DJ Vadim

rap.de: Ist Dein aktuelles Album dann eher Musik für ältere Menschen?

DJ Vadim: Nein. Es ist Musik für alle Menschen, aber ich würde manchmal behaupten, dass Musik ein bisschen so ist, wie gutes Essen oder wie Wein, der mit der Zeit ein gewisses Aroma bekommt. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass es mit der Musik ähnlich ist.
Ich habe ziemlich lange gebraucht, um wirklich zu verstehen, was ich da mache. Ich meine, wir haben uns 97 oder 98 im Knaak getroffen damals. Vieles von dem Zeug, was ich damals veröffentlicht habe, mag ich heute einfach nicht mehr. Oder sagen wir es so: Ich mag es schon, aber ich denke mir die ganze Zeit, dass es besser ausgearbeitet sein könnte, dass es besser gemacht hätte werden können und blablablabla.
Bei dem Zeug, was ich heute mache, denke ich, dass ich diesen ganzen Weg wohl gehen musste, um an den Punkt zu kommen, an dem ich heute bin. Seit ungefähr zwei Jahren befinde ich mich an diesem Punkt, an diesem Moment der Klarheit. Davor war alles unscharf und verschwommen, das war so wie im Nebel stochern. Jetzt, bezogen auf die Musik, fühle ich mich so, als hätte ich einen Masterplan. Eins plus eins ergibt eben zwei und davor hat es sich so angefühlt als könnte es auch drei oder vier sein. Jetzt macht eben alles Sinn.     
 
rap.de: Was ist dann die nächste Herausforderung?

DJ Vadim: Das nächste Album wird ein Funk-Album. Eine Mischung aus George Clinton und Cameo mit einem modernen Sound.

rap.de: …und was ist daran die Herausforderung?

DJ Vadim: Die Herausforderung besteht darin, es authentisch zu machen. Als ich 1994 mein erstes Album auf Ninja-Tune veröffentlichte, da wurde ich in die Trip Hop Schublade gesteckt. DJ Krush, DJ Shadow, DJ Vadim und ich habe immer gesagt, dass das nicht mein Ding ist. Ich habe Gang Starr und Wu-Tang aufgelegt. Ich habe kein Trip Hop gehört und ich habe kein Instrumental Hip Hop gehört und es hat mich richtig aufgeregt, wenn die Leute gesagt haben, dass ich Trip Hop sei. Dann habe ich angefangen mit diesen ganzen Hip Hop Acts zu arbeiten, wie eben Swollen Members oder Dilated Peoples, um meine Hip Hopness zu beweisen.
Heutzutage ist mir das eher scheißegal, was die Leute sagen. Wenn irgendein Magazin über mich behauptet, dass ich ein Stück Scheiße sei, dann ist mir das egal. Ich mach keine Musik für die Magazine. Ich mache Musik für mich selber. Ich gehe einfach weiter. Natürlich mache ich Fehler, aber ich mache eben weiter und ich bleibe in Bewegung.
 
rap.de: Denkst Du, dass auch Rapper diese Art von Langlebigkeit haben können?

DJ Vadim: Vor kurzem habe ich gelesen, dass alle Alben von Too Short Gold gegangen sind. Klar hat man in der letzten Zeit nichts mehr von Too Short gehört oder gelesen, aber alle seine Alben waren erfolgreich.
Der Markt in den USA ist auch sehr, sehr regional organisiert. Zum Beispiel hat Kid Rock einen Riesenerfolg dort und das schon seit 15 Jahren. Kommt er nach Europa? Nein, weil Songs wie “Let’s go back to sweet Virgina“ hier nichts bedeuten.
Klar hat sich jemand wie Too Short nicht wirklich weiter entwickelt, aber nimm zum Beispiel Talib Kweli oder Black Thought von den Roots. Die sind auch schon seit Ewigkeiten dabei und wenn du die ersten Aufnahmen von den Roots hörst von 1991, dann hört man schon sehr deutlich, dass sich Black Thought extrem weiterentwickelt hat.
Natürlich gibt es auch Leute, die sich mit der Zeit verschlechtert haben und schlimmer rappen als früher. Vielleicht müsste ich das sagen, wenn ich mir neue Sachen von Chuck D anhören würde.

rap.de: Wenn Du in den USA unterwegs bist, welche regionalen Musikstile hast Du da entdeckt, die einen gewissen Einfluss auf Dich haben?

DJ Vadim: Manchmal gehe ich durch meine Musiksammlung und dann entdecke ich Sachen, von denen ich weiß, dass das keiner kennt. Also vielleicht fünf bis zehntausend Leute kennen das. Da sind großartige Sachen dabei. Stell Dir vor, du bist in einer Funkband in Alabama. Anfang der 70er Jahre. Drei schwarze Jungs in einem der rassistischen Bundesstaaten der USA und auch wenn es keine Rassentrennung mehr gibt, bleibt es trotzdem ein total rassistischer Staat. Ihr habt ein wundervolles Album aufgenommen, aber kein Mensch signt Euch. Alle Labels gehören irgendwelchen Weißen und ihr seid eben nicht in New York. Ihr könnt einfach nicht veröffentlichen.
Wie soll dann jemand in Stuttgart oder in Berlin oder sonstwo von dieser Musik erfahren, im Jahr 1972. Das ist fast unmöglich. Vielleicht kam eine einzige Kopie davon nach Deutschland, die dann von irgendeinem Funk-Sammler zufälligerweise gekauft wurde.
Heutzutage ist das wesentlich einfacher. Heute kann man in Nepal Musik machen und du kannst trotzdem eine MySpace-Seite haben, eine Facebook-Seite. Man kann sich das Album herunterladen, das Artwork ziehen, die Texte, das Video etc. Wenn man will, kann man heute alles bekommen und über alles Bescheid wissen.