Pierre: Er wollte sich mehr auf die Arbeit im Studio und andere Projekte beschränken und hat sich deshalb etwas zurückgezogen. Aber es war immer klar, dass er im Endeffekt weiter zu Seeed gehört und mitproduziert. Aber er will nicht mehr auf Festivals fahren, weil er das Gefühl hat, er muss zu viele andere Sachen machen. Dafür bliebe ihm anderenfalls keine Zeit.
rap.de: Dafür, dass er im Prinzip einen sehr starken HipHop-Background hat, sind seine Riddims dann doch überraschend Dancehall.
Pierre: Er hat die Riddims ja auch mit Basti oder mir zusammen gemacht. Und man kann eigentlich auch sagen, dass er viel unterschiedliche Musik hört.
Beim Thema unterschiedliche Musik muss ich dann doch noch einmal nachhaken, da mir diese gehypte Fusion vieler verschiedener Musikstile wie zum Beispiel HipHop mit Dancehall oder Reggaeton und Soca am Ende doch sehr schwammige Produktionen hervorbringt. Tobsen meint dazu: „Solange es am Ende gut klingt, kann man alles versuchen.“ Frank wiederum blickt zurück und erklärt: „Musik hat sich doch schon immer weiterentwickelt, gerade durch die Einflüsse verschiedenster anderer Musikrichtungen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde es super, wenn sich neue Musikrichtungen bilden. Ich merke selber, ich werde alt und stehe eher auf die guten alten bewährten Sachen. Aber zum Glück gibt es immer wieder neue junge Leute, die freshe Welle in die Musik bringen. Diese Mischung aus beidem ist dann das Neue, was daraufhin entsteht.“ Womit er wohl Recht haben mag. Dennoch interessiert mich vielmehr, ob Seeed auf diesen Zug aufspringen und in Zukunft beispielsweise auf die, gerade in Berlin momentan so populäre, Soca-Schiene setzen werden. Basti liefert eine schlüssige Erklärung: „Soca ist nicht so unser Ding. Das ist zu schnell und zu hektisch. Das geile am Reggae ist ja der Bass und die Fettness, und das geht dabei ein bisschen verloren, finde ich. Deswegen ist unser Ding mehr schwerer Roots-Reggae oder Dancehall, der knallt, und nicht so die Karnevalsschiene, die eher beim Soca durchbricht.“
rap.de: Bleiben wir in Berlin. Was glaubt ihr, woran es liegt, dass Berlin sich, und davon seid ihr auch Bestandteil, immer mal wieder mit diversen Hymnen abfeiern will? Das gibt es in dieser Intensität in keiner anderen Stadt.
Frank: Also ich habe eine These dazu. Viele Länder feiern sich in dieser Art. Es gibt ja ganz viele nationalpatriotische Länder, wie Amerika, Afrika, Spanien usw. Deutschland konnte das lange nicht und hatte auch keinen Grund dazu. Und es ist hier das erste Mal wieder so, dass ich in der Nachkriegszeit ohne Probleme eine Stadt abfeiern kann. Es heißt ja nicht Deutschland, sondern es heißt dann eben Berlin. Das ist einfach nur Lokalpatriotismus, ein Bedürfnis, das Menschen einfach haben. Das stelle ich jetzt mal als These in den Raum.
Pierre: Also ehrlich gesagt ist das gar nichts Berlin-typisches. Überall auf der Welt gibt es das. Die New Jersey-Fans feiern New Jersey, die New Yorker New York. Ich meine, dass man Tauber-Bischofsheim nicht abfeiert und nicht in die Charts bringt, ist ja klar. Aber ansonsten, in Frankreich gibt es das auch. Die Marseiller feiern Marseille ab, Pariser natürlich Paris und so weiter. In Amerika ist es das Westcoast– und Eastcoast-Ding und hier ist es halt Berlin, weil es natürlich geiler ist, seine direkte Nachbarschaft abzufeiern, als das Land oder den Staat.