DJ Vadim

rap.de: Ok, wie viele Takte musst Du hören, um einen Song von Dir zu erkennen?

DJ Vadim: Oh, manchmal höre ich mir Songs zwei Minuten lang an, bis ich bemerke, dass es einer von mir ist. Besonders wenn das alte Sachen von mir sind, die ich schon ewig nicht mehr gehört habe.
Manchmal finde ich Sachen auf meinem Computer, dann denke ich mir: Wow, ich kann mich gar nicht dran erinnern, dass ich das aufgenommen habe.

rap.de: Das heißt, Du kannst dich immer wieder überraschen?

DJ Vadim: Ja klar und dann frage ich mich, warum das nie veröffentlicht wurde. Es gibt ja auch immer verschiedene Versionen von den Songs, mit anderen Drums, anderen Keyboards und anderen Arrangements und manchmal finde ich Versionen, von denen ich denke, dass die viel besser sind als die Version, die ich veröffentlicht habe. Aber man kann eben nicht alles haben. Man muss sich entscheiden.

rap.de: Wie hast Du speziell bei diesem Album gearbeitet? Mir kommt es so vor, als ob Du die alten Funk- und Oldschool Rhythmen benutzt hast, das Ganze aber mit modernen Sounds.

DJ Vadim: Ja, das ist der Trick, wie man das Alte mit dem Neuen kombinieren kann. Ich denke wirklich viel darüber nach.
Als DJ höre ich sehr viele verschiedene Stile und lege ganz unterschiedliche Sachen auf. Da gibt es Sachen, die ich mag und andere mag ich nicht so, aber all das beeinflusst mich natürlich und findet sich dann auch irgendwie in meiner Musik wieder. Über all dem habe ich eine tiefe Verbundenheit zu den älteren Sachen wie James Brown und den Motown-Sachen, auch wenn ich sie jetzt nicht direkt sample.
Das neue Album hat für mich ein echtes 80er Feeling, dieses funkige, soulige Gefühl und das alles dann kombiniert mit modernen Sounds. 
Auf dem neuen Album sind sehr viele Einflüsse von anderen Leuten drauf. Es ist ein bisschen so, wie als Afrika Bambaataa in den 70ern im Park aufgelegt hat. Da gab es so etwas wie Hip Hop ja gar nicht. Es gab Leute, die gerappt haben, aber die haben ja auf Rockplatten, Funkplatten oder Soulplatten gerappt. Die haben all diese Sachen genommen und was neues daraus gemacht.

rap.de: Hast Du das neue Ghostface Killah-Album gehört? Der macht ja gar nichts mit den Samples. Der lässt einfach nur die Loops durchlaufen.

DJ Vadim: Das ist richtig, aber ich mochte das Album. Ich bin ein Fan von Ghostface Killah und wenn man Fan von etwas ist, dann kann man natürlich auch die Schwächen akzeptieren. Ghostface wird nie der beste MC der Welt sein und ich erwarte auch nicht, dass da jetzt die Überproduktion auf seinem Album ist mit verrückten Scratches und total abgefahrenen Samplebearbeitungen, aber es ist, was es ist und dafür ist es gut.
Deshalb hat man ja auch eine Sammlung von verschiedenen Sachen, oder? Der Song, der alles in sich vereint, unfassbare Produktion, vollkommen neuartige Sounds, aussagekräftige Texte und trotzdem tanzbar, den wird es nicht geben. Den kann es gar nicht geben.
Musik kann halt auch mal nichts bedeuten. Nicht jeder muss Chuck D sein. Nicht jeder Song der Welt kann "Fight The Power“ sein.
Nimm zum Beispiel Immortal Technique. Ich finde, er ist ein unheimlich guter MC und er hat eine unfassbare Message, aber ich weiß nicht, ob ich mir wirklich ein ganzes Album von ihm anhören würde, um mir erzählen zu lassen, wie abgefuckt die Welt ist. Diese ganzen Verschwörungstheorien, die Armut, die Klimaerwärmung und der ganze Scheiß. Das will ich nicht in jedem Song hören müssen.
Musik ist halt eben auch eine gewisse Art von Flucht. Wenn man von der Arbeit kommt, dann will man eben manchmal auch nur entspannen und ein Bier trinken und nicht die ganze Zeit dran denken, wie beschissen die Welt ist. Das weiß man sowieso, wenn man die Zeitung liest. Musik kann eben auch nur einfach Musik sein.

rap.de: Wie viele Stunden am Tag hörst Du Musik?

DJ Vadim: Ich höre die ganze Zeit Musik und gleichzeitig auch überhaupt keine. Musik ist definitiv der größte Teil meines Lebens. Ich denke, dass die wichtigsten Sinne des Menschen das Hören und das Sehen sind und wenn ich müsste, dann würde ich lieber blind als taub sein. Ich denke, dass Stevie Wonder oder Ray Charles trotz ihrer Blindheit ein wundervolles Leben gehabt haben.
Wenn ich die Musik verlieren würde, dann wäre es so, wie wenn ich mein Leben verlieren würde. Musik ist einfach alles für mich.