Tua

rap.de: Was heißt das für deine Musik? Warum hast du sie früher gemacht und warum heute? Was hast du anders gemacht?

Tua: Ich bin erwachsener geworden. Ich sehe viele Dinge auch defintiv lockerer und ich finde auch, dass viele Werte, die jemand hart vertritt, so was wie "Ich bin der krasseste Straßentyp“…

rap.de: Wolltest du das sein?

Tua: Nein, auch nicht, aber viele Leute wollen das sein und früher wollte ich natürlich, dass meine Musik eine gewisse Härte und Straßenatmosphäre beibehält. Aber Stück für Stück habe ich mir irgendwann gesagt: "Warum eigentlich? Das muss doch gar nicht sein.“ Also ich sehe die Dinge lockerer.

rap.de: Früher hast du ja gesagt, Straße muss nicht dumm sein. Also, du möchtest harten Straßenrap machen, aber intelligent. Hast du jetzt davon irgendwas aufgegeben?

Tua: Ja, die Begrifflichkeit "Straße“ hat sich ein bisschen geändert. Damals habe ich den Begriff mit Leuten, die an Tankstellen rumhängen und sich prügeln verbunden und da cool sind und auf dem Album hab ich zum Beispiel auch viel über Drogen gemacht, was mit Sicherheit auch ein Teil der Straße ist. Sei es jetzt Drogen verkaufen oder Drogen nehmen und Probleme mit Drogen haben, insofern ist es immer noch straßenlastig. Aber so eklige Sachen wie früher: "Meine Jungs kommen in den Club und polieren dir die Fresse,“ sind jetzt der Grund, dass, wenn ich heute "Nacht“ höre, immer bestimmte Zeilen bei mir anecken. Dass ich dann so denke: "Ah, wieso hab ich das gesagt?“ (Gelächter) Das sind eben so Sachen wie "meine Jungs“, was das Überunwort ist. Das geht gar nicht. Auch ein Song, wo siebzig mal das Wort "Straße“ drin vorkommt, ist irgendwie gleich nur noch halb so straße. Das ist ein bisschen so, wie ich früher erkannt habe, dass Clubtracks eigentlich nur dann gut sind, wenn nicht siebzig mal "Club“ drin vorkommt. Am besten ist es, wenn es gar nicht drin vorkommt. Wenn kleine Kinder ein Bild malen und die Mama kommt und sagt: "Oh, sieht schön aus, aber du musst mir erklären, was da drauf ist“, dann hast du es einfach nicht genug gemalt, du Spast. (Gelächter) Du musst doch keinen Clubsong machen und "Club“ sagen. Wenn es clubbig ist, dann brauchst du das nicht. Wenn es gangster ist, dann merkt man es schon. Das war doch jetzt was, was du geil schreiben kannst. (lacht)

rap.de: Du hast auf dem neuen Album ja auch so einen Track drauf, wo du deinem Kumpel ja mal richtig den Kopf wäschst. Wo es so ein bisschen weggeht von "meine Jungs bauen Scheiße" zu "Ey, Junge, MEIN Junge, jetzt hör mal zu. Ist ja schön und gut, jeden Tag saufen und so weiter. Du hast ja auch ne Menge Talent, aber das bringt dich auch nicht weiter, such dir lieber mal richtige Arbeit!" (lacht)

Tua: Das handelt von einem Kumpel von mir, der ne harte Kindheit hatte, ganz cliché-mäßig. Aber wirklich krass, so mit Mutter, die Selbstmord begeht, als er noch klein war. Er hat auf der Straße gelebt, Jugendheime, dies das. Viele Menschen haben solche Leute um sich oder kennen zumindest jemanden, der so tickt und deshalb dachte ich, es ist sowohl persönlich als auch allgemein gültig.

rap.de: Man könnte das ja jetzt einfach so stehen lassen und sagen: "So ist er halt," aber du gehst ja einen Schritt weiter.

Tua: Genau, es geht darum, dass ich gemerkt hab, dass enorm viele Leute Träumen hinterher rennen, die ganz unrealistisch sind. In Deutschland rappt ja jeder und alle werden halt mal Stars. Ganz viele Leute verlassen sich halt darauf, dass sie unfassbares Talent haben und dass sie die nächsten fünfzehn Jahre ihres Lebens nur mit Kiffen und Ficken zubringen können und deswegen nichts mehr tun müssen, weil Talent haben und meinen, dass das schon reichen wird. Irgendwann werden sie ganz viele Platten verkaufen und dann passt das schon, aber so ist es halt nicht und auf diese Art habe ich ihn dann angesprochen.

rap.de: Aber jetzt könnte ich ja argumentieren, dass das ne ziemliche Eltern-Einstellung ist.

Tua: Das ist mir auch aufgefallen, deswegen hab ich ja dann auch geschrieben: "Ich bin nicht dein Vater und stresse dich an, ich bitte dich nur, dass du dich besserst“ oder so, ich weiß die Zeile jetzt auch nicht so genau. Mir ist auch aufgefallen, dass es etwas Zeigefinger-mäßig kommt.

rap.de: Vor allem kommt es ja auch sehr bürgerlich. So: "Ja Junge, komm…

Tua: Na ja, aber so ist der Song ja auch nicht, ich sag ja selber, ich hab auch Ärger und Stress und kein Cash und ganz viele Clichés.