Interview mit Haze: „Alles Gute kommt gut zurück, alles Schlechte schlecht“

Geradlinig-polternde BoomBap-Beats, ein tänzelnder badischer Slang samt jugoslawischer Intonation, eine unverkennbar druckvolle Stimmlage, ein leichtfüßig-monotoner Flow, eine gesunde Prise besorgter Consciousness in finsterer Atmosphäre: Es gibt viele Faktoren, aus deren Gesamtheit sich das beispiellose Phänomen Haze zusammensetzt.

Der Karlsruher erinnert dieser Tage eindrucksvoll an die goldene Ära unseres Genres, balanciert dabei gewandt zwischen Straße und Business. Haze erzählt Geschichten, die, obwohl sie in ihrer Härte nicht jeden Rahmen vorangegangener Gangstarap-Stories sprengen mögen, spannend, neu und unschlagbar authentisch sind. Bereits Ende Oktober letzten Jahres hieß uns der Hustler aus der Fächerstadt mit der ersten Auskopplung „Es geht los“ eindrucksvoll im „Zwielicht“ willkommen. Am vergangenen Freitag, gute drei Monate später also, erschien nun endlich sein zweites vollwertiges Album. Ich habe dem bekennenden Oldschooler Haze ein paar Fragen gestellt, die bisher offen geblieben sind …

Haze, du hast bisher wenige Interviews gegeben, dich rar gemacht. Hast du Angst, dich zu schnell zu durchsichtig zu machen?

Nein, mit der Transparenz hat das nichts zu tun. Ich will kein Mysterium darstellen, die Leute sollen von mir gerne alles wissen, was sie wissen wollen. Klar gebe ich wenige Interviews, aber wenn ich dann doch mal eins gebe, hole ich meistens weit aus und bin sehr ehrlich … Trotzdem versuche ich seit der Zeit meines ersten Mixtapes in erster Linie durch meine Musik mit den Leuten zu kommunizieren.

Jetzt sprechen wir trotzdem miteinander. Warum?

Weil meine Kunst mittlerweile sowohl lyrisch als auch musikalisch eine Ebene erreicht hat, auf der ich das Gefühl habe, dass ein paar Hintergrunderklärungen nicht schaden können. Das Album ist schwere Kost, gerade für junge Ersthörer. Ich habe zuletzt viel darüber nachgedacht, ob die jungen Leute, die meine Erfahrungen nicht gemacht haben, meine Musik überhaupt verstehen können. Weil es mir ein großes Anliegen ist, sie zu begeistern, ist es vielleicht gar nicht so schlecht, sich jenseits der Musik ein bisschen zu öffnen. Nichts desto trotz: In erster Linie soll die Musik sprechen.

Lass uns über dein am Freitag erschienenes Album reden! Einer der atmosphärischsten Songs der „Zwielicht LP“ ist „Fluch“. Worin äußert sich der „Fluch“, der auf deinem Leben liegt?

Du fängst mit einem der schwersten Songs der Platte an (überlegt). Im Kern geht es dort um das Dilemma, dass ich nach wie vor mit einem Bein auf der Straße stehe … Auch wenn ich es mit dem anderen mittlerweile in die Musikbranche geschafft habe. Der „Fluch“ sorgt sozusagen dafür, dass ich den Absprung von meiner Vergangenheit immer noch nicht so richtig geschafft habe. Der Track ist deswegen so geil, weil er die düstere Stimmung, die sich durch das ganze Album zieht, sehr geschliffen verdeutlicht.

Im Juice-Interview bist du schon mal ausführlich auf die Pechsträhne im Privaten eingegangen, die gewissermaßen den Weg zur „Zwielicht LP“ geebnet hat. Kannst du trotzdem nochmal kurz erläutern, was seit „Guten Abend Hip Hop“ passiert ist?

Ich hatte einen schweren Autounfall, letztes Jahr, kurz vor Release von „Guten Abend Hip-Hop“. Das war ein schwerer Einschnitt … ich habe dort fast mein Leben verloren, weißt du? Das hat die neue Platte geprägt … Ahnlich wie die Tatsache, dass ich in der Zwischenzeit Vater geworden bin. Außerdem gab es einen Einbruch bei mir, auch das habe ich musikalisch verarbeitet. Diese ganzen Ereignisse haben dafür gesorgt, dass ich mich viel mit dem Zwiespalt zwischen Gut und Böse und der Lehre der Belohnung und Bestrafung beschäftigt habe … Für mich gilt die Formel, dass alles Gute gut und alles Schlechte schlecht zurückkommt.

Ich glaube, dass ein derart rundes und düsteres Album wie die „Zwielicht LP“ nicht ohne ein Fundament negativer Erfahrungen entstehen kann. Dieser Vibe ist ja charakteristisch.

Ja, dass das Album eine so tiefe geistige Ebene hat, hat auf jeden Fall mit den eben erwähnten Erfahrungen zu tun. Es hat sich sehr richtig angefühlt, die Monate seit dem letzten Release musikalisch zu rekapitulieren. Als Musiker versuche ich ja immer, den Moment einzufangen. Wenn mir etwas auf der Seele liegt, greife ich zum Stift und schreibe es runter. Diesmal ist vieles aus dem Bauch heraus entstanden, ich musste wenig löschen oder rückgängig machen. Dass die Sachen am Ende auch noch eine positive Message haben, hat auch damit zu tun, dass ich bewusster schreibe, seitdem ich Vater bin. Ich will etwas mitgeben, Rap mit Aussage machen … Ich habe mir noch mehr als früher bewusst gemacht, dass HipHop schon immer etwas zu sagen hatte, hatte Rakeem und Nas vor Augen.

Die Zeilen: „Irgendwo zwischen Altbauten und Blocks, zwischen Dummheit und Bildung, zwischen Wahn und Vernunft“ haben dem Album gewissermaßen einen Rahmen gegeben. Geht es im Wesentlichen um die Gegensätzlichkeiten der Welten?

Ja, auf jeden Fall. Spannungsfelder, Gewissenskonflikte und Entscheidungsfindungen bilden definitiv eine Linie durch die „Zwielicht LP“. Nicht, dass ich mich entschieden haben will: Ich will einfach den inneren Kampf aufzeigen, der mich begleitet, besonders seitdem ich Einblicke hinter die Kulisse der Musikindustrie und Management-Strukturen riskiert habe. Einerseits wollte ich aufzeigen, dass man als Musiker seiner Schiene treu bleiben kann, auch mit zwei Major-Deals im Rücken … Andererseits wollte ich verständlich machen, dass es einem im Business heutzutage sehr schwer gemacht wird, sich zwischen Tugend oder Ruhm, sprich Geld oder Kunst, zu entscheiden. Schau mal: Du hast ja Möglichkeiten, deine Karriere schnell nach vorne zu bringen, indem zu berechnende Moves machst und Trends aufgreifst. Dabei läufst du aber eben auch schnell Gefahr, dich selbst zu verlieren. Diese Dinge haben mich beschäftigt, weil die Industrie nun eine Seite der Medaille meines Lebens bildet.