Seeed

rap.de: Apropos abfeiern: In den meisten eurer Texte geht es um die Ladys, das Ganze oft humoristisch eingefärbt.  

Pierre: Ja logisch. Im Leben geht es immer um Frauen, also auf jeden Fall für Männer. Aber es ist schon richtig: Bestimmt zwei Drittel der Songs bei Seeed handeln von Frauen. Aber bei Sean Paul sind es immerhin 95%! Ich stehe mehr auf simples gutgemachtes Jiggy-Zeug, ohne die tierisch ernste Aussage. Es muss schon erst einmal fetzen. Und wenn man es dann noch schafft, ein richtig cooles Thema in den Song zu packen – umso besser. So wie bei „Dickes B“. Da ging es schon mal nicht um Frauen, sondern um eine Stadt. Solche Themen oder gerade  auch politische und sozialkritische Texte findest du aber nicht so easy, ohne dass es  Zeigefinger-mäßig rüberkommt. Ich will auch nicht übers Arbeitsamt singen. Wer will dass denn hören? Ich nicht. Das kann man in den Nachrichten sehen und auch ernsthaft verarbeiten. Aber das in Musik zu packen? Da geht schnell der Kick flöten, finde ich.  

rap.de: Ich könnte mir aber gerade bei euch, da ihr eine relativ breite Masse ansprecht, gut vorstellen, dass man immer mal wieder mit Anfragen auf euch zu kommt, aus bestimmten aktuellen Themen Lieder zu machen. 
 

 

Pierre: Ja, so etwas gab es schon. Gerade neulich erst, und da ging es wirklich um ein superkrasses Thema. Es gibt einen Engländer, der vor ein paar Jahren irgendwo in Ostdeutschland halb totgeschlagen wurde – ich glaube, er ist seitdem querschnittsgelähmt. Er wurde gepflegt von einer Frau, die ich über zwei Ecken kenne. Sie ist Krankengymnastin und Physiotherapeutin und hat viel mit ihm gearbeitet. Eine sehr traurige Geschichte. Der Mann hat trotzdem immer noch ziemlich viel getan, obwohl er von Deutschen halb totgeschlagen wurde. Er hat sich viel für Völkerverständigung eingesetzt, hat an Schulen hier Vorträge gehalten und auch in England für Antirassismus-Kampagnen geworben. Jetzt will er aber in der Schweiz Sterbehilfe und braucht Geld dafür. Und diese Freundin von mir hat mich neulich angesprochen, ob wir nicht einen Song zu diesem Thema machen könnten. Sie hätten sogar einen Text dazu geschrieben und hätten gern, dass wir den vertonen. Das sind natürlich Anliegen, die sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, aber ist oft schwierig, so etwas zu machen, ohne dass es einfach nur pathetisch wirkt oder den Touch kriegt von: Wir wollen jetzt auch mal etwas Gutes tun – und sich selbst dann dafür abfeiern – was viele Stars machen. Ob die es aber für Promo oder für die Erdbebenopfer machen, kann man immer schlecht auseinander halten, denn am Ende steht doch wieder Udo Lindenberg im Zentrum der Medien und gar nicht die Erdbebenopfer. Eine schwierige Kiste. Darum haben wir auch schon oft lieber die Finger davon gelassen. Ich finde es ist echt schwierig, so etwas richtig zu machen.  

rap.de: Habt ihr eigentlich Probleme mit Rassismus? 

Frank: Ich habe in meinem Leben erst eine richtig krasse Sache erfahren. Ich kenne mehr Leute, die mehr schlechte Erfahrungen damit haben. Gerade auch durch den Kontakt zu Brothers Keepers. Das sind alles Leute, die in Deutschland schon lange leben und denen trotzdem mehr solcher Sachen widerfahren. Ich habe damit nie so krasse Erfahrungen gehabt. Von daher fühle ich mich auch oft nicht so berufen, diese Rolle nur auf Grund meines Äußeren zu übernehmen. Das würde mir falsch vorkommen. Ich habe sogar durch mein Äußeres immer mehr Positives als Negatives erfahren. Ich war immer eher der Exot und hatte das Gefühl, mehr Möglichkeiten dadurch in meinem Leben gehabt zu haben. Und das würde mir falsch vorkommen. Klar habe ich eine politische Einstellung und Meinung, aber die will ich gar nicht unbedingt bei Seeed so dermaßen in den Vordergrund stellen. Da geht es mehr darum, gutes Entertainment zu machen und die Leute zu unterhalten. Das kann auch mal eine politische Bemerkung zum richtigen Zeitpunkt sein, aber nicht als vorderstes Ziel.