Marquart: Die Kollegen von meinrap.de wussten ja schon am Freitag, dass du auf 1 einsteigen würdest. Wusstest du es zu diesem Zeitpunkt auch schon sicher?
Casper: Ach, das ist eine so krass unwichtige Sache. Wenn irgendwer mir das erzählt, selbst wenn Beat (Gottwald – Caspers Manager – Anm. d. Verf.) oder jemand vom Label sagt: „Ich weiß wie du charten wirst.“ – Das weißt du nie! Du weißt es einfach nicht, du weißt nicht, wie der Umsatz ist, du weißt nicht wie die anderen im Umsatz waren. Dann kommen die kleinen Läden ja erst am Freitag, das wird nachgereicht. Und deswegen fand ich dieses Nummer-Eins-Gequatsche von Anfang an total nervig. Denn es hätte ja auch sein können, dass wir in Anführungsstrichen nur auf 5 charten. Und dann hätte jeder gesagt: „Boa, was für’n Flop“. Deswegen fand ich das einfach so nen bisschen unpassend, vorher damit rauszugehen. Und was generell nervt, ist, dass alle glauben die Welt verstanden zu haben. Ihr könnt ja mal 16bars-Kommentare lesen, ist jedes Mal ein Knaller. „Naja, is ja auch ne schwache Woche. Der wird ja auch für die Eins aller-allerhöchstesn 4.500 verkauft haben. Nächste Woche ist der schon wieder raus!“ Und das witzige ist: a) es stimmt überhaupt nicht und b) auf jeden der sich sowas ausdenkt, gibt’s immer sechs, die’s glauben. „Jaja, hast vollkommen Recht. Woher haste die Zahlen?“ – „Naja, ich hab da so nen Zugang, der weiß ALLE Verkaufszahlen.“ „Naja, aber richtig bewiesen wird er sich erst nächste Woche. Mal gucken.“
Staiger: Aber das Schöne ist ja: Du hast dich in der nächsten Woche dann bewiesen.
Casper: Ja, aber es ist doch einfach nur nervenaufreibend. Ich versteh diese Leute nicht, die wirklich die Kraft, die Energie und vor allem die Zeit haben, sich irgendwo hinzusetzen, sich was auszudenken.
Marquart: Wenn jemand etwas gut findet, oder etwas übersteigert, dann nimmt er sich nicht die Zeit, da jetzt irgendwie das hinzuschreiben. Jemand, der von etwas genervt ist, oder schlechte Laune abauen möchte, hat aber diese Zeit.
Casper: Ich persönlich, aber vielleicht bin ich ja ein Weichei, mach das ja nur, wenn ich was gut finde. Ich habe in meinem Leben vielleicht 4 YouTube-Kommentare verfasst, und die waren jedes Mal so: „OH MEIN GOTT DAS IST DAS BESTE WAS ICH JEMALS GESEHEN HABE!“. Und dann gibt es andere Leute, die haben schon 4.000 YouTube-Kommentare, wo es nur darum geht, Leute die etwas gut finden, aufzuhetzen, es nicht gut zu finden.
Aber was jetzt wirklich ein Hobby von mir geworden ist, womit ich mir unzählige Stunden vertrieben habe, ist, die Mixtapes von Leuten anzuhören, die negative Youtube-Kommentare schreiben. Natürlich sind die meistens unter aller Kanone. Die durchhören und sich dann dabei aufregen: „Wie kann er sich denn anmaßen…!“ (Gelächter)
Staiger: Hat Elvir (Omerbegovic – Chef von Caspers altem Label Selfmade – Anm d. Verf.) dir gratuliert?
Casper: Er wird gratuliert haben, bestimmt. Also, ich hab jetzt keine Privatnachricht von ihm bekommen. Aber ich gehe stark davon aus, dass er gratuliert hat.
Staiger: Ist die Zahl der Schulterklopfer denn gestiegen? Die, die es schon immer gewusst haben?
Casper: Nee. Das Ding ist ja, dass ich diese Sachen, die man eigentlich cool finden muss, hasse. Irgendwelche Aftershowparties, wo irgendwelche Labelleute abhängen und deren neue Künstler, oder deren alten Künstler, überall Buffets. Das ist nicht meine Welt, ich fühl mich da nicht wohl, ich mag das nicht.
Marquart: Aber sowas finden diese Industrietypen ja meistens ganz reizend und authentisch. Viele erfolgreiche Künstler mögen diesen Trubel überhaupt nicht.
Casper: (mit verstellter Stimme) Erfolgreiche Künstler wie ich! (lacht). Nein, das einzige, was ich wirklich geil finde, ist, dass ich jetzt schon weiß, dass ich mit der nächsten Platte machen kann, was ich will.
Marquart: Auch budgetmäßig?
Casper: Ich weiß nicht, ob die mir jetzt ein wahnsinniges Budget geben. Das Label hat mir auch bisher nicht rein geredet, die meinten eher: „Ja, wenn ihr sagt, dass das geil ist, dann ist das geil. Wir stehen hinter dir.“ Ich wurde supportet, aber teilweise noch skeptisch. Aber jetzt? Ich könnte nach Afrika fliegen und da Stammes-Chöre aufnehmen, einfach, weil wir keinen Bock haben es zu sampeln.
Staiger: Während der Aufnahmen hast du mir erzählt, dass du dein eigenes Zeug gar nicht so geil gefunden hättest. Warum nicht?
Casper: Also, ich hab ja das Master mehr oder weniger abgegeben, weil wir’s abgeben mussten. Ich persönlich find die Platte noch ziemlich unfertig, aber das hört man von außen scheinbar nicht. Ich find sie wahnsinnig unfertig, hab das Gefühl, dass ich jetzt noch viel mehr hätte dran drehen und machen können. Und das war ja auch unsere große Nicht-Vorher-Taktik: „Ey, ihr dürft das nicht hören, bis wir es abgeben.“ Das hab ich so krass verboten: Ich wollte keine Hörproben.
Was mich dann immer total, nicht stört, nicht nervt, sondern baff macht: Wenn Leute schreiben: „Ist ja schon krass Mainstream“. Als wir es abgegeben haben, haben wir uns wirklich gefragt: Wer soll das hören, wer soll das kaufen? Aber ich dachte: Is‘ ja okay, wenn’s daneben geht und nicht klappt, hab ich ja immer noch meinen Thekenjob in Bielefeld, der ist sicher. Meine Chefin sag auch immer wieder: „Ja, wenn’s nicht klappt komm zu uns. Kannste Vollzeit machen bei uns!“ (lacht) Aber deswegen find ich das einfach wahnsinnig weit hergeholt zu sagen, „Casper ist eine Popnutte!“