Stieber Twins

rap.de: Warum gab es denn letztendlich keine zweite Platte? Weil sie eben so schwierig war?  
 
Martin Stieber: Nee, weil man einfach aufgehört hat, zusammen zu leben, zusammen zu arbeiten und Zeit zu finden. Wir haben uns halt nicht zusammengesetzt und gesagt, "Wir ziehen das jetzt durch und setzen uns ein Ultimatum!
 
Wir haben keine Verträge gehabt, die einen gezwungen hätten, was zu tun. Man hat auch zuviel Flausen im Kopf gehabt, man hat nebenher noch gelebt. Man hat sich einfach verloren. Das ist schlicht und ergreifend der Grund. Es ist aber nicht so, weil wir keinen Bock mehr auf HipHop haben, ganz im Gegenteil. Ich bin immer noch interessiert, an dem was passiert. Egal, ob es Deutschrap ist oder nicht. Ich komme ja auch nicht um Frauenarzt rum, das kriegt man schon mit. Man macht ja auch noch Veranstaltungen oder legt noch auf, aber man hat sich jetzt nicht mehr wie früher zusammen gefunden und gesagt, "Okay, heute gehen’ wir raus und nehmen einen Song auf!“ Das haben wir nicht mehr gemacht.
 
Damals hab ich mit meinem Bruder ja auch noch in einer Butze rumgehangen und wir hatten, wenn man so will, 22 Jahre Zeit, unser Debüt Album zu machen und jetzt ist es halt so wie es ist.
 
Das kam 1997 raus, ist ja jetzt fast 15 Jahre her! Das ist schon krass.
 
Es war aber auch nicht so, dass ich jetzt sagen müsste: "Naja, ich habe ja nichts gemacht“.
 
Ich habe immer was gemacht, auch für die Heidelberger, mittlerweile geht ja alles in diesem MySpace-Sumpf unter, aber wir haben ja auch Remixe gemacht.
 
Hier mal was, da mal was, aber das war halt nie in eigener Sache und das ist dann etwas, was ich mir auch vorwerfen muss.
 
Zwischendurch habe ich auch noch Sachen mit meinem Bruder aufgenommen, so ist das nicht, aber man muss das ja auch in ein Format bringen und vielleicht sollte man das irgendwann auch mal rausbringen. So Liebhaber-mäßig.
 
Das damit nicht das große Geld zu verdienen ist, das ist ja wohl klar.
 
rap.de: Wieviel ungehobene Schätze liegen denn da auf Eurer Festplatte rum? 
 
Martin Stieber: Hmm, kann ich dir gar nicht so genau sagen. Es ist jetzt nicht so, dass wir da 16 perfekte Tracks hätten oder ein komplettes Album. Das ist mal hier eine Strophe, dann fehlt wieder was, dann sind keine Scratches drauf.
 
Da sind noch ein paar Amis drauf, mit denen ich gefeatured habe. Man könnte schon was machen, aber es ist auf keinen Fall eine LP.
 
Aber das geht auch anderen so. Aphroe zum Beispiel. Der war vor zwei Jahren bei mir im Studio, hatte ein geiles, komplett fertiges Album und kommt da auch nicht zu Potte.
 
Ich frag mich dann auch immer, irgendwelche Leute, die dann wirklich Output haben, warum’s bei denen auch nicht funktioniert? Das find ich dann irgendwie noch viel, viel schlimmer.
 
Aphroe war vor zwei Jahren bei mir im Studio und hatte ein komplettes Ding dabei. Supergeil gerappt mit ausgearbeiteten Texten. Da frag ich mich immer, warum da nix kommt. Da würde ja auch noch was gehen.
 
Ich weiß, wie die erste RAG Platte bei Ebay gehandelt wird und ich weiß, dass die auch einen gewissen Status genießen. Aphroe könnte heute auch wieder um die Ecke kommen, im gleichen Kontext wie damals und damit auch bahnbrechend was bewegen. Er würde jetzt wahrscheinlich keine 50.000 oder 100.000 mehr verkaufen aber zehn, zwanzig schon.  
 
Aber Verkaufszahlen sind heutzutage ja auch nicht mehr so repräsentativ. Da muss man auch gucken, dass man immer wieder auftreten kann. Wer verkauft denn heutzutage noch außer Bushido? Ok Frauenarzt, aber der macht ja Ibiza-Techno. Aber sag mir doch mal, wer von den Pionieren – Pioniere hört sich immer so beschissen an – aber wer von den Leuten, die damals die Grundsteine gelegt haben, verkauft heute noch? Da ist kein Curse, keine Stiebers, na gut, wir machen ja auch nix, also brauchen wir uns auch nicht zu wundern, aber da ist keiner, einfach keiner! Mir fällt zumindest keiner ein. Fällt dir jemand ein? 
 
rap.de: Nein. Du hast vollkommen recht. Aber ich mein wer verkauft überhaupt? Tokio Hotel haben vom letzten Album angeblich auch nur ganz wenige verkauft.  
 
Martin Stieber: Krass ja, das weiß ich. Aber es kommt auch darauf an, raus zu gehen und Dynamik zu erzeugen, damit da noch mehr Leute kommen zu den Live Konzerten. Das ist im Endeffekt dann auch wichtiger. K.I.Z. macht das ganz gut vor, ich find die auch witzig. Das sehe ich dann aber auch gar nicht mehr unter dem Rapaspekt, die sind halt eher so Unterhalter und das Konzept geht auf jeden Fall auf.  
 
rap.de: Habt ihr damals gewusst, dass ihr so ein Monument erschafft mit eurem ersten Album?  
 
Martin Stieber: Nee, nee, nee. Also 1990, 1992 hab ich meinen ersten Sampler gekauft, blablabla. Und dann ging’s los, dann haben wir was gemacht und haben gemerkt, man kann ja irgendwie rappen.
 
Mein Bruder hat ne ähnliche Stimme, dann hat man auf der Bühne so nen Doppeleffekt, den hat sonst keiner, und blablabla. Und man wusste schon, dass man halt ein gewisses Potential hat und das man damit auch irgendwie Leute mitreißen kann. Aber man denkt nicht, dass die Juice jetzt sagt, das ist das Album des Jahrhunderts, das passiert einfach irgendwie und du steckst da auch nicht drin. Auf jeden Fall haben wir das nicht forciert. 
 
rap.de: Aber wusstet ihr damals, als ihr das Album aufgenommen habt, dass es etwas besonderes ist? 
 
Martin Stieber: Nee, das wusste ich nicht. Wie soll man das auch wissen? Das ist nicht so, dass wir uns auf  die Schulter geklopft und gesagt haben "Das ist jetzt was ganz Großes“ und dass das Ding jetzt durch die Decke geht. Wusstest Du damals, dass Du mit Deinen Tapes irgendwie die Welt veränderst? Auch nicht oder?