rap.de: Pierre, ist es dir schwer gefallen, das Ruder aus der Hand zu geben?
Pierre: Was die Musik angeht, nicht, denn es ist ja auch schon vorher nicht so gewesen, dass ich mir alles ganz alleine in meinem Kämmerchen ausgedacht habe. Und es ist ja auch gut, wenn mehrere Leute einen Input bringen. Es haben viele ihren eigenen Computer zu Hause und sind langsam fit, was die gängigen Programme angeht. Da ist klar, dass da eine Menge Output kommt. Das muss man natürlich nutzen. Und solange das Ganze einen stilistischen Rahmen hat, der bei Seeed schon etwas vorgegeben war, ist es ja gut. Es war z.B. klar, dass keiner ein 7/4- Swing-Stück für die Platte machen würde.
rap.de: Und wie ist das, wenn du einen Riddim produzierst, der in Zusammenarbeit mit Germaican Records herauskommt, und diesen dann Pioneer in die Hand drückst, der sich dann um die Voicings kümmert. Fällt dir das schwer?
Pierre: Ja, das ist manchmal schwer. Im Moment will er eine Europa-Ausgabe des Rodeo-Riddims machen, von Slowenien über Lettland, bis Portugal. Da bin ich echt gespannt.
rap.de: Ihr steuert mit Seeed merklich immer mehr weg von Roots-Reggae hin zu Dancehall, wohingegen das z.B. bei Gentleman eher anders herum abläuft. Ihr verzichtet so gut wie gänzlich auf Live-Instrumentierung. Wie kommt das?
Frank: Bei diesem Album hat es sich eigentlich einfach so ergeben. Wir hatten das erste Mal das Konzept, dass wir uns eine Deadline gesetzt hatten, und bis dahin sollten einfach alle wild produzieren und Ideen in den Topf werfen. Von der heimischen Gitarre bis zur Laptop-Produktion war dann alles Mögliche am Start. Am Ende haben wir basisdemokratisch die Beats und Songs ausgewählt, und das, was nun auf dem Album ist, ist nun mal das, was überlebt hat. Es war gar nicht unbedingt beabsichtig, das alles so in diese Richtung zu lenken. Es hat sich einfach so ergeben, dass die Mehrheit auf die Beats gesetzt hat, die zufällig eher Dancehall und elektronisch waren, dass die überlebt haben, und das ist das Album. Ich z.B. bin ja auch eher der Roots-Verfechter. (Woraufhin alle lachen, da Frank auch im zwanzigsten Interview nicht müde wird, immer wieder auf seinen Roots-Background zu pochen oder aber zumindest zu verweisen.)
Pierre: Es ist auch nicht so, dass wir jetzt Roots hassen oder ein Grossteil der Band nicht auf Roots-Sachen steht. Das Ding ist eher, dass die meisten sicher finden, dass zu diesem Sound – Gitarre, Bass, Schlagzeug, Off-Beat usw. – einfach schon alles gesagt ist. Es ist wirklich schwierig, einen Roots-Beat mit einer Band einzuspielen, der irgendwie total neu klingt. Man versucht aber natürlich immer, etwas zu machen, das neu ist. Das ist es, was wir bei Seeed versuchen. Nämlich dem Ganzen auch einen Sound zu geben, der relativ unverwechselbar ist und auch nicht z.B. nach jamaikanischem Neo-Roots klingt. Das feiert Gentleman total ab, was auch zu ihm passt, aber das ist nicht so unser Ding. Und es ist tatsächlich auch eher Zufall, dass aktuell mehr Dancehall-Beats entstanden sind als Roots-Sachen.