Punch Arogunz – Frontal (Review)

Es ist stockdunkel. Schemenhaft erkennst du einen Mann in Lederjacke. Seine Augen sind vollständig weiß. Er schleift irgendetwas an einem Seil hinter sich her. Dich. Bisher hat Punch Arogunznur ein paar Schafe gerissen. Und jetzt wird frontal angegriffen.“ Ja, sein letztes Album „Carnivora“ war wirklich eher wie ein paar Schäfchen reißen. Oder Eichhörnchen auf Bäume scheuchen. Oder seinen eigenen Schwanz jagen. Doch mit „Frontal“ will Punch die Karten neu mischen.

Und der Frontalangriff startet direkt zu Beginn nach dem Intro mit dem Titelsong. Ein druckvoller Beat, gespickt mit kraftvollen E-Gitarren, atmosphärischen Vocalsample und bedrohlich arrangierten Drums, die gerne auch noch etwas mehr knallen könnten, lässt Punch Arogunz einen ganz klassischen Representer vom Stapel. Abwechslungsreiche Flows und eine treffende Rhetorik wissen durchaus zu gefallen.

Dann packt Punchinello sein Markenzeichen aus. Doubletime. Der Kerl hat ohne Frage eine verdammt schnelle Zunge – kann aber einfach keine Doubletimes schreiben. Das Talent, blitzsaubere Doubletimes in Rekordtempo zu rappen, wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Aber nein, Zeilen wie „überall sieht man, wie sie voll in diese Richtung fahren ??? haben denn ich habe kein Interesse an dem Level wo ich gestern war, weil ich noch ein paar Ziele habe / diese Lage wird nie wieder besser für euch, ich komm und übernehme mit einem ? Rap auf deutsch“ kann man auch einfach nicht sauber in Doubletime rappen. Niemand. Weder Kollegah, noch Tech N9ne. Das ist rein phonetisch absolut unmöglich. Irgendwelche Vorträge über BpM und ein Doubletime-Regelbuch kann man sich an dieser Stelle sparen. Jedenfalls wirken diese Parts nicht, als wären sie darauf hin geschrieben, besonders schnell gerappt zu werden. Keine geschickt gesetzten Konsonanten, es wurden keine ch-Laute gemieden, Vokale sind absolut unkalkuliert platziert. Das funktioniert einfach vorne und hinten nicht – kein Wunder, dass Punch dabei so unfassbar angestrengt klingt und mehrfach pro Part gecuttet werden musste.

Die Doubletime-Parts prägen leider das Gesamtbild und kaum ein Song kommt ohne aus. Allein das zieht das ganze Album enorm runter. Auch wenn sie sauber geschrieben wären, würde ich daran Anstoß finden. Einfach weil sie komplett willkürlich gesäht sind. Das kann man ja mal machen, so einen Doubletime-Part, um mal zu zeigen, was man drauf hat. Aber das komplett zum Mittel zum Zweck verkommen zu lassen und die Dinger einfach überall reinhauen, wo gerade Platz ist – nein. Doubletimes müssen wohl dosiert eingesetzt werden, um mithilfe von Be- und Entschleunigung den Flow voranzutreiben und so im Part für Erfrischung zu sorgen. Auf „Kein Platz mehr“ macht Punch das richtig – leider sind die Doubletimes trotzdem schlecht geschrieben.

Okay, ich habe jetzt ziemlich viel auf dem Doubletime-Rap herumgehackt. Das macht natürlich nicht das ganze Album aus. Ansonsten flowt Punch auf jeden Fall ziemlich souverän und spart nicht an Variation – das kann der Typ. Technisch bewegt sich das ganze ebenfalls die ganze Zeit auf einem anständigen Niveau. Wirklich heraus sticht da nichts, aber ebenso wenig gibt es da zu meckern. Alles verdammt solide also.

Weniger solide sind die auf Teufel komm raus catchy getrimmten Hooks, die stets so aufgebaut und geträllert sind, dass sie kleben bleiben. Unfreiwillig. Denn gefallen wollen die Dinger (zumindest mir) beileibe nicht. Aber kein Song kommt ohne dieses Schema aus. Und das wird dann so dermaßen totgeorgelt und am Ende des Songs mehrfach wiederholt. Auch die Beats sind teilweise unverschämt darauf ausgelegt, lange im Kopf herumzugeistern. Das ist ja auch nichts schlimmes – nur steht das Punch Arogunz einfach schlecht zu Gesicht. Ich maße mir an zu sagen: Das ist einfach nicht sein Style. Auf den harten Beats á la „Primitiv effektiv“ macht Punch eine viel bessere Figur. Die könnte zwar auch noch besser sein, wenn interessante Punchlines zu finden wären, aber das ist immerhin grundsolide Rapkost, die lediglich durch nervige Doubletimes und unpassende Hooks verwässert wird.

Die Tracks, in denen sich ein (meist eher banaler) Aufhänger gesucht wurde, funktionieren in den wenigsten Fällen. Ein positives Beispiel ist aber „Officer Riley„, in dem ein Dorfpolizist besungen wird, der mit seiner überpeniblen Art tatsächlich für den ein oder anderen Lacher sorgt. Auf einem weniger laschen Beat und ohne die störende Hook (ja, mal wieder) wäre das echt ein gutes Ding geworden. Ganz im Gegensatz zu „Weiberheld aus Versehen„. Da thematisiert Punch seine 99 Problems – denn als gut aussehender Typ, der mit „Dreitagebart und Haare zum rein greifen“ ausgestattet ist, kann der gute sich nach eigener Aussage kaum vor aufdringlichen Frauen retten. Der Song hat leider genau eine Pointe die zündet. Überhaupt ist fast alles belanglos, was der Kontaktlinsenträger von sich gibt. Ob das unglaubwürdige „Wie ein Narbe„, das zwar einen verdammt on point produzierten Bombast von Beat im Gepäck hat, aber eben nur mit flachen Phrasen für die Ex daherkommt, oder „Dumm sein„, in dem Punch sich wünscht einfach dumm und sorglos zu sein. Nichts bleibt wirklich hängen – und jedes Thema wirkt, als ob nervös mit dem Fuß wippend überlegt wurde, über was zum Geier man denn so rappen könnte. Der einzige Song, der eine glaubwürdige Botschaft hat, ist „Brrr!„, die Abrechnung mit einem verräterischen Kumpel.

Frontal“ ist ein Album ohne richtiges Profil oder Seele. Da ist ein durchaus guter Rapper, der offenbar nicht weiß, was er mit sich anstellen soll und daher Plastik produziert. Charisma hat er ja – aber irgendwie nichts zu sagen. Die Representer wären absolut solide, wäre Punch Arogunz stilsicherer – dann würde er vermutlich mit seinen Doubletimes umzugehen wissen (oder sie komplett weglassen – kein Verlust) und Hooks komplett anders angehen. Als reiner In-die-Fresse-Battlerapper könnte der Halunkenbande-Künstler (jedenfalls für mich) ganz hervorragend funktionieren. Als junger, talentierter Rapper in der Selbstfindungsphase, als den ich ihn trotz einiger Jahre Erfahrung auf dem Buckel einschätze, macht Punch Arogunz aber keine gute Figur auf „Frontal„.