Review: OG Keemo – Geist

„Geist“ dürfte DAS Deutschrapalbum 2019 sein. Vielleicht nicht was Absatzzahlen und Reichweiten angeht, aber die Einigkeit darüber, dass es sich um ein Meisterwerk handelt, dürfte unter denen, die es hören, wohl absurd hoch sein. Dabei hat OG Keemo kein Patentrezept, wie es beispielsweise Shootingstar Apache 207 in kürzester Zeit in aller Munde beförderte. Keemo rappt einfach und sein kongenialer Partner Funkvater Frank produziert. Aber wie!

Zwischen Trap und Bummtschack.

Im Grunde lässt sich „Geist“ auf zwei Arten von Songs herunterbrechen: Die chaotischen Banger, die irgendwo zwischen Trap und Bummtschack das beste beider Welten zusammenführen. Die klingen meistens reichlich krawallig und bewusst unsortiert. Hier übersteuert ein Synthie, da flippen die Drum-Arrangements völlig aus und dort flirrt ein stur geflippter Loop einnehmend umher. In diesem Donnerwetter rappt Keemo beinahe schon stoisch seine eigensinnig Punchlines. Die sind wortverspielt, originell und treffsicher humorvoll, dabei geht es allerdings nie darum, besonders witzig zu sein.

Lines wie „Deine Tür ist nicht unknackbar / Ganz in schwarz, seh‘ aus wie’n freizuspielender Charakter“ finden in Keemos eigenem Kosmos statt, der von Release zu Release wächst und eine ganz eigene Ästhetik kreiert. Keemos Guntalk klingt anders als bei seinen Kollegen, die Bilder die er malt verzichten auf Schnörkel und sind deshalb so lebhaft – Shoutouts an die jetzt schon legendäre Mantarochen-Line an dieser Stelle. Das liegt aber nicht zuletzt auch an Keemos Swagger, der ihm Moves ermöglicht, die Genrekollegen sich nicht erlauben könnte. Gerade Songs wie der „Belly Freestyle“ wären ohne die die unbeflissene Coolness des Duos von akuter Deutschraphaftigkeit bedroht. Soll heißen: Egal, was Keemo und Franky anrühren – es wird nie corny – eine Seltenheit im Deutschrap!

Keemo hat was zu sagen!

Direkt zu Beginn des Albums präsentiert Keemo allerdings seine größte Stärke: Wenn „Geist“ an seine erzählerischen Momente gelangt, scheint die Zeit still zu stehen. „Nebel“ etwa, auf dem der Mannheimer autobiographische Töne anschlägt und von seiner Kindheit, seinen rassistischen Erfahrungen im Kindesalter und späteren Eskapaden als Teenager berichtet. Das schärft nicht nur das eigene Profil und macht den Charakter greifbar, dem man die nächste halbe Stunde zuzuhören gedenkt. Um Rassismus geht es nicht nur an dieser Stelle – die Single „216“ hatte bereits vorab einiges an Staub aufgewirbelt.

Wenn OG Keemo nämlich einer inhaltlichen Agenda folgt, zeigt sich schnell, dass das Songwriting des sympathischen Hünen so einnehmend ist wie es kaum ein zweiter deutscher Rapper schafft. Kein Rumgeeier, kein Appell an Verständnis – authentische Emotionen, mitreißende Worte und eine nachdrückliche Botschaft. Egal ob laut oder ruhig. Übrigens habe ich „Geist“ schon seit Wochen vorliegen und kann euch versichern: Das wird nicht so schnell langweilig.