rap.de: Dazu ist ja die Kunst auch da, oder?
Ahzumjot: Definitiv, dafür wurde die Kunst erfunden und erschaffen, um eine andere Welt zu bieten, eine Alternative zu dem, was wir jeden Tag sehen. Deswegen explodiert im Film ein Auto, wenn man drauf schießt, weil’s im echten Leben nicht passiert. Und am Ende gibt es immer ein Happy End. Das wollen ja alle, eine Welt, die nicht so ist, wie sie ist. Wobei, gerade im Rap darfst du ja nie irgendetwas machen, was nichts so ist wie du bist.
rap.de: Und, hältst du dich daran?
Ahzumjot: Ich würde mein Album schon als sehr real bezeichnen. Real bedeutet ja nicht gleich rough. Selbst, wenn ich teilweise ein härteres Leben gehabt habe als mancher harte Rapper. Als ich acht war, haben meine Eltern sich getrennt und meine Mutter ist ausgezogen, hat uns quasi alleingelassen. Das waren die drei schlimmsten Wochen meines Lebens, ich wusste nicht, wo meine Mutter ist. Irgendwann bin ich dann aus der Schule gekommen und da stand sie plötzlich und meinte, los, wir gehen jetzt Schuhe kaufen. Danach habe ich mit ihr im Frauenhaus gewohnt. Das waren aber die beiden besten Monate meines Lebens, einfach, weil ich meine Mutter wieder hatte. Während sie weg gewesen war, hatte ich nachts gar nicht mehr schlafen können.
Dann sind wir dort ausgezogen. 60 Quadratmeter, eine Matratze, drei geklaute Teller aus dem Frauenhaus, zwei bis drei Gabeln und so ein kleines Radio, was mein Vater mir irgendwann mal geschenkt hatte. Ich will jetzt nicht sagen: Wir waren froh das wir den nächsten Tag überlebt haben, aber man war froh, dass man sich hatte. Ich hatte keinen Fernseher, keine krasse Anlage, keinen Computer, kein Internet, keine CDs, kein Spielzeug. Doch, ich hatte mal ein Tamagochi. Kennst du die noch?
rap.de: Na klar. Jedenfalls warst du nicht gerade auf Rosen gebettet?
Ahzumjot: Nee, und das ist nichts, wofür ich mich schäme. Aber auch nichts, womit ich mich krass brüste. Ich merk’s nur einfach jetzt, zum Beispiel, als ich dann ein paar Modeljobs hatte. Das erste, was ich gemacht habe, war, mir ein MacBook zu bestellen, drei Paar neue Schuhe für mich, eins für meine Freundin zu kaufen, einen meiner besten Freunde ins Steakhouse einzuladen für 70 oder 80 Euro. Aber ein paar Monate später ist nichts mehr davon da und jetzt müssen wir gucken, wie wir die Miete zahlen. Also, ich würde nicht sagen, dass mein Leben ausgesprochen hart ist, aber ich merke es schon, wie sehr mir diese ganzen Luxusgüter fehlen.
Mein Vater hat auch krass kein Geld, war auch Jahre lang Putzmann und ist dennnoch immer jeden Samstag beim Afroshop. Trägt einen Anzug, riecht nach teurem Parfum und unter der Woche geht er putzen. Weißt du, was ich meine? Jetzt, wo ich das erzähle, merke ich, dass das fast wie mein eigenes Leben ist: Ich stehe auf der Hauptbühne beim Splash, zwar nur als Bandmitglied bei Rockstah, aber egal. Und dann fährt man nachhause und kriegt einen Anruf, ob man für den und den einspringen kann, am nächsten Tag steht man am Tresen und fragt "Chilli oder Knoblauch?“ Das ist ein Leben!
rap.de: Wann und in welcher Form trat denn die Musik in dein Leben?
Ahzumjot: Ich bin in einer sehr musikfanatischen Familie mit sehr viel schwarzer Musik aufgewachsen. Bob Marley ist wohl die prägendste Musik, die ich mitbekommen habe. Zwar habe ich gar keine Einflüsse davon, ich höre es auch privat gar nicht. Aber es ist die Musik, die am meisten Gefühle in mir hervorruft. Bob Marley war in meiner Kindheit auf jeden Fall allgegenwärtig. Dann wurde ich ein Riesen R. Kelly-Fan. Ich hab generell sehr viel R&B gehört, Destiny’s Child, war auch großer Usher-Fan. Dann kam irgendwann Eminem. Das war rapmäßig das erste, was ich gefeiert hab. Das war aber auch erst bei der "Marshall Mathers LP". Und bei Deutschrap war es Savas, "Der Beste Tag meines Lebens", das ich allerdings erst sehr spät gehört habe. 2005 war das, da gab’s das schon ganz günstig im Media Markt (lacht). Vorher hab ich nichts an Deutschrap gefeiert. Leider war ich, ehrlich gesagt, auch nie großer Fan von Hamburger Rap, weshalb mich meine Homies auch immer ungläubig angucken: Was, du bist Hamburger und hast nie Beginner krass gefeiert? Ist nicht so, dass ich die scheiße finde, aber es war nie mein Geschmack. Mir war das immer zu lieb. Zu schön, zu unbeschwert, glatt und poppig. Ich mochte immer Musik, die aneckt. Deswegen war ich irgendwann großer N.E.R.D und Neptunes-Fan. Man sagt zwar, die sind Mainstram, aber die machen ja eigentlich keineswegs mainstreamigen Sound. Wie bei Timbaland, der war anfangs auch kein Mainstream. Meine Lieblingsproduktion von ihm war damals "We need a resolution", die er für Aaliyah gemacht hat. Oder "Get on the Bus" von Destiny's Child. Oder alte Missys Sachen. Die hatte es auch komplett drauf.