Um noch einmal näher auf die Inhalte deiner Farb-Attacken zu sprechen zu kommen: Ich würde behaupten, dass deine Aktionen politische Aktionen sind.
Meinetwegen. Allerdings verbreite ich nicht nur politische Botschaften. Manchmal tagge ich nur, manchmal kommuniziere ich Liebesbotschaften oder bin depressiv. Ich bin kreativ tätig und die Straße ist meine Leinwand … Ohne dass das pathetisch klingen soll (lacht). Ich habe kein Atelier. Deshalb sieht man auch viel Schrott und sehr unterschiedliche Sachen von mir: Im Atelier wird ja auch höchstens nur jedes zwanzigste Bild richtig gut, oder?
Klar, das stimmt wohl. Was ist denn das Hauptziel deiner Actions?
Viele Menschen in Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain haben es sich sehr bequem gemacht. Alle sind irgendwie links, gegen teure Mieten und die AfD. Ich bin da ganz mit der CDU und würde von einer „linksversifften Wohlfühlblase“ sprechen. Und die möchte ich zum Platzen bringen. Die Leute hier kommen sich so übel multikulturell und urban vor, weil hier Hipster aus der ganzen westlichen Welt sind … Als wäre die junge, weiße Mittelschicht der Mittelpunkt der Welt. Mich stört es nicht, wenn Leute ein schönes Leben führen wollen … Aber wenn sie dann nicht über den eigenen Tellerrand sehen, weil sie sich zu viel Glitzer ins Gesicht geschmiert haben oder keine Nachrichten aus der Welt mehr hören, weil der Berliner Electro zu laut in ihren Ohren wummst, müssen sie damit leben, dass sie zu meinen Fuck-You-Adressaten werden. Darum versuche ich mich auch nicht auf Kritik an Gentrifizierung zu beschränken oder sowieso unbeliebte Politiker zu dissen. Die Leute sollen ruhig sehen, dass die Obamas, die Grünen oder die Linkspartei für mich Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind und ich in meiner Kritik am bürgerlich-demokratischen System breit aufgestellt bin. Notfalls muss man die Leute auch beleidigen, um sie zum Nachdenken zu animieren. Trotzdem sitze ich nicht zuhause und denke darüber nach, womit ich am meisten provozieren kann. Die Leute zu provozieren ist sowieso nicht schwer: Beleidige eine beliebige Nationalfahne, irgendwer heult immer und die Dümmsten unter ihnen rasten aus.
Angenommen man hat eine breite Palette politischer Aktionsformen vor sich: Warum hast du dich für diesen Weg der Partizipation entschieden?
In meiner Jugend gab es Anarchist Academy, eine linke Rapcombo. Die haben beschlossen, Rap als Werkzeug für ihre Politik zu nutzen … und das merkte man ihrer Musik auch an, allerdings im negativen Sinne. Ich war immer politisch und hatte stets ein Graffiti-Herz. Irgendwie habe ich beide Bereiche im Laufe der Zeit miteinander verbunden. Es war nicht mein Plan, es ist einfach dazu gekommen.
Gehst du los, weil dich etwas aufregt oder du etwas in die Öffentlichkeit tragen willst, was dich spontan umtreibt oder planst du deine Manöver langfristig?
Beides kommt vor. Allerdings funktionieren die Sachen oft nicht so gut, wenn ich ganz klar im Kopf bin und mir einen Plan gemacht habe. Am besten läuft es, wenn bei mir Emotionen geweckt werden. Wenn mich zum Beispiel die Liebe bewegt, mach‘ ich schönere Sachen. Wenn ich mal wieder rassistische Bullengewalt gegen Afrikaner und andere Schwarze sehe, was bei uns rund um den Görlitzer Park zum Alltag gehört, dann lass ich auch meine bürgerlichen Verpflichtungen liegen und lass die Wut darüber raus, indem ich dass dann mit meinen Mitteln ins Stadtbild bringe. So etwas kommt auch aus dem Affekt, das ist nicht planbar. Insgesamt arbeite ich da aber sehr unterschiedlich: Ab und zu will ich unbedingt eine Matratze malen und habe schon ein Motiv … Dann fahre ich eine Stunde durch die Gegend und finde keine einzige scheiß Matratze. An anderen Tagen, an denen ich dann gerade keine Zeit habe, fahre ich dann an vier Dingern vorbei. Wie das eben so ist (lacht).
Deine Hochphasen sind die Wahlkämpfe. Speziell die amerikanische Präsidentschaftswahl scheint dich ziemlich zum Malen motiviert zu haben …
Natürlich, die Wahlkämpfe sind immer die besten Phasen. Da mache ich mir manchmal vorher Gedanken, fotografiere die Wahlplakate und überlege mir zuhause etwas für die Umgestaltung. Mit den Dingern hast du ein leichtes Spiel, weil sie durch ihre Plakativität extrem viel Angriffsfläche bieten. Klar, auch die ganze Sache mit Trump beschäftigt mich sehr. Viele Leute sagen nur: „Was für ein Clown, was für ein Clown“ … Aber wenn du LGBQT, Migrant, Muslim oder Schwarz bist und in den USA, in Nordkorea oder dem Iran lebst, dann ist er kein Clown für dich, sondern eine reale Gefahr. Das versuche ich immer deutlich zu machen.
Kannst du von vornherein absehen, welche Projekte eine hohe Aufmerksamkeit erzielen werden?
Was die Viralität der Sachen angeht, habe ich das nie so richtig in der Hand. Ich habe mal eine Liebesmessage irgendwo hin gemalt, die nur an meinen Lieblingsmenschen adressiert war. Und das hat bisher die größten Kreise im Social Web gezogen. Die Tageszeitung taz, mein absolutes Hassblatt, hat das dann sogar für ihre Werbung genutzt. Im Gegenzug mache ich manchmal Sachen, die ich persönlich sehr feiere und die dann gar nicht bei den Leuten ankommen. Im Grunde weiß man oft nicht, wie die Resonanz wird. Diese Unberechenbarkeit ist gut für mich, auch wenn man das Internet da natürlich nicht als zu wichtig bewerten sollte. Dinge auf der Straße nur noch für Fotos zu tun ist wack. Es ist heute gar nicht so einfach, sich immer wieder bewusst zu machen, dass das Internet nur auf irgendwelchen Servern rumhängt und nicht die Realität widerspiegelt. Würde ich nur die Themen Drogen, Liebe, Trump und Gentrifizierung machen und weniger bürgerliche Demokratie kritisieren, könnte ich vermutlich noch viel größer sein. Das wollen die Leute haben, Erfolg ist garantiert.