Vasee über seine Pilgerreise

rap.de: Es macht einen innerlich stark?

Vasee: Extrem. Das ist ein Glücksgefühl, wie wenn man im Marathon gewinnt. Dieser Augenblick, wenn du über die Ziellinie gelaufen bist, du freust dich, du hast einen extremen Punkt erreicht und etwas ganz besonderes für dein Leben gemacht. Aber dann vergeht es auch wieder. Ich baue mich jetzt nicht darauf auf. Ich merke nur, dass es innerlich viel in mir bewirkt hat, dass ich viel selbstbewusster bin. Noch selbstbewusster als davor.

rap.de: Die größte Herausforderung ist man selbst?

Vasee: Genau, und die Stimme in mir, die die ganze Zeit zu mir sagt, es geht nicht. Du schaffst das nicht. Die kennt ja jeder. Das war der Kampf, den ich die dreißig Tage lang hatte, die Stimme zu eliminieren.

rap.de: Die ist also nicht irgendwann einfach verschwunden.?

Vasee: Nein, die war schon immer da und die bleibt auch immer da. Die ist immer noch da. Das ist eben der Kampf, den wir haben, zwischen Herz und Verstand. Der Verstand sagt uns, es geht nicht, das Herz sagt doch, es muss eine Lösung geben. Bei mir ist das Herz viel stärker. Deswegen mache ich dann auch so verballerte Sachen, einfach mal 900 Kilometer laufen oder für drei Monate weg sein ohne Geld. Ich mache das einfach, weil mein Herz lauter ist als die Stimme in meinem Kopf.

rap.de: Du hattest unterwegs aber schon noch Kontakt zu deinen Freunden und Verwandten?

Vasee: Ja, ich hatte ja mein iPhone dabei. Das war auch ein krasses Ding. Ich war ja davor schon ein Fan von Facebook, weil ich viele Freunde überall auf der Welt habe, die ich nicht oft treffe. Aber nach dieser Reise ist es was ganz besonderes, es reicht manchmal schon ein "Gefällt mir"-Klick auf so einer Reise und du hast das Gefühl, wieder Kraft bekommen zu haben, hast das Gefühl, da ist jemand, der mit dir ist, der dich begleitet. Und es waren so viele auf FB, da haben sich Ernährungsberater gemeldet, Leute, die ich gar nicht kannte.  Da sind Leute auf einmal losgefahren, um mir ein iPhone-Kabel zu bringen, die kannte ich gar nicht. Die haben das einfach auf FB gelesen und waren auf einmal bei mir, mitten im Wald, mit einem iPhone-Kabel. Andere haben mir Zimmer abgecheckt. Ich habe auf Facebook geschrieben, dass ich heute Abend zum Beispiel in Isny bin und ein Hotelzimmer suche. Dann kamen 15 Mails mit Vorschlägen, einer hat sogar geschrieben, ach was, du gehst einfach zu meiner Mutter, da kannst du schlafen, die weiß Bescheid, die feiert dich und deine Musik, geh dahin. Also kam ich total verschwitzt zu einer Fremden nach Hause, die mich wie einen Sohn behandelt hat. Alles über Facebook. In Österreich hat sich das dann geändert, da hatte ich kein Internet mehr oder nur noch unregelmäßig, aber das war auch so geplant. Ich wollte mich vom Internet distanzieren und den ganzen Telefonaten. In Österreich wurde es weniger, in Italien war es dann ganz weg, das Facebook-Ding.

rap.de: Ah, okay. Ich wollte gerade fragen, ob dich die Aktivitäten auf Facebook nicht vom eigentlich Zweck deiner Reise abgehalten haben.

Vasee: Nee, genau. Am Anfang war es ein bisschen, ich will nicht sagen: übertrieben, denn es war gut. Die ersten zehn Tage war es ganz wichtig. Ab Österreich war ich wirklich in der Fremde. Da hat mein GPS-System auch gar keine Rolle mehr gespielt. Ich hatte keine Ahnung, wo ich abends landen werde, ich wusste nicht, ob ich einen Zeltplatz bekomme, ich wusste nicht, kommt da ein Supermarkt oder ein Tante-Emma-Laden oder was auch immer. Aber du läufst halt trotzdem und es ist ein herrliches Gefühl. Die Kontrolle zu verlieren, sich der Welt einfach anzuvertrauen.

rap.de: Wie hast du dich unterwegs verständigt, zum Beispiel in Italien?

Vasee: Ich war ja wie gesagt schon mal drei Monate in Italien und hatte schon damals viele Wörter aufgeschnappt, also hatte ich keine Angst. Keine Berührungsängste. Ich habe auch viel mit  Händen und Füßen gesprochen. Nach zehn Tagen konnte ich komplett die ganzen Sätze sagen, "Ich komme aus Deutschland und gehe nach Griechenland", "Ich laufe nach Venedig" und solche Sachen. Verstehen kann ich noch mehr als ich spreche. Ich interessiere mich sowieso für Sprachen, kann ein bisschen türkisch, ein bisschen kroatisch, weisch, Reutlingen, hier wächst man multikulturell auf.