kunst – egal ob Musik oder Malerei und Graffiti. Wütende Musik aus französischen Banlieues, den Aufstieg der Berliner Rapszene und klären die Frage, ob "Wholetrain" das "La Haine" der deutschen Graffiti-Landschaft war.
rap.de: Man hört von etablierten Künstlern relativ selten, dass sie einfach nur zum Spaß mit Freunden jammen, ohne auf irgendetwas konkret hinzuarbeiten. Weil es ja dann doch eine Art Job ist, den man macht. Hast du dir da so ein bisschen die Begeisterung der Anfangstage bewahrt?

Damion Davis: Ja total, da hat sich bei mir nichts geändert. Der Heißhunger ist immer noch da. Wenn man richtiger Vollblut-Musiker ist, egal ob erfolgreich oder nicht, hat man ja immer Lust, Songs zu machen. Man ist immer neugierig, wie ein Kind. Ich merk das ja an den Musikern hier, dass im Proberaum alle wie Kinder sind. Manche reissen sich zusammen, weil sie wissen, dass es Geld gibt. Man gibt sich schon Mühe und versucht das so konzentriert durchzuziehen, wie der Auftraggeber das möchte, aber das innere Kind bewahrt man sich immer. Deshalb gibt es glaube ich auch viele Musiker, die bis in ihre alten Tage noch Musik machen, weil sie dadurch dieses Gefühl von früher haben. Einfach nur Musik machen, sich fernab von allen Regeln einfach mal auskotzen und ausbrüllen – das ändert sich niemals. Nur das Handwerk wächst halt. Man weiß, was als Bridge kommen muss, wie man seine Worte am besten setzt… Am Anfang erahnt man das alles nur, aber später werden das richtige Bausteine. Der Rest bleibt aber immer gleich. Ich bin immer noch aufgeregt und freue mich wie ein kleines Kind, wenn es zur Probe geht. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil man jetzt von sich selbst weiß, was man am Besten kann und was eben nicht. In der Musik hat man einfach die absolute Freiheit, die man sonst im Leben nicht hat.

rap.de: Du hast mit 15 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. War das mehr so hobbymäßig…

Damion Davis: Voll!

rap.de: …oder wolltest du damals schon ernsthaft Musiker werden?

Damion Davis: Auf jeden Fall. Mit vier Jahren, da habe ich noch in Polen gewohnt, habe ich schon auf Elternversammlungen Luftgitarre gespielt. Ich wollte schon immer Musiker oder Schauspieler werden, also irgendwas Extrovertiertes, Profilneurotisches. Ich hatte damals aber keinen Unterricht, oder habe jeden Tag Gitarre geübt. Irgendwann kam dann eben noch Rap dazu und das ist so ein bisschen verloren gegangen. Diese ganzen HipHop Leute sind ja immer so ein bisschen festgefahren auf ihr Ding, den realen HipHop und so, und da konzentriert man sich dann eben auch nur noch aufs Rappen. Erst in den letzten vier Jahren habe ich mich eigentlich erst wieder darauf besonnen, wo ich eigentlich herkomme. Eigentlich bin ich ja so ein Crossover-Kind, was sich aus allen Musikrichtungen was nimmt und sich überall inspirieren lässt. Durch die Rap-Zeit war das so ein Hardliner-Ding. In der Szene wird immer ein bisschen die Nase gerümpft, wenn Leute wie Clueso oder Max Herre mit diesen Songwriter-Sachen anfangen.

Ich glaube, ich gehe schon in dieselbe Richtung, aber ohne mich jetzt von Eißfeldt inspirieren zu lassen.  Als diese große HipHop Welle nach Deutschland kam, haben alle gemerkt, dass man damit schnell auftreten kann. Man braucht eben nur ein Mic und einen Beat. Und dann kommt dieses Hardliner-Denken dazu und man kriegt Scheuklappen, die man wieder abwirft, wenn man erwachsen wird. Da merkt man dann, dass es noch viel mehr Sachen gibt und HipHop kommt ja eigentlich auch aus allen möglichen Sachen. Aus dem Jazz, aus dem Blues, aus dem Funk, aus dem Soul… Das ist die Musikrichtung, die durch das Sampling alles miteinander vereint und von daher sollten eigentlich die HipHopper so offen wie möglich sein. Du kannst mit 48 auch keine Ghetto-Texte mehr kicken. Das Ghetto ändert sich, die Jugend ändert sich, die Sprache, der Style, die Klamotten und irgendwann willst du dann eben Musik machen, die ein bisschen zeitloser und für erwachsenere Leute ist. Das sind automatische Prozesse.

rap.de: Was mich daran stört ist aber die Aussage "Ich bin erwachsen geworden und mache jetzt plötzlich was ganz anderes, weil ich für HipHop zu alt bin“. Das hat so einen ekligen Beigeschmack immer. Wenn man jahrelang in einer Kultur zuhause war und sich dort auch wohlgefühlt hat, dann kann man innerhalb dieser Musikrichtung doch mit neuen Einflüssen auch was innovatives und "erwachseneres“ schaffen.

Damion Davis: Voll, nur die Interpretation von HipHop von den Kids ändert sich immer. Es ist halt schwer, mit einer Bluesgitarre und Gesangsparts diese Hardliner zu überzeugen. Du weißt ja, wie schwer so was gerade in Berlin ist. "Was ist denn das? Das’ ja voll der Ökorapper!“ und so – irgendwann kriegt man einen Abfuck davon. Man sucht sich dann einfach ein Publikum, was den Rock-, den HipHop- und den Reggae-Damion mag. Darauf arbeite ich gerade hin. Ich werde immer mal einen Rap-Part einstreuen und immer mal eine HipHop-EP machen, wenn ich wieder Bock drauf habe. Das wird immer ein Teil von mir sein und ich würde mir da niemals eine Zäsur setzen. Das ist für mich ein fließender Übergang und die Betonung liegt für mich in erster Linie auf "Musik“. HipHop ist nur eine Transformationsform von verschiedenen Elementen, wird aber immer ein Teil von mir sein. Die Rocker, mit denen ich zusammen arbeite, meinten auch zu mir "Du spielst ganz anders, du hast einen ganz anderen Style, weil du aus dem HipHop kommst“ und das kann ich einfach nicht ändern. Jede Narbe, jede Erfahrung die du hast, trägst du weiter in dir – auch wenn du von einem orthodoxen Juden zu einem Moslem konvertierst. Es gibt keine Zäsuren. Ich werde auch immer weiter Hosen tragen, zumindest dass bleibt dann immer HipHop! (lacht)

rap.de: Glaubst du, du hättest mehr Fans, wenn du dich knallhart auf eine Sache beschränken würdest?

Damion Davis: Ja, absolut. Das ist es auch, was mir alle Leute gesagt haben, mit denen ich jetzt großen Kontakt hatte. Seien es so Booker-Leute oder welche von Warner Brothers. Die meinten, dieses Crossover-Ding bringt nichts, ich solle mich festlegen und versuchen, genau die Zielgruppe für dieses eine Ding zu finden. Das ist mir aber ehrlich gesagt zu plump. Das könnte ich mir vorstellen, wenn ich Songwriter für andere Leute wäre. Wenn jemand kommen und sagen würde "Ok, wir haben hier ein Mädchen. Die ist total frech, schreib mal Texte für die“, dann würde ich das auch machen. Aber für mich selbst… Nö. Ich bin mit jedem down und würde mit jedem Musik machen. Ich würde auch auf Heizungen trommeln, wenn ich coole Leute hätte, die mit mir eine Gruppe gründen und sich regelmäßig treffen. Ich bin einfach ein Crossover-Kind. Ich bin im Osten großgeworden, hatte aber immer auch Freunde im Westen und war von allen Seiten inspiriert. Vielleicht kommt das irgendwann, wenn ich älter werde. Kann ja sein, dass das mal ein richtig fester Stil wird, aber ich will eigentlich immer nur das machen, worauf ich gerade Bock habe.

rap.de: Machst du Musik hauptsächlich für deine Hörer oder ist es wichtiger, dass sie dir selbst gefällt und der Rest ist erst mal zweitrangig?

Damion Davis: Das ist sozusagen ein gegenseitiges Befruchten. Ich mache Songs über Sachen, die mich interessieren, schreibe aber auch Songs für andere Leute. Es gibt zum Beispiel diesen typischen HipHop Hoffnungs-Track, bei dem ich weiß, dass er Optimismus in der Musik Leuten, denen es schlecht geht, einen guten Tag bescheren kann. Oder der Graffiti-Track… Es gab halt wenig solche Tracks, als wir "Wholetrain“ gemacht haben und da habe ich mich gefragt, warum keiner für diese ganzen Writer spricht, die doch auch so krass zur HipHop Kultur dazugehören. Warum sagt auch auf der Graffitibox Jam keiner, dass das eine Jam für die Writer ist? Ich mag diese HipHop Community einfach so. Von daher, klar: Ich schreibe Songs für andere Leute, ich schreibe Songs für mich selber und ich schreibe Songs, die dazwischenliegen. Das sind einfach Themen, die mich interessieren und über die ich dann wie bei einem Buch schreibe.

Ich mag das, mich da so reinzufinden. Escapeism nennt man das. Ich könnte einen Track über Hawaai machen, war aber noch nie da. Es ist einfach so ein Gefühl von Reisen, obwohl du dich nicht bewegst. "Travelling without moving“, diese Line von Jamiroquai bringt es auf den Punkt. Aber ich sag es ganz ehrlich: Die Songs, in denen es wirklich nur um mich geht, sind sehr gering. Im Rock werden aber viel mehr Songs kommen, die richtig krass aus mir sprechen. Richtig tief. Das ist ganz anders als im HipHop, der viel mit Konstruieren zu tun hat. Natürlich ist die Quintessenz immer real, aber du hast halt verdammt viel Text. Beim Rocksong reichen drei, vier Zeilen und die Musik macht den Rest. HipHop ist sehr sprachorientiert und wenn so ein Thema so krass ausgeschmückt werden muss, geht da viel von einem verloren. Es gibt Rapper, die sich da selbst zu hundert Prozent reflektieren, aber viele konstruieren auch was dazu.