Fler

rap.de: Jetzt gibt es auf dem Album sehr viele Songs, die sich mit der Außenwirkung beschäftigen. Auf der andere Seite gibt es aber auch Songs, die genau diesem Klischee entsprechen : “Ich bin ein Gangsterrapper…, ich tue was Gangster tun.“.

Fler: Aber ich versuche den Leuten den Kontext zu erklären, wo ich her komme. Das ist das Wichtige. Wenn du daher kommst, wo ich her komme und diesen Werdegang nimmst, dann verstehst du auch einige Sachen besser. Ich war jemand, der hat früher Sozialhilfe bekommen. Für mich gleicht es an ein Wunder, wenn ich hier sitze und sage, ich kann mir Sachen leisten.  Ich bin ja kein Bonzenjunge, der von seiner Mutter Geld bekommt und deswegen auf die Kacke haut.

rap.de: auf ein paar Songs wird diese Entwicklung ja auch offensichtlich.  Vom Heimkind, der Prügel einstecken muss, der wirklich Opfer ist, bis hin zu  “Ich hab es trotzdem geschafft, ich habe es etwas länger ausgehalten als ihr und ich habe an mir gearbeitet.“

Fler: Das is ja auch genau der Punkt, ich sag ja auch nicht, dass ich der Stärkste bin, ich würde mich ja jetzt auch nie als Rapper zu MTV hinstellen und sagen “Ich ficke alles“, hab ich nie getan, ich hab mich immer auf die Leute bezogen, die mich im Heim, damals in Zehlendorf, runter gemacht haben, auf die hab ich das bezogen. Irgend ein Typ mit dem ich noch nie geredet habe, zu dem würde ich nie hin gehen und sagen: “Ey yo, du bist´n Wichser“ oder “Ich bin cooler als du“. Mir ist eigentlich egal wie cool alle sind oder wie cool ich in deren Augen bin. Mir geht es darum, ich weiß ich bin ein guter Rapper, ich bin fleißig, ich hab nie so viel Talent gehabt wie beispielsweise Savas oder Sido, aber ich hab immer mehr an mir gearbeitet. Die Sachen, die Savas in zehn Jahren geschafft hat, hab ich in drei Jahren geschafft. Und was ich auch mal sagen wollte: Die Leute vergleichen mich oft mit diesen großen Rappern, wie Sido, Bushido, Savas oder Azad. Aber diese Typen sind alle fast fünf Jahre älter als ich. Das heißt, damals wo die schon angefangen haben mit rappen, da war ich noch gar kein Rapper, da kam ich erst ins Game und dachte mir, okay ich mach´s jetzt mal.

 

rap.de: Wie alt warst du da?

Fler: Ich war 18! Bushido war 23/24, da war ich 18. Der ist fünf Jahre älter als ich. Azad ist heute 32 und ich bin jetzt gerade 26 und trotzdem werde ich mit ihm verglichen, verstehst du, was ich meine? Eigentlich bin ich noch einer von den Newcomern. Eigentlich bin ich aus der Kollegah-Ära müsste man sagen, Kollegah und K.I.Z. Eigentlich müsste ich mich mit denen batteln, aber das will ich gar nicht, weil ich schon Top10-Hits hatte, da waren die noch gar nicht präsent.

rap.de: Warum gibt es dann trotzdem so viele Songs auf dem Album, die auf ein allgemeines Gangster- und Straßenrapklischee abzielen?

Fler: Der Punkt ist  der, dass ich extrem viel Wert darauf lege, dass es ein Berliner-Sound ist. Das ist jetzt kein Song den ein Ammi machen würde und so über seine Straße rappen würde, auch nicht in Frankreich die Leute oder in England. Das ist wirklich ein Berliner-Sound, wo ich sage: “Guck mal, in Berlin passiert viel Kacke.“ Und wenn die Leute sagen, es ist Klischee, dann muss man einfach sagen: das Klischee liegt immer im Auge des Betrachters. Wenn für ihn im Rap-Geschehen  nicht mehr zu diskutieren gibt außer nur: “Die Rapper reden über Gewalt, die Rapper reden über Geld.“, dann ist es wieder diese Oberflächlichkeit

rap.de: Aber es kommt ja darauf an, wie man für diese Straße den Report abliefert. Also wenn Geschichten erzählt werden, wenn man quasi wirklich in diese Welt hinein geführt wird.

Fler: Ich will keine Story-Songs machen, es geht mir wirklich um die Emotionen.
(beginnt zu rappen): “Ich weiß nicht was es bringt, ich weiß nur ich bin tight, jederzeit bereit, jederzeit Frank White…“. Ich will vermitteln, dass wenn du dich in dieser Stadt aufhältst, dann musst du den Kontext sehen. Dann musst du auch wieder sehn, wo befindet sich der Rapper, in welchem Umfeld? Dann müssen auch meine Konkurrenten einsehen, wenn du nicht aus meinem Umfeld kommst, wenn du nicht aus Berlin kommst, dann hast du auch nicht so viel zu rappen und dann ist es oft einfach nur das Klischee bedienen. Wenn irgendwelche Typen aus Buxtehude darüber rappen, wie krass alles ist und Straße, dann sind die daran Schuld, dass die breite Masse dann sagt: “Ach guck mal die Rapper rappen ja alle immer gleich!“. Verstehst du was ich meine? Ein Typ aus New York kann darüber rappen wie krass die Straße ist. Ein Typ aus Berlin kann das machen, dann vielleicht noch in Deutschland Frankfurt und die Hamburger, aber in München hört es schon auf. Ein Münchner brauch nicht anfangen zu rappen und zu rappen, wie krass alles ist. Das geht einfach nicht.

rap.de: Aber es gibt auch in München Viertel.

Fler: Ja, es gibt in München auch auf jeden Fall Leute, denen es scheiße geht, das will ich damit nicht sagen. Aber die Rapper, die es tun sind nicht am Arsch. Ich kenne diese Rapper, es gibt keinen Münchner Rapper, der relevant und der ghetto ist. Auch in Stuttgart. Das machen nur die Berliner. Warum machen es denn nicht die Stuttgarter und die Münchner? Die ziehen lieber nach Prenzlauer Berg und trinken ihren Latte Macchiato!
Wir in Berlin representen die Straße und deswegen kann ich solche Songs machen wie “Das ist meine Straße“. Es geht um den Kontext, um das Umfeld. Wenn du mich nimmst plus diesen Song, dann hast du einfach ein Paket, was dir sonst kein Anderer liefert in Deutschland. Das meine ich damit.

 

rap.de: Wo siehst du insgesamt Rap in Deutschland?

Fler: Deutschland ist sehr inkonsequent und sehr leicht von der Bahn abzubringen.