In welcher Musikrichtung, wenn nicht im Rap, ist es so ausschlaggebend, was im Text steht? Welche Musikrichtung, wenn nicht Rap, ist besser dazu geeignet uns etwas mitzuteilen, um uns zum Nachdenken anzuregen? Uns eine Message zu vermitteln, die aussagekräftig ist, oder auch eventuelle Missstände aufzeigt. Wenn man von den Aufgaben der Rapmusik sprechen kann, dann sind es genau diese Sachen, die mir sehr wichtig sind.
Sprechgesang wurde in Deutschland, auch schon in der Mitte der 90er-Jahre, neben der Selbstdarstellung, dazu genutzt, politische und soziale Themen aufzugreifen und sie in einem der Jugend zugänglichen Slang zu vermitteln. Das Stichwort Advanced Chemistry sollte an dieser Stelle ausreichen. Wir leben nun im Jahr 2015, und genau das ist es, was mir in dieser Zeit fehlt und in gewisser Art und Weise auch nach und nach verloren gegangen ist. Bei vielen Rappern geht es schon lange nicht mehr um die Aussage, sondern um pure Phrasendrescherei – verpackt in aufpolierte Zweckreime. Rap kann auch anspruchsvoll sein.
Das heißt natürlich nicht, dass jetzt jeder x-beliebige Rapper mir den Nahostkonflikt erklären, oder Farid Bang mir etwas über die deutsche Außenpolitik erzählen soll. Um Gottes Willen, nein. Wie Staiger einst schon so schön sagte: „Bevor ich mir von irgendeinem Rapper den Nahostkonflikt erklären lasse, hör ich lieber einen Song übers Ficken.“ Versteht mich nicht falsch, ich will mich beim Hören von Musik keinesfalls fühlen, als würde ich gerade zum wiederholten Male in meiner letzten Uni-Vorlesung sitzen. Mir geht es nicht darum, Rap zu nutzen, um unterrichtet zu werden, indem mir die aktuelle Ausgabe der lokalen Tageszeitung vorgetragen wird . Mir geht es vielmehr darum, wie viel inhaltlicher Dreck momentan in die HipHop-High Society einmarschiert. Im Grunde ohne großartige Rapskills, geschweige denn ansprechende Lyrics.
Bestenfalls kann ein guter Musiker für mich beides. Gut rappen und seine Gedanken auf geschickte und interessante Art und Weise lyrisch verpacken. Natürlich stellt sich die Frage, ob das wirklich einen guten Rapper ausmacht. Für mich schon. Man sollte doch Rapmusik machen, um seine Gedanken in Worte zu fassen und zu Papier bringen. Oder irre ich mich da etwa? Wo wir auch beim Thema Ghostwriting wären. Nein, mir ist es nicht egal, ob jemand seine Texte selber schreibt oder nicht. Mir ist es sehr wohl wichtig, dass ein Künstler seine Texte selber schreibt. Was soll ich denn ansonsten noch feiern? Seinen überkrassen, außergewöhnlichen Stimmeinsatz?
Ein Rapper ist für mich in gewisser Art und Weise auch ein Dichter und Denker. Es reicht mir nicht „nur“ coole Flows rappen zu können. Zu einem MC gehört für mich lyrische Stärke. Das heißt nicht, dass ich mir immer nur Songs anhören will, bei denen ich besonders viel denken muss und alles einen deepen Hintergrund haben muss. Aber ich verlange von einem Künstler zumindest den Versuch, mich zum Denken anzuregen – oder mir wenigstens irgendetwas anderes mitzuteilen, als dass meine Mutter eine Hure ist. Dabei reicht im Grunde schon anständiges Storytelling. Dass man mir eine Geschichte erzählt oder mich unterhält, indem man mir mit smartem Humor ein Schmunzeln entlockt, wie etwa Die Orsons es tun. Man muss nicht zwingend politisch relevante Themen oder ähnliches aufgreifen – sollte sich aber auch nicht auf pure Phrasendrescherei ohne jeglichem Inhalt beschränken. Wenn du mir nichts zu erzählen hast, dann erzähl mir bitte auch nichts.
Wie es gehen kann, zeigen mir beispielsweise Chefket, die Antilopen Gang, K.I.Z. oder Zugezogen Maskulin, die gekonnt wichtige Themen aufgreifen, ohne sie mir auf eine klugscheißerische Art und Weise mit erhobenem Zeigefinger zu vermitteln. Genau das will ich hören. Eine Mischung aus Spaß, aber eben auch mit einer Message. Oder Gerard, der einen doppelten Boden in fast jeder seiner Zeilen erschafft. Das ist für mich Talent. Ebenso wie Themenvielfalt. Das verstehe ich unter Content.
Es muss aber nicht zwingend bedeutungsschwer sein. Auch Battlerap – ob in einer realen Battle-Situation oder gegen eine fiktiven Zielscheibe – schlägt wie erwähntes Storytelling in eine auf Unterhaltung ausgelegte Kerbe. Zerpflückt Punch Arogunz im VBT seinen Gegner auf kreative Art und Weise, ist alles cool. Und dass auch das ein Talent erfordert, steht außer Frage. Geht es dann jedoch um ein Soloalbum, gibt das in den meisten Fällen eher wenig her. Ich möchte an dieser Stelle also nicht Battlerap kritisieren, der einen hohen Unterhaltungsfaktor bietet, sondern substanzlosen Müll, auch den mit vorgeschobener Battle-Attitüde, an den Pranger stellen.
Das ist nämlich ein gewaltiger Unterschied. 19 Tracks über Fitness-Sport, wie auf Sillas neuem Album „Vom Alk zum Hulk„, oder Wie-Vergleiche mit dem Schaum deiner exklusiven Moët-Flasche á la Kay One will ich nicht hören. Was man unterhaltsam findet, ist natürlich jedem selbst überlassen. Aber dass es eine derart große Akzeptanz Demgegenüber gibt, ist meiner Meinung der Grund, aus dem viele Talente beinahe unbemerkt untergehen – im Gegenzug aber viel belanglose Scheiße momentan eine Plattform bekommt. Deutschrap, ich wünsche mir mehr Content – wie K.I.Z. schon so schön sagten: „Bietet der Wackness die Stirn!„