Bahar
Die gebürtige Iranerin floh mit der Familie aus ihrem Heimatland aufgrund des Golfkrieges. Nachdem sie einige Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt hatten, zogen sie nach Berlin-Kreuzberg. Die junge Bahar kam ursprünglich durch ihren Freund zum Rap und wäre fast Kitty Kat geworden. Als sie aber mit den Leuten von Aggro Berlin an einem Tisch saß, merkten wohl beide Seiten, dass Bahar nicht in das passte, was das Label für die neue Frau im Team vorgesehen hatten. Taichi und D-Bo stellten dann den Kontakt zu Bushidos Label Ersguterjunge her und Bahar wurde dort gesigned.
Sie veröffentlichte letztendlich keine einzige Solo-Platte bei dem Label, da Bushido ein Alphaltier sei und es nicht ertragen könne, wenn jemand mit ihm auf einer Ebene steht, wie sie es bei einem Interview erzählt. Die Eingliederung einer Frau in Bushidos Label gestaltete sich schwierig: Bahar war nicht bereit, die zu werden, die perfekt in Bushidos Team gepasst hätte. Dasselbe passierte ihr auch bei anderen Labels:
„Ich hatte auch Gespräche mit Frauenarzt und Universal, aber das war auch wieder so: Entweder du ziehst eine Alphajacke an oder du zeigst deine Muschi, aber so sehe ich mich eben nicht und deshalb ist das schwierig.“ (rap.de Interview 2009)
Die Labels wollen junge Rapperinnen ihrer Meinung nach zu einer bestimmten Künstlerpersönlichkeit formen, sodass sie wirtschaftlich am meisten Profit machen können. Sie sprach an dieser Stelle Sabrina Setlur an (siehe Teil 1), die ein von außen gesteuertes Künstlerprojekt gewesen sei und ihre Texte von Moses Pelham bezogen habe. Bahar bemerkte bei Ersguterjunge, dass der Labelchef auch im Laufe der Jahre nicht wirklich wusste, wie er eine Frau vermarkten soll. Bahar ließ sich keine Alpha Jacke anziehen und zeigte auch nicht ihre Muschi – sie verließ das Label und reagierte mit einem Disstrack, auf dem sie Bushido Ghostwriting vorwarf.
Die Berlinerin glaubt, dass Frauen ihre Position, ihre Identität im Deutschrap im Jahre 2009 noch nicht gefunden haben. Auch für Bahar existieren zu der Zeit nur folgende Strategien von Rapperinnen: diejenigen, die sich maskulin oder diejenigen, die sich nuttig inszenieren. Es muss hier allerdings angemerkt werden, dass diese Einteilung selbst im Jahr 2009 stark vereinfacht war und zum Beispiel Künstlerinnen wie Sookee nicht gerecht wird.
Bahar äußert das Bestreben, für sich eine eigene Identität im Rap zu finden und sich dabei eben nicht – wie die meisten Frauen im Rapgame – an Männern zu orientieren. Das Abschauen von den Rappern hat ihrer Meinung nach viel mit der Unsicherheit von Frauen in der Szene zu tun und provoziert natürlich wiederum einen Teufelskreis. Außerdem kritisierte Bahar Kitty Kat aufgrund ihrer „Lutsch mein‘ Schwanz“-Message. Bahar spricht sich dafür aus, dass Rapperinnen durch ihre Texte ihr Können beweisen sollen und Sexismus nicht nochmal extra zum Thema in ihren Texten machen sollen.
Für das Release ihres Debutalbums fehlten ihr dann aber die finanziellen Mitteln nach der Trennung vom Label. Sie rief eine Aktion namens „Save Bahar“ ins Leben – ein Crowdfunding zur Finanzierung ihres gleichnamigen Albums. Das Ganze funktionierte – sie bekam circa 5000 Euro zusammen. Im rap.de-Interview von 2009 warf sie folgenden Blick auf die Aktion:
„Für mich war diese Aktion eigentlich eine Art Emanzipation aus diesem Hip Hop Kontext. Frauen, die in Deutschland Rap machen, fahren halt entweder diese „Leck meine Muschi“-Schiene oder wollen beweisen, dass sie härter als alle Männer sind. Entweder sie gehen in Konkurrenz dazu oder machen eben das krasse Gegenteil.“
Auch die damals noch sehr neue Situation, vor die die Künstler durch die Verbreitung der Musik über das Internet gestellt wurden, prangerte Bahar damit an. Viele Künstler sterben dadurch einfach aus, sie haben kaum mehr Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
Parallel zu dem finanzielle Hilfeschrei startete Bahar eine Videoreihe namens „Bahar packt aus“, worin sie über das Rapbiz an sich und über ihre Erfahrungen mit anderen Rappern berichtet. Danach verschwand sie für einige Zeit von der Bildfläche und nahm ihre Website offline. Zurück kam sie mit ihrem Album „Save Bahar“, das sie online kostenlos zum Download zur Verfügung stellte sowie als physisches Album veröffentlichte. Dieses wurde allen, die gespendet hatten, kostenlos zugeschickt. Die oben erwähnte Videoreihe wurde nach der Veröffentlichung ihres Albums gelöscht.
2010 erschien ihr Album „Borderline“ und 2014 der Nachfolger „Antigen“. Bahar ist außerdem als ausgebildete Erzieherin und Songwriterin für unter anderem Gestört aber Geil und Mike Singer tätig.