Konzertbericht

Zurück zum Mittwochabend: Jetzt jedenfalls ist der Mann mit den tausend selbstgedrehten YouTube-Videos und der unfassbaren Präsenz in allen relevanten Kanälen des Social Networkings in Berlin angekommen. Aufgrund suboptimaler Planung zwar nur in bereits beschriebenem Cassiopeia und aufgrund reichlich kurzfristiger Ankündigung seitens der Veranstalter sowie seines nicht sehr hohen lokalen Bekanntsheitsgrades, sind nicht sehr viele außer ihm da. Um 23 Uhr vielleicht um die 50. Darunter jedoch ein sehr hoher Anteil von anerkannten Auskennern: Fast die komplette Juice-Redaktion, die Jungs und Mädels von tape.tv, Morlockk Dilemma und der (neben Lil B) andere Mann der Stunde, Casper samt Anhang. Dazu kommen noch ein paar echte, ausgewachsene Hipster in Röhrenjeans, die Haare schön und Stoffbeutelchen am Arm. Selbst das nicht sehr große Cassiopeia wird dadurch nicht voll. Doch falls jemand angenommen hat, ein Lil B wäre zu ignorant, um vor einer derart handverlesenen Schar von Leuten aufzutreten, obwohl seine Gigs in den USA immer ausverkauft sind und er prominente Fans wie Diddy oder Kanye vorweisen kann, der irrt. Gegen halb 12 klettert ein sichtlich gutgelaunter Lil B die Bühne und verkündet gleich mal, dass der heutige Abend ein historischer sei. Das ist nun nichts ungewöhnliches, da der Based God auch jeden einzelnen seiner zahllosen Freestyles als historisch bezeichnet, aber es zeigt in diesem Fall doch, dass er sich von der geringen Anzahl von Zuschauern nicht die Laune verderben lässt. Als würden ihm nicht 60, sondern 60.000 Leute zujubeln, legt er gleich mal mit einem seiner größten Hits „Ellen Degeneres“ los.

Dann wendet er sich in einer kurzen Ansprache (Ansage wäre hier einfach untertrieben) an sein Publikum. Berlin sei einfach großartig, einzigartig, unbegreifbar schön. „Die Luft hier ist ganz toll und euer Wasser ist so sauber, Wahnsinn„, jauchzt er glücklich strahlend. „Meine Haut fühlt sich so rein an, ich danke euch allen, ihr seid wundervoll.“ In weiteren kleinen Zwischenpredigten wird er später noch verkünden, dass er von diesem ganz besonderen Ort ein Stück mit sich nehmen werde, „I’m German now! Germany is great.“ Nun ist es ja so, dass auch eine Sade oder ein R. Kelly jede Stadt, in der sie gerade auftreten, in teilweise garstig schmalzigen Worten loben. Aber bei Lil B wirkt es kein bisschen aufgesetzt. Man glaubt es ihm einfach sofort, dass er total begeistert von Berlin ist, auch wenn der Verstand es eigentlich besser weiß und flüstert: Der ist doch sicher erst heute mittag angekommen und hat sich erstmal schlafen gelegt, viel gesehen haben kann er also nicht. Es ist egal, Verstand hat bei einem Lil B-Konzert sowieso nichts verloren.