Kaas

rap.de: Es ist ja schon ein großer Unterschied von depressiver Musik, die du machen wolltest, zu "Kommt alle in meinen Märchenwald, wir kämpfen gegen lustige Drachen“. Es muss ja irgendwas Einschneidendes passiert sein.

Kaas: Wir kämpfen gegen das Erwachsenwerden. Man kämpft ja gegen den Zauberer "Erwachs“ in diesem Lied, nicht gegen Drachen, der Drachen ist ja nur so ein Bild. Ich habe einfach selbst für mich zu Gott gefunden, hab aufgehört, Alkohol zu trinken und ein paar Sachen erlebt, die für mich spirituell sehr wichtig waren, die mich aus Depressionen herausgeführt haben. Ich hab für mich das Glück gefunden sozusagen und bin auf jeden Fall ein glücklicherer Mensch seit ein paar Jahren und das hat sich einfach in der Musik widergespiegelt. Das einschneidende Erlebnis waren einfach Momente, die man einfach nicht beschreiben kann. (überlegt) Einblicke, ich durfte tiefer sehen in … Mir fehlen die Worte ein bisschen, um das zu beschreiben. Ich sag immer, ich hatte so kleine Erleuchtungen, ich hab das Leben in einer Weise wahrgenommen, wie ich es bisher nur von Drogen kannte. Ich habe das bewusst wahrnehmen dürfen, dass es einfach etwas Höheres, etwas Göttliches gibt. Ich benutze diese Worte immer sehr vorsichtig, weil das immer gleich solche Klischees nach sich zieht. Es gibt einfach mehr Realität, als wir wahrnehmen und das hat mich im Endeffekt verändert.

rap.de: Deshalb auch dieses Zitat aus "American Beauty“, dieser Skit, in dem es heißt "Du siehst Gott in den Augen der Toten“?

Kaas: Genau, das kommt ja nach einem Lied, das einem verstorbenen Freund gewidmet ist. Das war der erste Mensch in meinem näheren Umfeld, der gestorben ist, was mich richtig berührt hat. Das war so ein intensiver Gefühl, in dem Moment, wo ich das erfahren hab. Das war so eine Zeitlosigkeit, alles war auf einmal weg. Das war ähnlich, wie diese Erleuchtung, die ich hatte, Erleuchtung jetzt ganz vorsichtig gesagt. Dieser Satz hat es halt perfekt gesagt. Man kommt auf so eine höhere Ebene, wenn man so einen Vorschlaghammer vor die Stirn geklatscht kriegt.

rap.de: Du beschreibst in diesem Lied das Jenseits so, dass ihr euch alle wieder seht und feiert. Ist das deine realistische Vorstellung oder hast du eine andere Vorstellung vom Tod und dem, was eventuell danach kommt?

Kaas: Meine Vorstellung ist, dass der Tod wie ein Traum ist, in dem man sich befindet. So habe ich mir das mal vorgestellt und diesen Gedanken find ich ganz interessant. Dass im Tod die Traumwelt die wichtigste Welt wird. Ich weiß natürlich nicht, ob das stimmt, aber so habe ich mir das vorgestellt und in dem Sinne kam mir auch der Gedanke, dass wenn Menschen sterben, man durch die Energie, die sich da verwandelt, immer noch mit ihnen kommunizieren kann, über Gedanken. Sprich, wenn man an jemanden denkt, der verstorben ist, kommuniziert man ein bisschen mit ihm. Der Freund von mir ist unter relativ negativen Umständen gestorben, weil viele Menschen deprimierende Gedanken an ihn hatten. Ich wollte einfach, dass diese Energie, die da vielleicht noch ist, in eine positive Richtung gelenkt wird. Dann habe ich dieses Lied geschrieben. Ich habe auch einen Abschiedsbrief an ihn geschrieben. Das war eigentlich die ursprüngliche Inspiration für den Song. Dass die Leute in meinem Umfeld nicht mehr diese negativen Gedanken haben. Sie mussten das alles durchlesen und auch unterschreiben. In dem sie in einer netten Art an ihn denken, das hilft ihm vielleicht auch, weil er, glaube ich, auch in keinem positiven Zustand gestorben ist. Das ist der Gedanke. Ich glaube auch nicht, dass man nach dem Tod in eine andere Welt kommt, in der man immer noch so rumläuft wie hier.

rap.de: Wie haben deine Freunde den Song aufgenommen? Hast du dein Ziel erreicht, dass es zu einem positiven Zurückdenken gekommen ist?

Kaas: Die Leute haben den Song noch gar nicht so gehört, ehrlich gesagt. Für die Leute habe ich ja diesen Abschiedsbrief geschrieben und das hat die, glaube ich, schon ein bisschen beeinflusst. Ich habe es auch sehr beeinflussend geschrieben. (lacht)

rap.de: Durch welche Situationen bist du in solche Erleuchtungsmomente geraten?

Kaas: Das waren komplett zusammenhangslose Momente. Das erste und vielleicht intensivste Erlebnis, das ich hatte, kam einfach aus dem Nichts. Ich war im Urlaub, wir waren baden und ich bin zurückgekommen, ganz normal, hab geduscht, mich fertig gemacht. Wir wollten nachher noch ein bisschen Party machen gehen. Dann bin ich raus gegangen, auf den Balkon und auf einmal kam es über mich. Ich wusste es auf einmal. Man kann das auch gar nicht näher beschreiben, es war einfach ein unfassbar intensives Gefühl, das mir ganz viel Sicherheit gegeben hat. Ich, für mich, wusste, dass es einen Gott gibt, eine höhere Macht und das einfach alles gut ist. Ich musste sogar auf die Knie gehen und weinen. Das war wie so ein positiver Nervenzusammenbruch. So kann man es vielleicht beschreiben, aber selbst das kommt wahrscheinlich nicht mal zu 0,2 Prozent an das Gefühl ran. Sobald man ein Wort dafür sucht, ist das schon in einem Gefängnis gefangen, aus dem es nicht mehr ausbrechen kann. So kam das. Einfach aus dem Nichts.

rap.de: (versucht einen Esel anzulocken)    

Kaas: Ein sehr süßer Esel übrigens. Ich glaube ja ein bisschen, dass die Tiere in dem Zustand sind, zu dem die Menschen noch kommen werden. Ich glaube, das ist das Ziel.

rap.de: Hast du den Film "Der Pferdeflüsterer“ gesehen? Man sagt ja, um so pferdverwandten Arten anzulocken, muss man sie wegscheuchen und dann kommen sie irgendwann von selbst.

Kaas: Wie bei Frauen? (lacht)

rap.de: Ja, genau. Willst du mal den Esel erschrecken?

Kaas: Ich kann doch keinen Esel erschrecken, das würde mir voll Leid tun.