Blumentopf

rap.de: Glaubt Ihr, dass dieses Freestyle-Ding wieder größer wird?

Roger: In München treten wir ja zum Beispiel zusammen mit Creme Fresh auf. Die sind ja so quasi die nächste Generation, die direkt nach uns kamen und dieses Freestyle-Ding in München jetzt total dominieren. Die sind auch viel auf kleineren Jams unterwegs und freestylen sich wirklich den Arsch ab. In München ist das eine Tradition, das gehört schon fast dazu. Ich weiß gar nicht, ob es woanders größer wird, aber es gibt eigentlich keine Münchner Gruppe, die keinen guten Freestyler dabei hat. Wer das nicht kann, wird in München glaube ich nicht richtig ernst genommen. Das muss schon sein! (lacht)

rap.de: Ich habe Lehramt studiert und Praktikum in einer Schule gemacht. In dem Schulradio haben sie Euren Wahlsong gespielt und wirklich auch gefeiert. Wäre das für Euch eine Idee? Zukünftig noch mehr pädagogisch auf die Hörer einzuwirken?

Sepalot: Wir waren schon sehr viel mit dem Goethe Institut unterwegs, was ja in eine ähnliche Richtung geht. Dass du einfach Workshops gibst und sozusagen dein Wissen auf verschiedenste Arten weitergibst. Das ist gerade in der Kombination, dass man das in Ländern macht, wo man sonst nie hinreisen würde… Roger war auf Westafrika Tour, ich war in Bolivien und im Sudan, wir haben zusammen eine Nahost Tour gemacht – Also wir waren schon in Ländern, in denen man normalerweise nicht Urlaub macht. Das ist super. Da auch solchen Workshops zu machen, ist ganz cool.

rap.de: Verständigt man sich da dann auf Englisch?

Roger: Wenn du mit dem Goethe Institut unterwegs bist ist es so, dass es ja um die deutsche Kultur und die deutsche Sprache geht. Eigentlich willst du denen eine gute Zeit machen, dass die sich sagen "Schule finden wir scheiße, aber wir rocke das heute!“. Also schreibst du mit den Typen, die da sind, einen Rap. Die haben vielleicht seit einem Jahr Deutsch und du begeisterst die eigentlich für die Sprache und noch für die Musik dazu. Es geht gar nicht darum, dass die dich als Künstler cool finden. Das macht wirklich Spaß, weil man einfach Bock hat, was mit denen zu machen – egal, wie die Mittel sind. Am Schluss sollen die nach Hause gehen und einen coolen Tag gehabt haben.
Gerade auch weil man weiß, dass da viele Jugendliche dabei sind, die wenige coole Tage haben. Manche von den Kindern schreiben mir heute noch deswegen. Egal ob ich in Weißrussland war oder in Westafrika. Die haben nicht so eine gute Internetverbindung, da gibt es nur wenige iPhones, aber alle drei Monate kriegt man dann doch noch eine Mail, die auf nettem Deutsch geschrieben ist.

Sepalot: Das ist nicht immer gleich. Als ich in Bolivien war, hatten die zum Beispiel gar kein Deutsch. Das war in La Paz, der Hauptstadt (Anmerkung der Redaktion: Das ist nicht korrekt. Die offizielle Hauptstadt Boliviens ist Sucre, der Regierungssitz befindet sich allerdings in La Paz), und da gibt es quasi noch eine Zweitstadt, die El Alto heißt und auf so einem Plateau ist. Die gehen so ineinander über und El Alto ist die totale Ghettostadt und La Paz halt die Regierungsstadt, wo eher so die Reicheren wohnen. Die Hauptintention bei dem Projekt war es, Kids aus den beiden Städten zusammen zu bringen, dass die irgendwas zusammen machen.

Ich habe denen ein bisschen Produzieren beigebracht und da haben wir einen zehn Minuten Bolivien Allstars Song aufgenommen und den an zwei Abenden live performt. Da haben sie gleich zusammen eine Mega-Crew gegründet, da war das pädagogische Ziel erreicht. Die Ghetto-Kids haben was zusammen mit den Diplomaten-Söhnen gemacht. Da hatte ich mir auf jeden Fall den El Alto Ghetto-Pass erarbeitet. Wir hatten da einen Auftritt und das war schon relativ krass. Aus jeder Straße kamen Kids und wollten Fotos machen. Das war sehr lustig. (lacht)

Roger: Das war echt auch so das Krasse, wo ich in Togo war und bei einer Art Open Air aufgetreten bin. Das war für die Leute wirklich ungewöhnlich, weil ich fast der einzige Weiße in der Stadt war. Aber das ist nicht so "My Friend, my Friend, ich will dir was verkaufen“, weil da einfach niemand im Urlaub hinfährt. Da gibt es keine Tourismus-Industrie. Die fragen sich nur "Was will denn der hier?“. Das ist ungefähr so interessant, als wenn du vor hundert Jahren als Schwarzer nach Oberbayern gekommen bist. Alle haben dich angeschaut und gedacht, du färbst ab. So kommst du dir da vor und das ist total wahnsinnig: Am nächsten Tag kennen dich da alle. Einmal will ich so durch München gehen!

rap.de: Ist das Goethe Institut da auf Euch zugekommen? Wie kann man sich das vorstellen?

Roger: Das ging über Blumentopf.  Durch unsere Texte und dadurch, dass wir eben solche Typen sind, hat sich rum gesprochen, dass wir gut mit allen können und da kriegen wir immer wieder Anfragen. Wir mussten jetzt gerade wegen der Albumproduktion viele absagen, leider. Nach Australien, nach Neuseeland – da musste ich jetzt meine ganzen Bekannten hinschicken. Fuck. Aber viel Spaß, ich zahl es euch heim! Dafür haben wir jetzt dieses Album.

Sepalot: Ich glaube, diese Lorbeeren haben wir uns auf unserer Nahost-Tour verdient, die war nämlich sehr ereignisreich. Das ist alles auch nachzulesen. Bei einer Location sind wir auch nur ganz knapp einem Anschlag entkommen und nach Syrien konnten wir nicht fahren, weil das mit den Pässen nicht mehr ging… Das haben wir alles mit Bravour gemeistert und bei solchen Sachen kommt auch dazu, dass man sein Künstler-Ego ein bisschen runterschrauben muss. Du kannst natürlich nicht in den Sudan fahren und erwarten, dass die Technik da auch nur im Entferntesten irgendwas mit dem zu tun hat, was man hier auf Bühnen vorfindet.
Auch bei dem ganzen Drumherum muss man seinen Star-Film abschalten können und auch bei den Workshops mit den Jugendlichen umschalten können. Ich glaube, das können nicht viele Künstler. Die sind in ihrer Coolness gefangen, aber das ist dann halt nicht so angebracht. Du musst einen Zugang zu den Leuten finden.

Roger: Wir wollen einfach nur, dass die einen coolen Tag beziehungsweise einen coolen Abend haben. Und auch wenn wir mit denen Sachen machen, die vom Skill-Level jetzt nicht unbedingt das sind, was ich von mir selber erwarte, musst du dich auf die Leute eingrooven können.