Frauen im Deutschrap: Die Wegbereiterinnen (Teil 3)

Lady Bitch Ray

Gott ist eine Frau! Zumindest wenn es nach Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray geht. Sie ist in Bremen aufgewachsen und genoss eine streng alevitische Erziehung. Die Deutsch-Türkin promovierte im Fach Lingusitik und arbeitete als Moderatorin bei Radio Bremen. Sie erhielt 2007/2008 zudem einen Lehrauftrag an der Uni Bremen.

Erstmals machte sie mit „Hengzt, Arzt, Orgi“ auf sich aufmerksam. Auf dem Track rappt sie über einen fiktiven Porno mit King Orgasmus, Bass Sultan Hengst und Frauenarzt. Aufgrund der Veröffentlichung ihres Songs wurde 2006 sie von ihrem Arbeitgeber Radio Bremen entlassen.

Sie machte weiter und veröffentlichte das Juice-Exclusive „Deutsche Schwänze“ sowie eine EP namens „Fick mich“. Ihre beiden EPs „Mein Weg“ und „Vorhang auf“ erschienen 2007 bei ihrem eigenen Label Vagina Style Records. In dem Track „Ich hasse Dich“ disst sie Melbeatz, Sarah Connor und Jeanette Biedermann. Auf „Ich tret’ dein Arsch“ schießt sie gegen Kool Savas‚ Song „Komm mit mir“ feat. Ercandize. Dazu sagt sie im rap.de Interview 2008 folgendes:

„Aber als ich gehört habe, dass er jetzt à la R. Kelly eine Frau mit einem Auto vergleicht und das auf so eine schwule Art und Weise, fühlte ich mich gezwungen, darauf zu antworten. Ich kann mich da schwer halten, ich hab jetzt auch noch ein paar Leute im Kopf, wo ich echt gerne antworten würde, aber man kann das nicht ständig machen.“

2009 verkündete Lady Ray, dass sie an neurotischer Depression und Burn-Out leidet. Sie zog sich für einige Zeit aus der Musikindustrie zurück.

Sie bezeichnet sich selbst als Bitch, da sie sich patriarchalischen Strukturen nicht unterordnen wolle. Diese sind ihrer Meinung nach sowohl in der türkischen als auch in der deutschen, weiß geprägten Gesellschaft zu finden. Doktor Bitch Ray bedient sich an den Mitteln der Forschung und der Kunst, um diesen Strukturen zu trotzen. Eine Bitch ist für die Porno-Rapperin also nicht das, was die meisten darunter verstehen.

„Eine Bitch ist für mich eine selbstbewusste Frau, die sich nimmt, was sie will, freizügig ihre Sexualität auslebt und Stil hat.“ (JUICE #89)

Sie geht das Thema also in einem ganzheitlichen Kontext an und bezieht „Bitchsm“ nicht etwa ausschließlich auf die weibliche Sexualität, sondern auf die komplette Selbstentfaltung. Sie spricht sich gegen sexuelle Kontrolle und Bewertung von Frauen aus. All das thematisiert sie auch in ihrem 2012 veröffentlichten, gleichnamigen Buch „Bitchsm“. Im Rahmen eines Interviews bei Maischberger sprach sie von der vaginalen Selbstbestimmung und vom Vaginastyle. Auch bei vielen weiteren Interviews provozierte sie, führt zu einem Aufschrei und zu kontroversen Diskussionen. Sie erntete dafür von vielen Seiten Hasswellen und Abscheu.

Sexismus und eben die Befreiung aus sexistischen Strukturen ist die Inspiration für ihre Kunst. Bei einer Podiums-Debatte von Backspin im Rahmen des Reeperbahnfestivals spricht sie an, dass die Rolle, die eine Frau im Rap-Kosmos einnimmt, bestimmend ist. Folgende Faktoren spielen dabei ihrer Meinung nach eine Rolle: Tritt die Frau im Vorder- oder Hintergrund in Erscheinung, provoziert sie das Rapgame mit bestimmten Aussagen, wie wurde die Frau sozialisiert und so weiter. 

Es geht für Lady Bitch Ray nicht nur um die Diskriminierung, die von Männern, sondern ebenso um die, die von Frauen ausgeübt wird. Von Lady Scar wurde sie für ihre Musik, ihre Inhalte und ihre Ausdrucksform öffentlich angefeindet und gedisst (siehe Teil 2). Sie nennt das Slut-Shaming. Auch von Melbeatz bekam sie eigenen Aussagen nach keinen Rückhalt. Bei oben genannter Podiums-Diskussion konfrontierte Reyhan Şahin die Producerin damit. Auf ihren Tracks disst sie, wie oben schon gesagt, nicht nur die eben genannte Melbeatz, sondern auch Sarah Connor oder Jeanette Biedermann. Die genannten Frauen ordnen sich ihrer Meinung nach den patriarchalischen, männerdominierten Strukturen unter. Zudem kritisiert sie die Solidarität zwischen den Frauen im Rapgame, die „unter aller Sau ist“.

Doktor Bitch Ray erhielt bis heute keinen Plattendeal und konnte somit keine großen kommerziellen Erfolge verzeichnen. Aufsehen erregt sie durch ihre Auftritte allenfalls. Die einen ekeln sich, die anderen feiern sie und wieder andere verstehen womöglich den feministischen, emanzipatorischen Sinn hinter ihrem Schaffen.