Tua – Raus aus allen Schubladen

Ein nicht unbedingt schönes Haus, unweit der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg. Hier hat sich Tua sein Studio eingerichtet. Der kleine Raum reicht ziemlich genau für eine Person. Das passt, den Tua braucht nicht viele Leute, um seine Musik zu machen. Von der Produktion bis zu den Vocals macht er alles alleine. "Raus" heißt seine neue EP und ist musikalisch noch ein bisschen weiter draußen als seine bisherigen Veröffentlichungen. Mörderbässe paaren sich mit düsteren Synthieflächen, tiefe Basstrommeln stampfen, während kratzige Soundsprengsel knacken. Dazu gesellen sich Tuas Vocals, die stark elektronisch bearbeitet und verzerrt daherkommen. Kurzum, es handelt sich nicht gerade um ein Rap-Album im klassischen Sinne. Darüber und über Schubladendenken, nachdenkliche Musik, Künstlertum und den perfekten Moment sprachen wir mit Tua.

rap.de: Die EP heißt "Raus", was man auch so ein bisschen verstehen könnte als "Ich muss hier raus". Ist das auch so gemeint?

Tua: Ja, auf jeden Fall auch. Einmal das Gefühl, den Leuten klar machen zu wollen und zu müssen, was ich eigentlich für Musik mache und was eben nicht. Einfach vom Genre her, wir sagen jetzt zwar, das ist Dubstep, aber im Endeffekt ist es einfach Tua-Musik, mein eigenes Genre und das ist halt raus aus allem.  Und zum anderen steht das in der Tradition meiner kurzen, prägnanten Titel. "Nacht", "Grau", "Stille" ein Wort halt und das muss auch reichen.

rap.de: Dubstep spielt ja schon eine relativ große Rolle auf der EP.

Tua: Bei dieser EP habe ich mich darauf eingelassen und dieses Dubstep-Ding auch zum Label gemacht, aber ich hab nicht vor, das die nächsten 100 Jahre so zu machen. Ich hoffe, dass ich nicht gleich in die nächste Schublade reinrutsche. Für mich ist wirklich das wichtigste, dass man versteht, dass ich in keine Schublade reinpasse.

rap.de: Ist es nicht auch so, dass viele Hörer inzwischen über dieses Schubladendenken hinaus sind?

Tua: Voll. Das ganze Schubladendenken ist mehr eine mediale Sache, das kommt gar nicht von den Hörern. Ich kenne kaum Leute, die sich komplett nur auf eine Musikrichtung eingeschossen haben und sagen, ich kann nur Rap hören oder sowas. Tatsächlich sind es oft die Medien, die sagen "Hey, wir können nicht über dich berichten, weil du hast den Stempel HipHop auf'm Kopf".

rap.de: Wie war es denn bei dir früher? Warst du auch einer von denen, die nur Rap gehört haben?

Tua: Nee, auf gar keinen Fall. Ich hab schon 'ne Zeitlang vermehrt Rap gehört, aber eigentlich war meine Mucke – so dumm es sich anhört – in den 90ern eher TripHop. Portishead und Massive Attack waren schon die wichtigsten Artists für mich, neben Wu-Tang und Pac. Ich hatte schon immer so einen Hang zu UK-lastigen Sachen, langsamer HipHop mit viel Hall. Später habe ich dann auch das Def Jux-Zeug gerne gehört. Eins der besten Alben aller Zeiten ist meiner Meinung nach Cannibal Ox mit "The Cold Vein". Das kennt fast keiner, das ist auch anstrengend zu hören, aber es ist ein unfassbares Album. Was El-P damals gemacht hat, war krass, wirklich unfassbar für mich. Hat mich auf jeden Fall geprägt.

rap.de: Hör man diesen Einfluss denn raus? Ich kann das nicht beurteilen, denn ich habe es nie geschafft, mir Cannibal Ox anzuhören.

Tua: (lacht) Ich glaube nicht, das man den Einfluss so direkt raushört, aber die Idee, immer was Neues machen zu wollen, immer zu versuchen, nicht nur ausgetretene Wege zu gehen, sondern sich selbst etwas beweisen zu wollen. So habe ich die Musik jedenfalls interpretiert. Und bei mir hat das ausgelöst, dass ich gesagt habe, hey, diese Musik hat diese Atmosphäre und diese Neuartigkeit, genau das will ich auch machen.