Foreign Affairs
Sah man früher dass „Rhymes Galore“-Video mit Afrob, MC Rene und Flavour Flav, dachte man, „Wow, jetzt wird deutschsprachiger Rap sicherlich auch im Mutterland wahrgenommen. Bestimmt, erzählt der gute Flav seinen Rap-Freunden von den deutschsprachigen MCs. Die werden begeistert sein!“
Heute weiß man, dass Flavour Flav einfach nur sein Crackpfeifchen am Glühen halten wollte und alles nur gemacht hat, des schnöden Mammons wegen.
Im Rap-Jahr 2009 gelang es jedoch einigen deutschen Rappern das Interesse der US-Rap-Öffentlichkeit zu wecken, ohne dass horrende Beträge für einen gelangweilten 16er eines alternden Großmeisters gezahlt werden mussten.
Am verrücktesten war das Interesse an den Orsons, denen es sogar gelang, auf New Yorks Rap-Kultsender Hot97 Airplay zu erhalten. Grund dafür war die Coverversion des Soulja Boy-Hits „Turn My Swag On“. Die Orsons, die das Original während einer Tour hören mussten, taten das Naheliegendeste, griffen zur Akustikgitarre und sangen das Lied 1:1 nach. Ein Video wurde mit Kindersoldaten-Footage aufgestockt und bei YouTube hochgeladen. Schnell fiel der Internet-Community auf, dass der Text in der Orsons-Version einen etwas unerwarteten Einblick in das Gefühlsleben von Kindersoldaten brachte und passte wie die Faust aufs Auge.
Eher ungewöhnlich hingegen war der Track von Eko Fresh, der sich gegen seinen ehemaligen Feature-Partner Joe Budden richtete. Der Wahlkölner sah sich zu diesem Schritt gezwungen, nachdem Budden ihm nicht auf eine Mail antwortete. 2003 hatte Eko einen Haufen Geld in einen Part des US-Rappers investiert, damit dieser auf dem „L.O.V.E.“-Album von Eko und Valezka einen Gastauftritt ablieferte.
Joe Budden konnte sich aber wahrscheinlich nicht mehr an den jungen Mann aus Mönchengladbach erinnern und schrieb einfach nicht zurück. Das geht natürlich nicht, weswegen Eko daraufhin ein rap.de-Exclusive veröffentlichte, in dem er Budden darauf hinwies, dass er mehr Klicks auf YouTube habe.
Die beste Punchline des Tracks? Auf jeden Fall: „Du bist nicht Joe Budden/ Du bist Jim Knopf“
Auch Bushido schaffte den Schritt in die US-Rap-Öffentlichkeit: Seine Filmproduktion „Zeiten Ändern Dich“ war der amerikanischen Rap-Seite allhiphop.com zumindest eine kurze Meldung wert.
Interessanter als die Meldung war jedoch die Kommentarschlacht, die dem Artikel folgte. Nachdem die gelangweilten „Who?“-Kommentare der amerikanischen User abgeklungen waren, versuchten zahlreiche deutsche Rap-Fans auf ihre eigenen Lieblinge aufmerksam zu machen, jedes Mal mit dem Hinweis, mit welchem US-Künstler der jeweilige Rapper schon zusammen gearbeitet habe.
Von Samy Deluxe bis zu Blokkmonsta wurde dort so ziemlich alles angepriesen, was in Rap-Deutschland jemals ein Musikvideo bei YouTube online gestellt hatte.
“and just by the way:
-they banned 7 albums nationwide because of explicit lyrics
-they got 2 or 3 times special unit operations because of their music from the german SEK (like SWAT)
-they had to go to court for their music and they the first and only rappers germanwide who EVER got condemned for their music, explicit lyrics and hatred. they got 2 years probation…and this is something which is in germany nearly impossible! so they fucking legends, not a fucking clown like bushido”, schrieb zum Beispiel ein euphorisierter Blokkmonsta-Fan. Danach ebbten die Kommentare jedoch schlagartig ab und bis zum langersehnten Hirntot–Kid Cudi-Feature dauert es wahrscheinlich auch noch etwas. (Moritz)
Wir denken, dass rap.de in diesem Jahr mehrere große und großartige Interviews geführt hat und dass wir mit unseren Gesprächen Maßstäbe setzen in der deutschen Hip Hop Landschaft. Trotz allem möchte ich zwei Interviews an dieser Stelle herausstellen, da sie auf der einen Seite fast schon wie moderne Theaterstücke wirken, auf der anderen Seite echte Zeitdokumente sind.
Auf der einen Seite das interview, das mein Kollege Moritz mit der Truppe von Hellraisa Records geführt hat und in dem der ganze Aberwitz und die ganze Absurdität der in Deutschland grassierenden Schwulenfeindlichkeit zum Ausdruck kommt.
Das andere Interview ist mit Bogy geführt worden. Dieses Gespräch entwickelte sich über ein einfache Unterhaltung über Bogys neuem Mixtape zu einer fundierten Beschreibung des Zusammenbruchs der Deutschen Mittelschicht. Das Gespräch zur Krise. Das Interview mit einer verlorenen Gesellschaftsschicht.
Natürlich richtet Bogy seinen Blick vielleicht allzu sehr in Richtung Abgrund, trotz allem sollte auch hier jeder, der das Auseinanderbrechen dieser Gesellschaft verhindern will, den Text aufmerksam lesen.
In diesem Sinne werden wir auch im Jahr 2010 daran arbeiten, dass die Gespräche zwischen den einzelnen Teilen der Gesellschaft nicht aufhören. Denn das ist unsere Vision von Hip Hop. Der beständige Dialog. Yo! (staiger)
Und zum Schluss die Alben des Jahres:
Sebastian:
1. Kamp und Whizz Vienna – Versager Ohne Zukunft
2. Huss und Hodn – Der Stoff, Aus Dem Die Regenschirme Sind
3. Raekwon – Only Built for Cuban Linx Pt. II
Jasminka:
1. Kamp und Whizz Vienna – Versager ohne Zukunft
2. Rakim – The Seventh Seal
3. Jay-Z – The Blueprint 3
Staiger:
1. Die Orsons – Denn Dein Ist Das Reich…
2. Jay Z – The Blueprint 3
3. Mädness – Mit Zuckerbrot Und Peitsche
Moritz:
1. Audio88 & Yassin – Zwei Herrengedeck, Bitte
2. Dizzee Rascal – Tongue n Cheek
Lisa:
1. Tua – Grau
2. JAW & Hollywood Hank – Menschenfeind EP
3. Sonny Black & Frank White – Carlo Cokxxx Nutten 2