Phlatline Russia

 

 

 

Michi: Erstmal das allgemeine Problem eines jeden Festivals: Die Sponsoren. Potenzielle Sponsoren zu finden, diese dann anzuwerben, eine Lokalität finden, alle Rechte klar machen. Eben diese allgemeinen Dinge. Es war aber auch so, dass Valera und ich erstmal Wege finden musste, das hier überhaupt zu realisieren, denn ist vor uns noch niemand diesen Weg gegangen. So etwas gab es hier einfach noch nicht.    

Dima: Sie mussten jede einzelne Tür selber öffnen. Es gab keinen Schutz, keine Unterstützung, jede Tür musste erst von ihnen geöffnet werden. Es ist so schon schwer etwas in Russland zu organisieren, aber wenn man dann auch noch der Erste ist…Vielleicht ist das in Deutschland anders, aber in Russland geht ohne gute, persönliche Kontakte und den nötigen Schutz / Unterstützung nichts. Aber unterm Strich ist, glaub ich, alles ganz gut verlaufen. Das Festival fand ja statt. Ich muss auch sagen, dass hier eine sehr warme und herzliche Atmosphäre herrschte. In Deutschland war das ein wenig unterkühl. Doch um dir da einen besseren Eindruck zu verschaffen, solltest du das Interview mit den Leuten von der After Show Party führen. (lacht) Frag einfach mal  die Saian Supa Crew, oder die Beatnuts, wie es ihnen hier gefallen hat. Ich hoffe, dass es in Deutschland auch irgendwann einmal so wird. (lacht)
   
rap.de: Wie war denn die generelle Reaktion auf das Splash?    

Michi: Lass mich eine russische Site zitieren: rap.ru, das Pendant zu rap.de schrieben, dass im russischen HipHop Vokabular eine neue Vokabel hinzugefügt wurde: Splash! Das sagt alles und wir wollen da auch nicht weiter drauf eingehen. (lachen)    

rap.de: Was macht denn die russische HipHop Szene aus? Wie vertreiben die Leute hier ihre Sachen: Indie, aus dem Rucksack heraus, oder gibt es Majors wie Universal, die Artist dann pushen?    

Michi: Das kann Valera eigentlich ganz gut beanworten.  

Valera: Nee, ich glaube Dima sollte was dazu sagen.  

Dima: Ja, ich antworte. Ich erzähl euch alles! Stell mal das Mirko näher zu mir (lachen) Es gibt keine russische HipHop-Szene. HipHop wird hier in Galmour-Musik (lies: R’n’B) unterteilt, die die ganzen Neureichenkids hören, wenn sie im Klub sind. Und dann gibt es den harten Underground Rap. Das geht soweit, dass selbst wenn es einen Künstler geben sollte, der den goldenen Mittelweg geht, er nicht supportet wird und seine Konzerte nicht besucht werden. Die Leute, die im Untergrund sitzen denken sich „Ich bin nicht cool, ich brauch das alles nicht. Ich hab kein Dolce Gabana, kein Versace. Ich gehört da nicht hin“. Diejenigen, die das Geld und alles haben sind aber auch nicht gewillt, in einen „einfachen“ Klub zu gehen, sich praktisch tiefer zu stufen. Dadurch entsteht ein Unverständnis. Außerdem sind nur die Wenigstens wirklich gut in Englisch, das heißt, es wird auch nicht wirklich viel von den Texten der Ami-Acts verstanden. Dazu kommt, dass es leider wenig wahre Rapper in Russland gibt. Also solche Leute, die sich mit der Kultur auseinandergesetzt haben und auch wirklich wissen um was es geht.    

Valera: Sogar Leute, die in den Charts sind, kennen sich nicht aus.  

Dima: Sogar diese ganzen Promo-Gruppen, die ein jeder Klub engagiert, um die Musik zu verbreiten, kennen sich nicht wirklich aus. Sie versuchen sich zwar ständig cool darzustellen und tun so, als ob sie Ahnung haben, doch wenn man sie fragt wer z.B. Ciara ist, können sie nicht antworten. Es heißt in solchen Fällen dann immer, dass der Act noch zu unbekannt ist. Die Leute gehen auch nicht so ab auf die Musik, wie es die Leute in Deutschland tun. Als ich in Deutschland war, hab ich ein paar Partys besucht. Dort ist es den Leuten egal, ob Reggeaton, R’n’B, oder HipHop läuft; Sie wollen einfach tanzen. Hier haben die Leute noch ein paar Komplexe. Sie wollen immer ein extra Ding haben.  

rap.de: Was machen dann eigentlich die Künstler, wenn es hier so schwer ist, zu verkaufen?
Wie funktioniert das hier?  

Dima: Das verkauft sich nicht gut, weil du einen sehr stark ausgeprägten Schwarzmarkt hier hast. Das ist schon so eine Art Geschäftszweig. Es macht keinen Sinn, Geld in die Promotion rein zu stecken, wenn es keine offiziellen Verkäufe gibt. Sie verdienen ja nichts daran. Das ist auch einer der Gründe, warum internationale Künstler nicht unbedingt in Russland auftreten wollen. Das wiederum führt hier zu einer Art Paranoia, die sich so äußert, dass wenn wirklich ein Artist herkommt, die Leute sich zwar lange darüber unterhalten werden, aber dennoch nicht auf sein Konzert gehen, weil sie glauben, dass sie verarscht werden. Die Meisten glauben dann tatsächlich, dass da nur ein Double auf der Bühne steht. Daher werden hier auch wenig internationale Künstler unterstützt. Das gegenseitige Vertrauen fehlt.  

Michi: Und um auf die Problematik der russischen Künstler einzugehen: Die Leute, die im Untergrund sitzen und noch nicht so bekannt sind, machen die Musik nur für sich und ihre Jungs. Also nur für den Untergrund. Ihnen reicht das. Aber gleichzeitig verstecken sie sich auch dahinter.  

Valera: Weißt du, im Prinzip sind sie genauso dogmatisch, wie diese ganzen aufgestylten, reichen Kids, die in die R’n’B Klubs gehen. Jeder hört nur seine Musik und bleibt auch nur bei seiner Musik. Sie können einfach nicht aus diesen Strukturen ausbrechen und sagen: „Jungs, ich bin nicht länger Untergrund, sondern vereine beide Welten. Sowohl das Eine, als auch das Andere.“ Sie haben einfach Angst sich in diesem Extrem nach vorn zu bewegen. Und das ist auch der Grund, warum sich die Kultur schlecht bzw. gar nicht entwickelt und verbreitet.

Dima: In Russland gibt es derzeit einen wirtschaftlichen Aufbau. Jeder versucht Geld zu machen. Das ist die allgemeine Bewegung. Dadurch, dass es keine sozialen Sicherheiten gibt, denkt jeder nur an sich, denkt nur an Geld. Deshalb gibt es nur wenig engagierte Leute, die sich ehrlich einer Sache verpflichtet haben. Erst überlegt man, was man dabei verdienen kann und dann wird weiter gesehen. Im Musikbusiness ist das zu einem ein Fehler der Promoter und zum anderen ei Fehler der Leute, die versuchen, Künstler aufzubauen und raus zu bringen. Das geht soweit, dass es dem Promoter mehr bringt, wenn sein Künstler ein Interview macht, als dem Künstler selbst, da der Promoter Geld für das Interview nimmt. Wenn wir ein Foto mit jemanden machen wollen, oder ein Interview im Rahmen des Splash, um die Leute zu präsentieren, fragen sie uns sofort, ob wir nicht zahlen wollen. Sie handeln mit uns. „Gebt uns 100 Dollar. Hier habt keine 100 Dollar? Auch O.K, dann gibt uns weniger. Hauptsache ihr gebt uns was.“ Solange es einfach diese soziale Sicherheit nicht geben wird und die Leute kein Geld in der Tasche haben, von dem sie sich Essen kaufen können, macht es auch kein Sinn über andere Sachen nachzudenken. Aber umso weiter sich der Markt entwickelt, umso besser ist das für die Kultur. So spielt sogar McDonalds eine Rolle für die Kultur…Schau, im Radio spielen die „Gasolina“. Aber das ist auch der einzige Reggaeton-Tune. Die Leute wissen nicht, was das ist. Und ich meine damit die Radio-DJs! Sie wissen noch nicht mal, dass der Track von Daddy Yankee ist. Weißt du, wie der Track angesagt wird? „Und jetzt kommt der Sommerhit von….jetzt kommt „Gasolina“!“ Und das, obwohl der Track in jedem Auto läuft.