rap.de: Du beschreibst, dass Du in einer ziemlich schwierigen Gegend aufgewachsen bist. Wie schwer war das dort seine Rolle zu finden? Ansatzweise sagst Du das ja auch auf dem Mixtape: Man muss immer um seine Position kämpfen! Denkst Du, dass Du als Mischlingskind da auch noch mal eine spezielle Rolle hattest?
Telly: Nee, weil bei mir alle Mischlingskinder waren. Es gab zwar auch Ganz-Russen, Ganz-Schwarze und Ganz-Türken. Es gab auch Ganz-Kinder, aber die sind dann im Endeffekt auch Mischlingskinder, weil sie mit mir oder anderen Mischlingskindern aufgewachsen sind. Das ist immer son Clash der Kulturen. Man muss sich immer beweisen. Du musst zeigen, dass deine Kultur standhaft ist und sich durchsetzen kann und du ein Mensch bist, der zwischen den ganzen Leuten überleben kann. Wir waren eben Menschen, die ihre Identität gesucht haben, als Kinder.
Ich wollte auch immer dieses Afrikaner-oder-nicht-Afrikaner-Ding verdrängen. Früher wollte ich nicht zugeben, dass ich anders bin, oder dass ich überhaupt ein Mischlingskind bin. Immer wenn wir in der Schule das Buch “Neger, Neger, Schornsteinfeger“ gelesen haben, hab ich gesagt: “Nö, ich habe überhaupt kein Problem damit“. Heute merke ich, dass ich einfach nur "normal“ sein wollte.
Was ist das, was es so anders macht? Ich weiß es nicht. Ich bin mit meinem Vater aufgewachsen und er ist einfach anders. Er hat andere Moralvorstellungen, andere Prinzipien. Er fordert, dass ich mit viel Ehre lebe, mehr als das ein deutscher Vater fordern würde. Afrikaner haben generell andere Werte als Deutsche.
rap.de: Das kommt auf Deinem Mixtape auch immer wieder vor: Ehre, Respekt. Was sind das ganz konkret für Werte und was versteht man unter dieser Ehre, habe ich mich gefragt? Was ist das? Wenn man zum Beispiel nicht kifft und nicht trinkt?
Telly: Jetzt kommen wir in die Kontroverse. Bei manchen ist das tatsächlich Ehre, wenn du nicht trinkst oder nicht kiffst. Aber bei vielen heißt das auch: Du solltest deinen Mann stehen, wenn du in irgendeinen Konflikt kommst. In einen körperlichen Konflikt, wenn du dich haust. Wenn du dich haust, dann hau dich und hab keine Angst.
Angst ist auch so ein Ding. Hab’ nicht so viel Angst. Mein Vater hat mich immer fertig gemacht, wenn ich vor irgendetwas Angst hatte. Das ist bei Vätern eigentlich immer so, generell in der ganzen Welt. Aber in Deutschland fehlt das ein bisschen, das weiß jeder. Viele Menschen in Deutschland vertreten auch nicht ihre ehrliche Meinung. Sie haben Angst ihre ehrliche Meinung zu sagen oder in Konflikte zu geraten. Die deutsche Mentalität ist vorsichtig.
rap.de: Aha.
Telly: Und südländische Mentalitäten sind eben nicht so vorsichtig, sondern mehr gerade aus und viel ehrlicher, ganz ehrlich gesagt.
rap.de: Hast Du mit dieser Art Probleme gekriegt in Deutschland?
Telly: Ich hatte immer ein Problem damit. Das hat mich immer aufgeregt, schon immer, aber ich hab mich halt angepasst, bis ich gemerkt hab, dass es Menschen gibt, die so sind wie ich. Menschen die radikal so sind wie ich, Nate oder Blacky White. Dann wurden das Kollegen.
rap.de: Jetzt sagst du ja auch immer wieder, dass Du mit diesen echten Jungs abhängst und dass Du da Deine wahren Freundschaften siehst. Auf der anderen Seite wimmelt es aber auf Deinem Mixtape immer wieder von Leuten, die sich dann als falsch herausstellen. Leute verraten sich gegenseitig und sind nur auf die Kohle aus.
Telly: Ja. Das ist der Großstadtfaktor, ne? Das ist die menschliche Gier. Gott sei Dank, hab ich Nate früher kennengelernt, weil ganz ehrlich, ich hätte immer meine ehrliche Meinung verborgen, wenn ich nicht gemerkt hätte, dass es Menschen gibt, die so denken wie ich. Es gibt immer viele Leute, die einfach nur an sich denken. Das ist so, in einer Großstadt, wo es viele gibt, die kein Geld haben und andere, die viel Geld haben. Die wohnen grade mal drei Straßen weiter und dann kriegt man eben Gefühle wie Neid, Gier und dann wird man zu ner Zecke.
rap.de: Das Thema Geld ist ja überraschend präsent auf deinem Mixtape, obwohl es da auch die Zeile gibt: "Ich hasse Geld!" Wie ist das Thema Geld einzuordnen, in Deiner Welt? Ist Geld wirklich so wichtig für Dich?
Telly: Nein, aber man fordert von mir, dass es wichtig ist. Was kann ich denn ohne Geld machen, besonders in Deutschland? Du sollst halt immer Geld machen um jeden Preis, damit du überhaupt essen kannst. Ich hab jetzt keinen Vorschlag für ein anderes System, aber das gefällt mir nicht.
Ich bin jetzt kein Typ, der sagt: “Ich muss jetzt unbedingt richtig viel Geld machen, ich will unbedingt Milliardär werden, ich will einfach reich sein.“ Nein, weil Geld für mich Mittel zum Zweck ist, will ich Geld machen. Damit ich später in den Urlaub kann, mit meinen Jungs nach Portugal fahren kann. Ich will Geld machen, damit ich gut essen kann. Ich will jetzt nicht den riesigsten Luxus… Doch, Mann, ich will einen Jaguar. Einen schwarzen Jaguar, das ist mein Lieblingsauto, das ist heftig. Damit will ich auch angeben.
rap.de: Also das heißt, diese Gier hast du auch in dir.
Telly: Gezwungenermaßen.
rap.de: Warum gezwungenermaßen? Niemand zwingt Dich einen Jaguar besitzen zu wollen.
Telly: Nö, das ist auch nicht die Gier, die ich hab. Das ist einfach nur ein Style, den ich hab. Ich mag das Auto, wie es aussieht. Gier muss ich haben, damit ich überhaupt überleben kann.
rap.de: Wieso schließen sich die Leute in den ärmeren Stadtvierteln eigentlich nicht zusammen und sagen: "Wir scheißen auf das alles und machen es mal ganz anders."
Blacky White: Im Endeffekt ist das ja auch das, was wir machen.
rap.de: Nachbarschaftssolidarität?
Blacky White: Ja sozusagen. Es ist in ner kleinen Zelle, und wir arbeiten ja sozusagen auch im System, in dem man Sachen an den Markt bringt und son Scheiß. Aber eigentlich scheißen wir ja aufs System, und machen unser Ding. Wir versuchen uns da durchzukämpfen. Man ist ja auch solidarisch mit Leuten aus dem Viertel. Man fühlt sich ja verbunden. Ich fühl mich ja viel verbundener mit einem der Jungs, mit dem ich hier groß geworden bin, selbst wenn der ne Vollratte ist und einen irgendwie abfucken will, als mit Irgendjemandem, wo ich weiß, da besteht überhaupt gar kein Bezug zu.
