Telly Tellz

rap.de: Also ist Rattos Locos die Alternative?

Telly: Ja, für mich schon.

Blacky White: Alle die bei Rattos Locos sind, sind ja eigentlich anti, nicht wirklich gesellschaftskonform, obwohl wir in der Gesellschaft leben. Alle sind enttäuscht und abgefuckt davon, und versuchen irgendwie dem etwas entgegenzusetzen mit der Kunst. Wobei man nicht vergessen darf, dass auch wir natürlich alle Geld verdienen wollen, weil wir auch alle in dieser Scheißgesellschaft leben und alles Geld kostet. Ich wüsste nicht, wie man es machen soll, jetzt auf Komune-mäßig. Man kann sagen: “Okay, wir sind jetzt ne Zelle, die gar nichts mehr zu tun hat mit dem ganzen Scheiß und wir leben von unserem selbstangebauten Essen, und stricken unsere Pullis selber.“ Ganz ehrlich, hatten wir aber auch schon drüber nachgedacht.

rap.de: Vom System enttäuscht, vom Staat enttäuscht. Jetzt gibt es ja gerade wieder eine wahnsinnige Integrationsdebatte. Du hast ja auch für dich festgestellt, dass Auswandern keine Lösung ist. Was müsste sich aber konkret ändern, damit es hier gut ist?

Telly: Diese Stimmung der “Angst vor dem Fremden“ muss weggehen. Es muss normal sein, verschiedene Kulturen vor sich zu haben, und es muss normal sein, jemanden vor sich zu haben oder in der Bar neben jemandem zu sitzen, der nicht so aufgewachsen ist wie du.

rap.de: Möchtest Du, dass der deutsche Staat einfach sagt: “Wir haben dich lieb.“?

Telly: Oh, nicht der deutsche Staat.

rap.de: Die deutsche Gesellschaft?

Telly: Ja, doch. Das möchte ich gerne. Aber es ist halt noch zu viel im Hinterkopf, zu viel Scham über die Vergangenheit, zu viel Verschlossenheit und Angst vor der Zukunft innerhalb der  Gesellschaft der Deutschen. Ich hab auch letztens mit meiner Oma darüber geredet. Sie hat sich richtig aufgeregt, dass ich mein Mixtape “Mischlingskind“ genannt hab: “Ich hab doch früher immer gesagt Mischlingskind ist falsch, so was sagt man zu Hunden.“
Sie ist auf jeden Fall auch sehr vorsichtig, wie man mit Ausländern umgeht. Aber da braucht man nicht vorsichtig, sondern einfach nur tolerant und offen sein. Man braucht keine Angst zu haben oder so.

rap.de: Okay, was tut Ihr dagegen, dass die Leute keine Angst vor Euch haben müssen? Wenn Du auf deinem Mixtape sagst: “Wenn du Geld hast und du kommst in mein Bezirk, dann nehm ich´s dir weg!“…

Blacky White: Ja, aber das ist ja auch das Übel, was aus den Umständen entsteht und nicht unbedingt aus den Kulturen.

rap.de: Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht vertrauensfördernd.

Blacky White: Es ist jetzt nicht die intelligenteste Reaktion, aber es ist eine logische Reaktion. Wenn man das aus meiner Perspektive – also der älteren – sieht, musst du auch bedenken, dass Ausländer früher, als sie noch mehr Minderheit in Deutschland waren, von den ganzen Deutschen gejagt wurden und auf den Kopf gekriegt haben. Dass viele Türken sich damals zusammen geschlossen haben und den Deutschen auf den Kopf gegeben haben. Das ist entstanden als Reaktion auf die Repression, die sie eigentlich von den deutschen Jugendlichen gekriegt haben. Die haben sich dann zusammengerottet und haben den Spieß umgedreht. Es ist beides doof. Aber ich war jetzt gerade nicht gefragt. (Gelächter)

rap.de: Wie kommt man denn da raus aus dieser Spirale? Die einen drehen den Spieß um, jetzt drehen die anderen wieder den Spieß um.

Blacky White: Ich glaube, das ist immer das Gleiche. Es wird immer Gewalt und Angst geben. Aber es sind meist die Ausländer, die damit zu tun haben, weil die Ausländer die sind, die sozial schwächer gestellt sind. Die Jugendlichen, die aus diesem Milieu kommen, tun sich zusammen und versuchen sich besser zu stellen. Dann ist Gewalt immer der leichteste Weg, sich die Sachen zu holen, die man nicht hat. Wenn es jetzt aber die Ausländer wären, die finanziell besser gestellt wären, dann wär’ es wahrscheinlich umgekehrt. Das ist eigentlich mehr ein finanzielles und soziales Problem, als ein Kulturelles. Das sieht man ja zum Beispiel auch in Ost-Deutschland, weil es da viel mehr Deutsche gibt, die auch am Arsch sind.
Es gibt ja aber auch hier genug Deutschstämmige im Westen, die nichts haben und zu komischen Mitteln greifen. Wenn du aber aus einem Elternhaus kommst, mit Vater: Anwalt, Mutter: Ärztin, dann hast du ganz andere Probleme und somit gibt es auch viel weniger Gründe, warum man in dieses Ich-zieh-dich-ab oder Ich-hau-dir-auf-den-Kopf-Milieu kommen sollte.

rap.de: Hattest du das Gefühl, dass du benachteiligt wirst?

Telly: Nicht wirklich. Um ehrlich zu sein, ich war früher auch nicht der Typ, der die Schule geschwänzt hat und rausgegangen ist, um zu gammeln. Ich hab immer gearbeitet. Ich habe meine Schule bis zum Realschulabschluss durchgezogen. Aber ich wollte einfach nie zugeben, dass ich schlechter dran bin. Ich will das immer noch nicht zugeben. Was ich jetzt aufschreibe und was dabei rauskommt, ist das Fazit, wie es grade aussieht. Aber ich möchte das nicht zugeben. Aber ganz ehrlich: Ich bin es. Ich werde benachteiligt. Dadurch, dass Leute Vorurteile haben, bin ich benachteiligt. Aber ich tu das beste dagegen, dass sich das ändert.