Vasee über seine Pilgerreise

rap.de: Wie war die Ankunft zuhause dann?

Vasee: Damit habe ich echt nicht gerechnet. Die ganze Fahrt über war ich der chilligste Mensch. Und dann bin ich in diese Wohnung rein und habe mich auf einmal fremd gefühlt, als ob das gar nicht mehr zu meiner Persönlichkeit gehört. Es hat sehr, sehr lange gedauert, mich damit wieder anzufreunden.

rap.de: Geht das nur, indem man das, was man eigentlich abgelegt hat, wieder annimmt?

Vasee: Ein paar Dinge muss man wieder auf seinen Rücken packen. Die muss man wieder mitschleppen, ob man will oder nicht. Ist einfach so. Ich habe gelernt während der Reise: Wenn ich an eine Kreuzung kam und nicht wusste, wohin, mein GPS-System hat nicht funktioniert – dann habe ich mich einfach hingesetzt und gewartet. Bis irgendwas passiert oder bis ich mir sicher werde, bevor ich jetzt irgendwo hinlaufe. Und du kommst dann in Deutschland an und auf einmal bieten sich dir zwanzig, dreißig Möglichkeiten. Da fragst du dich, welche nehme ich jetzt? Mit welcher Einstellung soll ich das Ganze jetzt nach dieser Erfahrung sehen? Wie sehr will ich mich da wieder reinsteigern? Ich habe mir deshalb sehr viel Zeit gelassen, herauszufinden, was ich will, und wohin ich will. Vor der Reise wusste ich nur, was ich nicht will. Jetzt weiß ich immerhin zu 99 %, was ich will. Wie man das dann umsetzt, ist aber eine ganz andere Frage.

rap.de: Haben sich deine Lebenspläne durch die Reise also von Grund auf geändert?

Vasee: Ja, ganz besondere Sachen, die mich ausgezeichnet haben, sind nicht mehr da. Das ist schwer, auf Anhieb merkt man das nicht, wenn man mich sieht. Aber es gibt eine Sache, die ich als Künstler gut kann: Ich kann Dinge schönreden. Ich kann die verzockteste Situation im Leben noch schönreden. Und das habe ich am meisten an mir kritisiert, aber auch an der Menschheit. Denn das macht ja jeder irgendwie. Ich mache das jetzt aber nicht mehr und das hört man aus meiner neuen Musik heraus. Das alte Album "Liebe und Licht" hat gar nichts mehr mit dem zu tun, was ich heute bin. Ich höre es mir trotzdem gerne an, es ist ein Killeralbum, aber es hat gar nichts damit zu tun, wie ich jetzt bin. Ich habe jetzt zehn Jahre Vasee den Künstler gelebt, Vasee mit zwei E. Dieses Kapitel beende ich, das hört dieses Jahr auf. Jetzt kommt der neue Vasi. Ganz normal geschrieben, ohne Doppel-E. Ich wusste immer, dass ich irgendwann meinen vollen Namen Vassilios Parashidis  benutzen werde. Früher ging das nicht, weil ich immer mit Wasi von den Massiven Tönen verwechselt wurde (lacht). Ich will jedenfalls alles, was künstlich und schöngeredet ist, ablegen. Ich will das nicht mehr.

rap.de: Aber du willst schon weiterhin Musik machen?

Vasee: Genau, ja. Aber ich werde keinen Eintritt mehr bei Konzerten verlangen. Ich will auch nicht gehyped werden, ich werde einfach meine Musik machen und die den Leuten anbieten, fertig. Am liebsten wäre es mir, ich würde das über Spenden machen – jeder gibt, was er will. Irgendwie muss ich ja aber auch leben. Aber sobald ich das Geld habe, das ich zum leben brauche, mache ich die Musik auf jeden Fall for free. Das ist einfach der Puls der Zeit, durch das Internet. Ich brauche nicht mehr diese Anerkennung, die jüngere Menschen brauchen. Aber ich bin Künstler, das wird sich nicht ändern. Ich werde weiter Musik machen, mit Tua und den Jungs zusammen, das wird so bleiben. Was dann passiert, weiß ich nicht. Ich wünsche mir, dass ich es schaffe, meine Fixkosten so reinzubekommen, dass ich meine Musik frei machen und einfach raushauen kann. Genau wie Tua mache ich ja alle meine Produktionen selber, auch meine Videos. Deswegen kann ich den kompletten Produktionsablauf von A bis Z selbst machen. Das versetzt mich in die Lage, unabhängig zu sein. Ich kann alles machen, was ich will, ohne jemanden zu fragen. Und das würde ich gerne ausreizen: Einfach mal sehen, was passiert, wenn man sich nur komplett auf die Zuhörer konzentriert. Oder einfach mal das Zeug raushaut. Darin sehe ich meine Aufgabe. Das Problem war, dass Geld bei mir in den letzten Jahren keine Rolle gespielt hat. Ich hatte viele Sponsoren, wurde von Allianz, Mercedes Benz, S. Oliver, von Solarfirmen gesponsort. Da gab es die ganze Zeit Meetings und Geschäftsgespräche – und genau das will ich nicht mehr. Denn das verändert mich als Künstler zu arg. Am Schluss war ich ein gefühlloser Geschäftsmann, der im Studio saß und nicht mehr wusste, was er schreiben soll.