Prinz Pi

rap.de: Hast Du diese eine große Liebe schon mal getroffen?
 
Prinz Pi: Ja, auf jeden Fall. Also das Lied ist jetzt ehrlich gesagt nicht so krass persönlich, wie andere Lieder auf dem Album. Aber es gibt Lieder auf dem Album, die wahre Geschichten sind.
 
rap.de: Zum Beispiel "Laura"?
 
Prinz Pi: Ja, das ist halt ne Exfreundin von mir, die sich umgebracht hat. An dem Lied hab ich sehr lange geschrieben. Das hab ich auch schon vor fünf Jahren angefangen zu schreiben, aber ich hab nie den richtigen Beat gefunden, weil ich gesagt hab, das ist total wichtig für mich, darüber zu sprechen oder darüber zu schreiben. Es ist ja die Gabe, die man als Musiker hat, dass man so Selbsttherapie-mäßig seine Sachen nicht irgendeinem Psychologen erzählt, sondern das halt in einen coolen Song fasst, um damit abzuschließen und das Ganze zu verarbeiten.
Das ist halt ne total persönliche Sache, aber ich finde auch, dass man sich als Künstler öffnen und persönliche Sachen erzählen muss, auch wenn man nicht mit seinem Seelenschmerz hausieren gehen und nicht jedes Detail darüber erzählen sollte. Inwiefern die Geschichte wirklich wahr ist, ob ich jetzt 20% davon erzähle, ob es sogar 100% sind oder ob sogar noch etwas dazu erfunden wurde, will ich irgendwie nicht erzählen, weil das mein Privatding ist. Ich kann das ja selber entscheiden, inwiefern ich die Leute teilhaben lasse. Ich versuch ja ernsthafte Musik zu machen und nicht irgendwie die InTouch nachzurappen.
Wenn du gute Musik machen willst, dann musst du natürlich aufpassen, dass du nicht in so was total Abgedrehtes abschweifst, das keiner nachvollziehen kann. Du musst halt schon versuchen, einen Nenner zu finden, damit auch andere Leute das nachvollziehen können, ohne irgendwie dabei krass kitschig zu werden, wobei auch Kitsch etwas ist, was sich so mit der Zeit ändert. Zum Beispiel… Also ich bin großer Fan von den ganzen Motown-Liedern und so was. 
 
rap.de: Das schlägt sich ja auch in Deinem Coverartwork nieder. 
 
Prinz Pi: Genau, das ist ein bisschen an die Zeit angelehnt. Diese Motown-Lieder sind natürlich, wenn du sie auf deutsch hören würdest, schlimmer als Xavier Naidoo. Das ist ja völliger Kitsch und pathetisch bis zum Get-No. Aber weil sie das halt auf diese Art und Weise vortragen und das halt aus der Zeit stammt, würden wir das nicht als Kitsch empfinden. Genauso das, was wir heute als Kitsch bezeichnen und was unsere Omis total toll finden. Das galt ja auch irgendwann als große Kunst. Für uns ist das heute Plunder und Kitsch. Manchmal ist es aber auch genau umgekehrt, dass Kitsch plötzlich wieder cool wird. "Ach guck mal, da ist ja ein Einhorn, was über einen Regenbogen springt und mit zwei Delphinen auf einem Airbrush T-Shirt." Plötzlich ist so etwas cool und dann würde man wieder so einen Trash tragen. Weißte? 
 
rap.de: In dem Song "Wunderkind" gehst du wieder mal auf die Vorbildfunktion von Patrick Bateman ein [der Protagonist aus American Psycho] und sagst, dass er Dein Held sei. Inwiefern?
 
Prinz Pi: Also, Patrick Bateman ist ja ein krasser Antiheld und kein ernsthaftes Vorbild. Zweitens ist ja alles, was er da macht, geträumt. Im Film wird das nicht so klar, aber im Buch wird deutlich, dass er diese ganzen Sachen träumt, weil ihn später die Frauen anrufen, die er in seinem Wahn angeblich umgebracht hat. Patrick Bateman ist genau so ein Rebell ohne Grund. Er kommt aus einer sehr guten Familie, verdient total viel Kohle, obwohl er den ganzen Tag nur Messer kaufen geht, Drogen nimmt und irgendwelche Homemade-Pornos dreht. Er hat all das, was sich der normale Mensch erträumt. Er kann mit seinem Leben machen, was er will. Er hat genug Kohle, kann sich jedes Spielzeug kaufen, sich alle Frauen nehmen, egal wie krass die sind. Die finden ihn alle cool, weil er cool aussieht und witzig ist, auch wenn er dann von Mord redet und sie das nicht mal verstehen. Also Patrick Bateman ist im Endeffekt jemand, der überhaupt gar keinen Grund hat, den Scheiß zu bauen, den er dann baut. Das ist bei mir in einem kleineren Maßstab das, was ich empfinde. Ich wohne in einem Land, wo es den Leuten so gut geht, wie in fast keinem anderen Land. Eigentlich hat keiner, der hier lebt, einen Grund, sich zu beschweren. Selbst wenn du hier arbeitslos bist und von der Stütze leben musst, kannst du dich, verglichen mit jemandem, der in Indien oder China wohnt, nicht beschweren. Du wirst hier nicht unterdrückt, wenn du etwas schreibst, was dem Regime nicht gefällt. In Russland ist das ganz anders, ein paar Kilometer weiter. 
 
Eigentlich hatte ich speziell auch nie den Grund, mich so wirklich gegen Sachen aufzulehnen, aber ich hab es ja trotzdem immer gemacht. Am Anfang mit dieser ganzen Graffiti-Sache und dann halt später durch die Musik. Aber es ist ja im Endeffekt das Gleiche. Man sucht sich halt immer eine Gesellschaft, die kleiner ist und parallel zum Mainstream verläuft, um halt dagegen zu opponieren. Natürlich ist man nicht mehr so drauf wie die RAF, die in konspirativen Wohnungen abhängt und Leute entführt und was in die Luft sprengt. Das will man ja auch nicht als Gutmensch, aber man versucht halt trotzdem, etwas in den Köpfen umzustürzen oder umzudrehen oder einen Schalter umzulegen.