Staiger: Warum findest du die Platte unfertig, an welchen Punkten hättst du textlich oder produktionstechnisch noch etwas verändert?
Casper: Ich bin ja während der Produktion immer der leidende Schwan, jeder dritte Satz war: „Wir haben noch Budget, wir können auch einfach auswandern, das wird auf jeden Fall reichen für ’ne Strandbar.“ (lacht). Es gibt viele Sachen, wo ich denke: Hm, da hätte man vielleicht eine dritte Strophe machen können, da hätte man das vielleicht tauschen können, da hätte man hier, da hätt ich gern das gemacht … Aber ich weiß auch, dass es in der Zeit, in der Produktion für mich psychisch nicht möglich war. Ich war ja so blockiert, stand neben mir, war so an der Spur vorbei, dass es einfach nicht möglich war. Aber jetzt habe ich ja dieses, in Anführungsstrichen, Mammutwerk oder dieses Herzenswerk, wo ich endlich auf meiner Lieblingsmusik selber rappe. Dafür muss man die selber produzieren, und das war ne Odyssee, es war zum Kotzen und hat ewig lang gedauert, aber jetzt ist es fertig.
Marquart: Dieses Suche nach dem perfekten Beat?
Casper: Genau. Wie Bambaata! (lacht) Aber dann es war so: Boah, jetzt ist es fertig, jetzt haben wir das gemacht, und jetzt ist es wie so eine riesige Last .. nicht Last von den Schultern, das klingt jetzt zu doof, aber einfach: Okay, das ist jetzt abgehakt, da muss ich mir jetzt erstmal keinen Kopf mehr drum machen. Ich häng jetzt hier ab, geh zehn Minuten runter, häng mit Nico (von K.I.Z. – Anm. d. Verf.) ab, wir lachen uns tot, machen einen Song wie dieses „Wilson Gonzales„, feiern das ab. Und abends hör ich dann ’nen Waka Flacka-Beat, den ich krass finde, schreibe darauf und es geht einfach zackzack. Ich habe gerade einfach Spaß an der Musik und hab einfach wieder voll Bock, zu schreiben. Während der Platte ging das nicht, ich konnte es einfach nicht.
Marquart: Bist du jetzt ein Stück weit mehr bei dir als Künstler angekommen?
Casper: Das würd ich so nicht sagen. Ich hab jetzt einfach dieses Ding, über das ich schon während „Hin zur Sonne“ geredet habe, gemacht. Und jetzt ist es cool. Ich hab das gemacht. Das ist so wie: Arbeit ist fertig. So stelle ich mir das vor, wenn ein Student sein Diplom abgegeben hat. Und jetzt ist es einfach erstmal nur noch feiern.
Staiger: Warum hat es gerade jetzt geklappt? Warum hat es zum Beispiel bei Selfmade nicht geklappt? Da dachte ich ja, Casper, große hoffnung, das ewige Talent…
Casper: So wie Mehmet Scholl! Das wird übrigens mein nächster Swag-Song. (rappt:)Meh-meh-met, Meh-meh-met. Naja, bei Selfmade muss man sagen, da läuft alles, du kennst Elvir ja. Das ist ein sehr sauberes Büro und da ist alles sehr kalenderfixiert. Für Elvir hat das auch alles Sinn ergeben: Es gibt einen Sampler, da wirst du in den Vordergrund gestellt, wie’s dann bei „Mittelfinger hoch“ auch war, und dann kommt sechs Monate später ein Album, das heißt, du hast direkt nach dem Sampler noch drei Monate Zeit. Ich war zu dem Zeitpunkt immer noch in meiner „Hin zur Sonne„-Geschwindigkeit und das haben wir in drei oder vier Wochen geschrieben und aufgenommen. Drei Monate, dachte ich, das is ja gar nichts! Da mach ich drei Alben! Aber ich hab’s halt nichts hinbekommen. Daran sind weder Selfmade noch Elvir schuld, ich hab es einfach nicht hinbekommen. Ich hatte drei, vier Songs skizziert – die waren rückblickend betrachtet einfach nicht geil. Es wäre eine ganz andere Platte gewesen, als das, was es jetzt ist.
Zwischendurch habe ich mal auch so eine Art Drake-Platte aufgenommen, mit runtergefilterten Beats und Jammern auf hohem Niveau, so: Scheiße, die Leute erkennen mich, weil ich berühmt bin, das ist ja die Hölle. Gestern mit einer schönen Frau geschlafen, die ich heut nicht mehr kenne. Gut, dass die nie rausgekommen ist. Ich liebe, was Drake macht, aber ich finde seine neue Schiene viel besser. Auf Drogen im Club Frauen überreden, ihren Freund zu verlassen. (lacht). Die neue Drake-Schiene hat auf jeden Fall mehr Swag. Aber ich bin einfach froh, das es jetzt die Platte geworden ist. Ich wollte eben diesen The XX-Sound, aber gepaart mit ein bisschen Editors und Coldplay. Was sich jetzt aber hiervon als Essenz für das nächste Album herauskristallisiert, weiß ich noch nicht. Ein Album ist ein Konzept. Nur ein Entwurf.