Stieber Twins

rap.de: Nee. Das guckt man sich dann zwei oder vier Jahre später auf Video. Aber das funktioniert wahrscheinlich auch nur deshalb, weil man’s nicht weiß. Aber noch mal, weil Du das vorher gesagt hast: Bedauerst Du es manchmal, dass Du nicht zum richtigen Zeitpunkt zugegriffen hast und gesagt hast: "Jetzt mach ich das Business richtig“. 
 
Martin Stieber: Naja, was heißt bedauern? Ich bin manchmal schon ein bisschen wehmütig und frag mich, ob ich da mehr hätte machen sollen. Ich beiß mir da auch manchmal in den Arsch, aber wenn man dann dafür so einen Moment wie jetzt in Berlin mitnimmt, weiß man wofür das damals alles gut war.
 
Vielleicht können wir auch genau deshalb, weil wir kein zweites Album gemacht haben, heute mit dem alten Udo Jürgens "Aber Bitte Mit Sahne"-Konzept irgendwo landen und damit punkten. Es gibt halt keine Vor- ohne Nachteile und keinen Nachteil ohne Vorteil.
 
Die Massiven Töne haben Album, nach Album, nach Album rausgebracht und irgendwann ist das dann irgendwie auch abgeebbt.  
 
 
rap.de: Bei den Massiven Tönen war aber auch nur das erste Album richtig gut. 
 
Martin Stieber: Das Zweite fand ich auch noch ok, aber dann kam dieses "3MT" und das ging wirklich voll nach hinten los.  
 
rap.de: Aber kommerziell erfolgreich. Da war ja dann "Cruisen“ drauf. 
 
Martin Stieber: "Cruisen", ja genau, wo die am Pool rumliegen und sich massieren lassen. Damit waren sie kommerziell erfolgreich und haben ihr Geld damit verdient.
 
In der Zeit so um 2000, 2001 hätten wir das zweite Album legen müssen. Das wäre auf jeden Fall der richtige Schlag gewesen.
 
Aber haben wir halt verpasst und dass die Industrie jetzt so transparent ist, durch das Internet und für jeden zugänglich, das konnte man ja nicht ahnen, dass das alles so ausgeht.
 
Das ist uns irgendwie alles aus den Händen geglitten.
 
Aber wie gesagt. Ich denke schon oft darüber nach, ob es anders besser gewesen wäre. Aber es geht ja immer irgendwie weiter.
 
Ich hab das damals gemacht, und ohne Musik kann ich nicht leben, das ist Fakt, aber ich organisier zwei Läden und das ist dann einfach so.  
 
 
rap.de: So, letzte Frage: Dein Bruder meinte ja schon vor fünf Jahren, dass er zu alt für das hier ist. 
 
Martin Stieber: Das meinte er ja schon immer! Seitdem er aber eine Frau und eine Tochter hat, ist es natürlich nicht besser geworden. Das zweite Kind ist jetzt auch da und er ist im Vaterschaftsurlaub. Das ist ja schon mal ein gutes Zeichen. Da hat er endlich mal den Kopf frei, weil er sich nur um das Kind kümmern muss. Da können wir dieses Jahr auf jeden Fall noch irgendwas machen – ein Lebenszeichen zumindest. Wenn man sein Architekturstudium abschließt und arbeiten geht, ist das Thema eben zweitrangig. 
 
rap.de: Und für Dich? 
 
Martin Stieber: Hm, für mich… Ich hab ja auch ganz andere Leute um mich rum, weißt du? Ich bin mehr am Puls der Zeit, sag ich mal. Ich weiß, was die Kids und die Writer machen, ich weiß, wer sich neu formiert, ich weiß, wo Freestyle-Sessions abgehen und guck da auch eher mal vorbei. Mein Bruder lässt sich relativ selten blicken und viele fragen mich: "Gibt es nur noch Dich? Ist der andere gestorben oder so?“. 
 
 
rap.de: Glaubst Du, dass Du jemals zu alt für HipHop sein wirst? 
 
Martin Stieber: Nee. Ich guck rüber übern Teich und frag mich ja auch nicht, ob mein Freund KRS One zu alt für Hip Hop ist. Nee. Es gibt keine andere Musikrichtung, keine andere Subkultur, keinen anderen Zusammenschluss von solcher Kraft, wo man sich so ausleben kann. Es gibt einfach keine Musik, die mich so sehr berührt wie HipHop. Es gibt immer irgendeinen geilen Beat oder einen geilen Rapper, der mir was erzählt oder worüber ich dann lache.
 
Elektro ist ja ganz cool, aber das ist mir zu viel Partymusik. Da geht man dann vom Konzert heim und nimmt nichts mit, außer die Party. Es ist schon was anderes, wenn da oben jemand steht, der wirklich was erzählt und mit dem Publikum interagiert. Das macht mir heute noch genau so viel Spaß, wie vor zwanzig Jahren. Ich höre mir ja alles mögliche an, ich hör mir auch Rockmusik an und es ist ja auch nicht so, dass das alles Scheißdreck ist, aber im HipHop steckt nach wie vor mein Herzblut und ich freue mich immer über Leute aus Deutschland, die geiles Zeug bringen. Wie Casper oder so.
 
Bei dieser Juice Jam in München waren richtig geile Leute, über die ich bisher noch gar nicht so informiert war, weil ich jetzt auch nicht in ganz Deutschland recherchiere und mir da so einen Kopf drüber mache. Ich habe ja immer eher über den Teich geguckt, aber Deutschland lebt! Und wenn man das jetzt auf Musik, auf Rap beschränkt, dann geht da schon was.
 
Ich würde nicht sagen, dass das alles scheiße ist und man HipHop nicht mehr hören kann. Wenn da jetzt zum Beispiel Dendemann mit seinem neuen Album raus geht, sind sie alle wieder dabei. Ich schwöre dir, wenn der Jan eine LP aufnehmen würde, würde auch wieder alles nach seiner Pfeife tanzen. Einfach weil die damals zusammen mit uns eine Zeit bestritten haben, die relativ geil war. Und wenn der Jan Delay wieder eine Rap Platte machen würde, würde sich das verkaufen ohne Ende. Das weiß ich. Das weiß auch er. 
 
rap.de: Ein schönes Schlusswort.