Prinz Pi über 2011

rap.de: Aber zum Teil versucht die Gesellschaft doch auch, Schuld abzuwälzen auf dies bösen Rapper.

Prinz Pi: Ja, aber die bösen Rapper verdienen ja auch ihr Geld damit, dass sie so böse sind und die Gesellschaft die Schuld auf sie abwälzt.

rap.de: Ein Teufelskreis.

Prinz Pi: Win-win. Jedenfalls habe ich da mittlerweile voll das krasse Verantwortungsgefühl, vielleicht auch, seitdem ich selbst eine Tochter habe. Ein Song wie "Du Hure" ist ja schon uralt, aber auf den bekomme ich immer noch viel Feedback. Viele Leute erzählen mir, dass es ihnen bei ihrer Trennung voll geholfen hat. Sogar Frauen sagen mir, dass es ihnen beim verarbeiten geholfen hat. Okay, dann hat der Song wenigstens noch einen positiven Outcome, aber es könnte ja auch sein, dass jemand mir sagt, ich habe den Song gehört und dann wurde mir bewusst, dass meine Freundin voll die Schlampe ist und nichts zu melden hat – und das fände ich nicht cool. Es gibt Sachen von Orgi, wo er krasse Sachen sagt, von wegen, dass die Frau nichts zu melden hat, aber selbst ist er dann so ein Lappen, dass er in dieser Talkshow seinen Mund nicht aufkriegt und überhaupt nicht argumentieren kann.

rap.de: Aber für allgemeine Verbote bist du nicht, nehme ich an.

Prinz Pi: Überhaupt nicht. Aber Musik sollte gehandhabt werden wie Filme. Bestimmte Sachen sind eben erst ab 18. Unsere Gesellschaft hat sich in der Hinsicht total verändert. Heutzutage weiß ein 12jähriges Mädchen alles über Gangbangs und Analsex. Ich finde das skandalös, denn das muss man in diesem Alter einfach noch nicht wissen.

rap.de: Da spricht jetzt der Vater.

Prinz Pi: Ja, klar. Ich bin ja auch ein Fan von Action oder Horrorfilme, als erwachsener Mensch kann ich da die Grenze ziehen. Aber ein Kind kann das eben nicht. Wenn ein zehnjähriges Kind "Saw" sieht, kriegt es möglicherweise einen psychischen Schaden. Und mit Musik ist es genauso. Wenn du zu einem bestimmten Musiker aufschaust und denkst, was die sagen wäre die Wahrheit oder etwas, auf das man hören sollte, und dann sagt dir einer, eine Frau ist nichts wert, die soll die Fresse halten und sich ficken lassen, dann ist das nicht gut.

rap.de: Ganz jugendfrei waren deine früheren Texte auch nicht gerade…

Prinz Pi: Ja, aber so hab ich das ja nicht gesagt. Ich hab erzählt von krassen Bitches, die ich klar gemacht habe, was ja auch…

rap.de: …der Wahrheit entsprach?

Prinz Pi: True Story (grinst). Das war halt der Porno-Prinz, aber ist ja jetzt auch weg. Aber ich hab niemals gesagt, Frauen sollen die Schnauze halten und sich ficken lassen. Ich habe bei "Du Hure“ abgekotzt über eine Frau, die mich betrogen hat. Aber niemals so was krass Frauenverachtenes. Und das ist es, was mich übelst nervt, denn ich kriege das ja zu spüren. Wenn Leute sowas verzapfen, muss ich mich dafür rechtfertigen. Wie es in den Medien natürlich immer so ist, da werden ja eher die negativen Beispiele rausgesucht. Wenn mal jemand was besonders kluges sagt, wird das nicht so gern zitiert wie wenn jemand was besonders dummes sagt.

rap.de: Das liegt vielleicht daran, dass viel mehr Leute etwas dummes sagen als etwas kluges.

Prinz Pi: Vielleicht liegt es auch daran, dass die Medien aber auch mehr Leser haben für die Skandale als für die guten Meldungen. Eine Dominanz des Negativen. Das ist ein krasses Rezeptionsmuster unserer Gesellschaft. Nur den Dingen Beachtung zu schenken, wo wir schadenfroh sind, dass sich einer krass blamiert. Dagegen der Humor von Loriot früher, da wurde niemand vorgeführt oder bloßgestellt. Heutzutage ist das ganze Comedyding immer nur ein Rumhacken auf irgendetwas. Guck dir mal Mario Barth an, der hat die vermeintliche Klischeehaftigkeit zu seinem einzigen Inhalt gemacht. Oder diese Castingshows, wo die Leute sich nur zum Affen zu machen. Da gucken die Leute zu und finden es geil. Eine Modelshows, wo alle Models 1a ihre Aufgaben bewältigen, wo die alles ganz super machen, dass würde ja keinen interessieren. Deswegen hab ich bis jetzt auch noch nie bei einer Modelshow mitgemacht. (grinst)

rap.de: Wann hattest du denn die Idee zu "Hallo Musik“?

Prinz Pi: Wir haben mit tape.tv, diesem neuen coolen Internet-Fernsehsender, ein Dachbodenkonzert gemacht. Ich fand es aber scheiße, sich da mit DJ hinzustellen. Die meinten dann, sie gucken nach einer Band. Ich finde es eigentlich auch whack, wenn ein Rapper seine Beats auf einmal mit einer Band umsetzt. Aber die meisten Beats, die Biztram so macht, sind ohnehin zum größten Teil mit echten Instrumenten gemacht,  alle seine Baselines, alle seine Klaviersachen – das sind immer echte Musiker, die ins Studio kommen und das einspielen. Also lag es bei uns eigentlich gar nicht so fern, das zu machen. Wir haben es dann da mal ausprobiert und es hat so gut geklappt, dass ich gesagt habe, lass uns das mal als Album machen. Wir hatten ja schon die sechs Songs vom tape.tv-Gig. Die übrigen Songs, die noch aufs Album gekommen sind, haben wir dann in einer Facebook-Abstimmung direkt von den Fans wählen lassen.

rap.de: Demokratisches Prinzip.

Prinz Pi: Genau. Ich hab halt super treue, super nette Fans und supercoole Leute kennen gelernt. Mir gibt das halt viel Kraft. Ich wollte denen zu Weihnachten ein Geschenk machen. Dieses Akustik-Album ist natürlich wirtschaftlich ein totaler Unsinn. Das ist viel teurer als das letzte Album, das wir gemacht haben. Allein die Produktion kostet ein Vermögen. Wir mussten voll krasses Studio mieten, die  ganzen Musiker bezahlen und proben und zehntausend Autoladungen voll Equipment von A nach B kutschieren. Aber es ist halt 'ne schöne Sache und ich wollte es einfach machen.

rap.de: Das wird dich aber hoffentlich nicht in die roten Zahlen abstürzen lassen.

Prinz Pi: Nö, aber es bringt auch keinen großen Gewinn. Aber wir machen oft Sachen, die uns keinen großen Gewinn bringen. Zum Beispiel die ganzen Booklets. Das Album verschiebt sich ja jetzt um eine Woche, weil die Druckerei auf so ein besonderes Papier drucken sollte. So ein Ökopapier mit Dreck drin, von dem die Druckmaschinen verklebt sind, weil das Papier zu wellig war oder sowas. Das sind dann so die kleinen Details. Ich find halt sowas geil. Ich glaube auch, es sind solche Details, über die sich jemand, der so ehrlich ist und die CD kauft, halt auch sich freut und dafür belohnt wird, mit schönem Booklet, schönen Foto, cool umgesetzten Sachen. Ich glaube, das kommt gut an.