Prinz Pi

rap.de: Deine Gesellschaftskritik scheint ja Hand und Fuß zu haben. Warum hast Du dann das "ohne Grund" dran gehängt? 

 
Prinz Pi: Das Ding ist ja, wenn ich jetzt ein Typ wäre, dessen Eltern unfassbar arm gewesen wären, der aus irgendeinem Grund in diesem Land Stress mit Nazis hätte, der politischer Flüchtling wäre, wenn mir meine Lehrer irgendwann richtig böse mitgespielt hätten oder der Staat mir aus irgendeinem Grund ein krasses Unrecht zugefügt hätte, dann hätte ich einen krassen Grund. Aber  das alles ist mir nicht widerfahren und ich nehme sozusagen den Leuten diesen Kritikpunkt, dass sie sagen können: "Warum pöbelst Du denn rum und willst hier irgendwie Rebell sein, du hast ja nun wirklich keinen Grund, einen darauf zu machen. Wenn, dann ist das für Dich so eine Art Luxusproblem, aber eigentlich geht es Dir gut, also was willst Du eigentlich?" Das ist mir bewusst und darum nenn ich das so. 
Außerdem ist es natürlich ein Verweis auf James Dean, "Rebel Without a Cause", was so quasi der erste Film war, der das gezeigt hat: Die jungen Leute fordern, ihre Stimme in die Gesellschaft einzubringen und leben sich jetzt aus. 
 
rap.de: Du sprichst ja auch in dem einen Titel von der "Generation Porno". Was nervt Dich besonders an der Jugend von heute?
 
Prinz Pi: Das nervt mich nicht. Das Album sollte ja eigentlich "Lieder Über Liebe" heißen. Das Ding ist, dass jeder Song im Endeffekt eine Liebeserklärung an irgendetwas ist. "Generation Porno" ist halt eine Liebeserklärung an die Jugend. Der Begriff kommt auch nicht von mir, sondern vom SPIEGEL. Das ist das SPIEGEL-Wort für unsere Generation, wie zum Beispiel die "Generation Golf", oder die "Generation X".
Die Jugendlichen von heute wachsen ja unter groteskeren Umständen auf als noch vor zehn oder 20 Jahren.
Als ich zum Beispiel zehn war, da kam so was wie "Miami Vice" oder "Das A-Team" um 22:00 Uhr und das durftest du nicht sehen, es sei denn, deine Eltern waren so locker, dass du um 22:00 Uhr noch fernsehen durftest. Heute steht in jedem Kinderzimmer ein Fernseher oder ein Computer und du kannst sofort auf youporn gehen. Du hättest vor zehn Jahren niemals den Zugang gehabt, um so was zu sehen, was sich heute jedes Kind angucken kann. Dir wäre das damals nicht unterm Ladentisch ab 18 verkauft worden, was heute ein 10-Jähriger im Internet angucken kann. 
Es besteht ja die große Angst der Erwachsenen, die sagen: "Ey, das richtet Schäden in den Köpfen der Leute an. Die stumpfen dermaßen ab".
 
 
rap.de: Berechtigt?
 
Prinz Pi: Das ist halt die Frage. Es gibt sehr viele Berichte darüber, wie sich die Sexualmoral verändert und dass die Schwelle, wann die "Kinder" ihr erstes Mal haben, ja auch immer weiter runter geht. Ist es also unterm Strich so, dass es uns heute weniger wert ist? Oder ist es nicht vielleicht sogar so, dass es die Leute früher umso bunter getrieben haben? Man weiß es eben nicht.
Oder denk mal an die Hunderte Vorfälle, die jetzt grade aus den ganzen katholischen Erziehungsanstalten herauskommen. Darüber habe ich auch übrigens einen Song gemacht. Der ist auf der iTunes-Version drauf und heißt "Märchenwald". Dort geht es auch um einen Pfarrer, der Kinder vergewaltigt. Früher gab es das auch, es ist nur nicht ans Licht gekommen. Wenn heutzutage irgendetwas passiert, gibt es davon gleich 100.000 Internetvideos. Natürlich ist so ein Vorfall krass, aber du weißt ja nicht, ob es in den 60er Jahren nicht noch viel krasser war. Heute ist ja die "Awareness" für solche Fälle riesengroß. 
Es hat alles sein Für und Wider. Einerseits ist es sicherlich so, dass jeder Amokläufer irgendwann mal Counter-Strike gespielt hat, aber nicht weil er Counter-Strike spielt, wird es automatisch zum Amokläufer. Aber wenn du dich jetzt für das Amoklaufen interessiert, dann ist Counter-Strike wahrscheinlich eine gute Übung.