rap.de: Habt ihr eigentlich auch schon mal Sachen runtergeschmissen, die Euch zu normal und zu konventionell waren?
Vasee: Definitiv. (lacht)
Tua: Ja. (lacht) Wir hatten ein paar Songs, die vielleicht erfolgversprechend gewesen wären von der Melodie her, bei mir aber akute Kotzreize hervorgebracht haben. Ab einem gewissen Punkt haben sie auch nicht mehr ins Album gepasst.
rap.de: Die Songs waren zu happy?
Tua: Ja. In dem Album geht es darum, dass wir einer schlechten Phase, durch die jeder Mensch ständig geht, dass wir dieser Phase ein Sinnbild gegeben haben in Form einer Stadt. Da passt kein Song rein, der vielleicht ganz nett ist und der vielleicht auch ein paar Leuten gefallen hätte. Ich bin da dann doch wieder ein sehr konzeptioneller Künstler, der sich denkt: “Das will ich nicht.“ Da mache ich lieber einen Strich.
Ich will die Songs ja gar nicht wegwerfen. Vielleicht kommen die auf ein anderes Projekt.
rap.de: Wollt Ihr nicht auch mal ein fröhliches Album machen?
Vasee: Also bei uns ist es so, dass wir Musik als Möglichkeit nutzen, um unsere Sorgen und Probleme, die wir haben, zu verarbeiten. Das ist bei mir die Intention, warum ich Musik mache. Das ist bei mir zum Beispiel die “Verliebtheit“ oder die “unglückliche Verliebtheit“. Dabei entstehen keine fröhlichen Songs. Ich kann mir vorstellen, dass wenn ich mich jeden Tag mit meine ganzen Homies im Studio treffe, da auch eine ganz andere Stimmung entsteht, aber sowas würde ich nicht auf mein Album tun, weil für mich dann die persönlichen Dinge mehr zählen.
rap.de: Aber warum? Sind bei Dir die persönlichen Dinge immer nur Leid und Schmerz?
Tua: Ich glaube, dass das eine Ästhetiksache ist. Ich habe ja noch meine andere Gruppe, die Orsons, mit denen ich jede Menge positiven Quatsch machen kann. Das ist künstlerisch aber einfach nicht richtig mein Geschmack und der Punkt ist auch: Melancholie oder Tiefsinnigkeit wird sehr schnell mit schlechter Laute verwechselt. Generell ist es doch aber so: Zuhören strengt an und insofern ist unser Album tatsächlich “anstrengend“, aber es gibt einem halt auch was.
Vasee: Ich denke auch unsere kulturellen Wurzeln, da wo wir herkommen, ich komme aus Griechenland, dort ist melancholische Musik alles andere als traurig und übellaunig. Die Leute schöpfen Kraft draus, warum auch immer und ich merke, dass es auch so bei meiner Musik passiert.
Melancholie verbinde ich persönlich Sehnsucht und Sehnsucht ist ja nicht gleichzusetzen mit Depressionen.
rap.de: Würdest du sagen, dass große Kunst nur aus Traurigkeit entstehen kann? Können glückliche Menschen überhaupt große Kunst erschaffen? (lacht)
Tua: Doch, ich glaube, dass man große Kunst auch glücklich erschaffen kann, aber ich denke auch, dass die sich ganz anders anhören wird. Ich glaube schon, dass große Kunst aus Problemen heraus entsteht. Ich glaube auch, dass diese Kunst wahrscheinlicher erfolgreicher wird, weil es tendenziell mehr Menschen nicht so gut geht. Wenn jemand ein “Epos des Glücks“ schreibt, dann wir er damit wahrscheinlich weniger schnell vorankommen, als jemand, der ein “Epos des sanften Unglücks schreibt“.
Wenn es zu tief wird, dann vielleicht auch nicht, aber wenn du zum Beispiel das Peter Fox Album anhörst, das ist auch nicht unbedingt ein fröhliches Album. Es ist ein deutsches Album, mit einer gewissen Grund-Melancholie, wenn man so möchte, mit einer gewissen Tiefsinnigkeit, aber auch mit einer gewissen Einfachheit, die es verständlich hält.
rap.de: Ihr macht ja schon relativ lange an diesem Album rum, warum hat es so lange gedauert, bis es dann jetzt fertig wurde?
Vasee: Also erst mal, war das eine ganz spontane Aktion vor zwei oder drei Jahren, dass wir innerhalb von sechs, sieben Tagen, neun Songs gemacht haben. Dann aber kamen ganz viele andere Projekte aus unseren Reihen, die Vorrang hatten. Das Teil ist dann in der Schublade verschwunden, bis vor kurzem, und da wollte Tua nach Reutlingen kommen, für eine Woche…
Tua: …daraus sind dann zwei Monate geworden…
Vasee: … und dann haben wir das Album aufgenommen. Wir hatten Riesenspaß im Keller, draußen schien die Sonne, aber im Keller war es kalt und kalt, wie es uns da unten war, ist auch das Album geworden.
Tua: Wir haben uns richtig abgeschottet. Wir haben uns nicht bewusst diesen Keller ausgesucht, aber Vasee hat nun mal diesen Keller und der ist auch geil zum Arbeiten. Der ist Untertage, da kommt wenig Licht rein. Wir lassen auch niemanden rein, auch wenn ständig jemand rein möchte.