Tua & Vasee

 

rap.de: Jetzt haben andere Leute ja leider nicht die Möglichkeit, mit Euch Kaffee zu trinken, zu frühstücken und über Eure Befindlichkeiten zu sprechen. Brauchen die eine Anleitung für dieses Album?

Tua: Nö. Ich glaub, die Sachen, die so abstrakt gehalten sind, dass man sagt: “Oh, das ist jetzt aber abstrakt.“, die sind dann aber auch so gedacht.
Aber ich kann alle diese Sachen erklären und weiß, warum ich die gemacht hab. Das ist auf gar keinen Fall so, dass ich da jetzt irgendwas hinschreibe, damit sich das schön oder tiefsinnig anhört, sondern wir überlegen uns sehr genau, was wir da machen.
Im Laufe der Berichterstattung über das Album werde ich bestimmt noch das ein oder andere zu den Songs sagen können, die das dann vielleicht verdeutlichen. Wenn man wirklich den Zugang dazu finden möchte, dann ist es vielleicht gar nicht so doof sich zumindest mit dem Rahmen außen rum zu beschäftigen. Deswegen haben wir ja dieses “Evigila“ aufgebaut.

rap.de: Können wir vielleicht so eine Liste haben mit den Songs und den Erklärungen dazu?
 
Tua: Ja, können wir machen. Wir schreiben euch was zu jedem Song des Albums für rap.de.

rap.de: Was allein bedeutet eigentlich der Titel "Evigila“?

Tua: Evigila? Evigila ist ein lateinisches Wort, das "erwache“ oder "erwachen“ bedeutet . Ich weiß nicht, ob's Imperativ oder was auch immer ist. Ich hatte kein Latein.
Auf jeden Fall geht es um das Wort “erwachen“. Drauf gekommen sind wir, indem wir uns überlegt haben: “Wir möchten dieser Atmosphäre, die das Album hat, einen visuellen Rahmen geben.“ Da erschien uns eine Stadt als coolstes, greifbarstes Ding.
Man muss auch dazu sagen, dass wir ein Modell gebaut haben. Das ist nämlich der Gag eigentlich. Wir haben die Idee gehabt, wir bauen eine Stadt aus Problemen, sind dann bei Vasee in den Keller gegangen und haben dann Unsummen an Styropor-Platten und Bretter genommen und auf ner Arbeitsplatte ne Stadt gebaut. Haben die dann mit Sprühdosen angesprüht, mit Kohle und allem möglichen Zeug, haben dann einen Kulissenbildner dazu geholt und die wird jetzt auch im Artwork die ganze Zeit verarbeitet.
Diese Stadt ist unser Album und dann hatten wir überlegt: “Ja gut, aber ne Stadt braucht auch einen Namen“ und dann erschien uns "Evigila“ halt passend.

rap.de: Warum habt Ihr Euch eine Stadt ausgesucht? Das erinnert mich ehrlich gesagt ein bisschen an Kafka.

Tua: Jaaa, mein Lieblingskünstler. Also mich persönlich hat daran gereizt, dass die Musik trotzdem noch urban ist. Man hätte jetzt auch ne Wüste nehmen können zum Beispiel und hätte sagen können: Die Dünen sind die Aufhäufungen unserer Probleme etc. Das hätte auch funktioniert, aber ich find halt ne Stadt passt zu der Musik, die ist für mich doch auch großstädtisch.
 
Vasee: Auf was wir vielleicht auch hinweisen wollen, ist, dass wenn wir unsere Sorgen und Probleme anhäufen würden, kein Dorf, sondern eine Stadt entstehen würde. Eine riesige Stadt.
Wir haben auch Bewohner in dieser Stadt. Sie alle tragen schwarze Masken und spezielle Uniformen, die sie bekommen. Damit wollen wir auch darauf hinweisen, dass eigentlich jeder von uns ein Bewohner dieser Stadt ist.

rap.de: Jetzt kann man auf der CD auch hören, dass es heißt, die Stadt wieder einzureißen. Ist das eigentlich Ziel, dass man “Evigila“ einreißt?

Vasee. Dass man seine Angst verliert, seine Wut verliert, sie verarbeitet, genau. Mit der Einsicht aber, dass man sie auch wieder aufbaut. Denn sie kommt wieder. Wir hatten gestern diesen Live-Stream und da haben wir gesagt: “Hey, wenn ihr irgendwelche Probleme habt, schreibt uns“. Das hat dann einer wortwörtlich genommen und mir geschrieben: “Ich finde keine Frau“. Da habe ich gesagt:
Hey, guck mal, jetzt bist Du in Evigila, weil Du Angst hast, keine Frau zu finden. Irgendwann wirst Du eine Frau finden, wirst dann aber Angst haben, sie zu verlieren. Dann bekommst Du Kinder, wirst aber Angst haben um Deine Kinder“. Man wird also immer Angst abbauen und sie wird sich dennoch wieder neu aufbauen. Das ist kein Ort der weg ist. Diese Stadt ist immer ein Teil von uns, das ist auch wichtig. 

Tua: Diese Stadt, Evigila, ist etwas, was man akzeptieren muss. Sie wird sich immer wieder aufbauen und du wirst sie immer wieder einreißen müssen. Das ist auch der ewige Kreislauf, sowohl politisch als auch geistig, der im Menschen statt findet. Wir bauen Dinge auf und zerstören sie wieder, bauen sie wieder neu auch und zerstören sie dann wieder. Ob wir wollen oder nicht, es ist so, weil Erschaffen auch gleichzeitig wieder Zerstören ist. Es ist so.

rap.de: Jetzt kommt ihr ja aus einer Gegend, deren Hauptbahnhof gerade eingerissen wird und schwarze Männer mit Masken auf Leute einprügeln.(Gelächter) Zufall oder?

Tua: Ja, aber es ist schön, dass die Realität unser Bild grade so schön unterstützt.

Vasee. Ja, das ist wirklich Zufall. Aber ganz ehrlich, ich habe nichts davon mitbekommen.
Ich war nur im Studio und habe produziert. Wahrscheinlich haben die Schwingungen da unten uns dann aber doch berührt. Aber ich habe keine Ahnung, ich kenne die Sachlage von Stuttgart 21 nicht. Ich habe nur Menschen gesehen, die keine Augen mehr haben und solche ganz krassen Dinge.

rap.de: In wieweit beeinflussen Träume Eure Texte?

Tua: Voll. Die Szene in der Wüste ist ein Traum, eigentlich.

Vasee: Bei mir weiß ich das nicht. Zählen auch Tagträume?

rap.de: Türlich!

Tua: Bei mir nur. Konstruierte Traumrealität würde ich das nennen.

rap.de: Okay. Dankeschön für das Interview.