Interview mit Haze: „Alles Gute kommt gut zurück, alles Schlechte schlecht“

Ich finde, dass du Tugend und Ruhm bis hierhin ganz gut in Einklang gebracht hast.

Das Ganze ist eine Gratwanderung: Klar würde ich mich gerne komplett auf‘s Musik machen konzentrieren … Dafür will ich aber nicht voreilig meine Muse opfern. Ich habe mich dafür entschieden, nachhaltig Musik zu machen und darauf zu setzen, dass Qualität sich mit der Zeit durchsetzt. Ich denke auch, dass ich auf einem guten Weg bin, habe mich gefunden, genieße Anerkennung in Künstler- und Produzenten-Kreisen und weiß auf welchen Beats ich mich wohlfühle.

Dich und deine Stadt Karlsruhe verbindet eine Hassliebe. Was macht sie so einzigartig?

Karlsruhe nimmt sich selbst als Beamtenstadt war, beheimatet den Bundesgerichtshof. Nach außen versucht die Stadt mit aller Kraft, diesen gutbürgerliche Schein aufrecht zu erhalten. Die Armut, die Kriminalität, die Rockerbanden und die Drogen versucht man zu vertuschen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Einblicke hinter diese Fassade zu gewähren … Weil ich an Orte komme, an die viele nicht kommen und aus einer Perspektive berichten kann, die viele nicht kennen. Ich bin der erste Rapper meiner Stadt, der nationale Bekanntheit erlangt. Ich sollte meine Möglichkeiten zur Artikulation nicht missbrauchen.

Kurz gesagt: Haze bringt Karlsruhe einerseits auf die Karte, lässt das Kartenhaus der Saubermann-City aber gleichzeitig abrupt zusammenbrechen …

Ja, genau! Das ist wohl auch der Grund dafür, dass ich in meiner eigenen Stadt kaum noch gebucht werde. Ich will nicht behaupten, dass mir Steine in den Weg gelegt werden … Aber ich bekomme auf jeden Fall nicht die Unterstützung durch die Stadt, die beispielsweise ein Berliner Rapper bekäme. Irgendwo kann ich das auch verstehen … Alles, was ich da ausspreche, ist schließlich nicht leicht zu verdauen. Aber was soll’s: Rap war in meinen Augen immer eine Art Berichterstattung, die alternativ zu den Medien ein ungeschöntes und ehrlicheres Bild der Situation erzeugt hat.

Insgesamt sind deine Heimatgefühle sehr ambivalent. In der Zeile: „Ich will in meine Heimat, Deutschland macht mich krank“ machst du deutlich, dass du Kroatien nach wie vor als deinen eigentlichen geografischen Bezugspunkt definierst …

Ich habe mir nicht ausgesucht, hier in Deutschland zu leben. Ich bin hier zwar geboren, habe aber immer schon den Drang verspürt, nach Kroatien zurückzukehren … Einfach weil ich es als meine Heimat empfinde. Deutschland ist ein geiles Land, in dem ich die Möglichkeit habe, auf einem Niveau Musik zu machen, wie es dort niemals möglich wäre. Trotzdem will ich, sobald ich ausgesorgt habe und es mir ermöglichen kann, zurück nach Kroatien, alleine um meine Kinder dort aufwachen zu sehen.

Was ist es, was dich hier in Deutschland so betrübt?

Das Leben, das die meisten hier führen, ist einfach kein glückliches. In der Arbeitsgesellschaft herrscht ein Druck, den viele nicht verkraften und der viele kaputt macht. Viele Leute leiden in Deutschland an Burnout, Nervenzusammenbrüchen und Überarbeitung … Im Gegensatz dazu sehe ich jemanden in Kroatien, der vielleicht nicht so viel Geld mit dem verdient, was er macht, aber auf seinem eigenen Stück Land seine eigenen Tomaten erntet und Nachmittags im Meer baden geht. Ich habe die Menschen dort beobachtet und festgestellt, dass sie im Kopf einfach viel gesünder zu sein scheinen. Wir leben hier in einer Gesellschaft, die auf Druck basiert, dich in Schulden stürzt und schnell in den Knast steckt … In der man sich nicht auf menschlicher Ebene verständigt, sondern nur anonym durch Briefe … In der man Geld als Gott anbetet. Ich will mein Kind nicht in diesem Rahmen aufwachsen sehen, will nicht, dass er lernt, sich durch Statussymbole definieren zu müssen. Er soll eine gesunde, kritische Weltansicht entwickeln, was schon allein durch das Bildungssystem erschwert wird, in dem man sich schon in der vierten Klasse für einen Weg entscheiden muss, der nur schwer rückgängig zu machen ist.

Insgesamt lese ich deine Texte im Gesamtbild als zutiefst sozialkritisch, Haze. Du hältst zwar keine Vorträge über Gerechtigkeit, skizzierst aber häufig Missstände in Situationsbeschreibungen. Welche Misere würdest du als erstes beheben, wenn du die Möglichkeit beziehungsweise die nötige Macht dazu hättest?

Zuallererst würde ich gegen die Gewalt vorgehen, unter der Frauen weltweit leiden müssen, würde Vergewaltigungen und Menschenhandel unmöglich machen.