Interview: „The Berlin Crips“ – die erste HipHop-Gang der DDR

Wie sah es mit dem HipHop in der DDR aus?  Welche Erfahrungen habt ihr gemacht – gab es Regulierungen?

Wie gesagt, wir hatten eine deutsche Lieblingsgruppe, die hieß Electric Beat Crew. Die sind aus Berlin, Bohnsdorf gekommen. Das war schon vor der Wende – das war in Ordnung, die kamen direkt aus der DDR. Anders sah das bei der 2 Live Crew aus – ein westliches Produkt und damit verboten.

Wie hat sich dieses Verbot geäußert?

Ich war damals ja noch ein Schüler. Wenn ein Lehrer das mitbekommen hat, wurde die Kassette eingezogen. Selbst die Jeans aus dem Westen wurde eingezogen. Und danach musste man ein Gespräch mit der Direktorin führen.

Wie kam es zum Wandel in der Zeit? Welche Entwicklung führte zum Ende der Gang?

Das Ende der Berlin Crips war eingeläutet, in dem Moment, in dem das erste Haschisch zu uns rübergekommen ist – das war ganz schlecht und gestreckt damals – mit irgendwelchem Haarfärbemittel. Nach der Wende – 90/91 wurde der Osten mit Drogen überschwemmt – Haschisch, Speed, Koks, XTC und LSD. Alles auf einmal.

Als die Drogen kamen, hat der Zusammenhalt abgenommen und die Leute haben sich zerstreut. Im Endeffekt saßen wir dann bei den Doc Martens und haben mit denen eine Bong geraucht.

Wie ist die Beziehung zu den ehemals verfeindeten Gangmitgliedern heute?

Schon in dieser Phase hat man die Probleme von damals ausgeräumt und sich die Hand gereicht. Das war möglich, da glücklicherweise niemand ums Leben gekommen ist oder bleibende Schäden davongetragen hat. Heute besteht kein Hass mehr – zu manchen Mitgliedern der Doc Martens ist sogar über die Jahre eine Freundschaft entstanden.

Was vermisst du an der Zeit von damals?

Das Abenteuergefühl, das Zugehörigkeitsgefühl – man wusste nie, was passiert – wenn man in die S-Bahn-Station einsteigt, kommen an der nächsten Station zehn Glatzen? Das war ein unheimlicher Adrenalinrausch.

Welche Erinnerung berührt dich heute noch besonders?

Wir sind damals häufig S-Bahn gesurft – haben die Waggons gestürmt und vollgetaggt, Sitze aufgeschnitten, Lampen zerstört und rumgebrüllt. Manchmal sind wir sogar auf das Dach geklettert und haben in voller Fahrt den Wagen gewechselt.
Ein Mitglied unserer Crew, S.F. (Name gekürzt), ist damals beim S-Bahn-Surfen abgestürzt. Daran hatte ich lange zu knabbern. Das hat uns damals geschockt. Er hat den Unfall schwer verletzt überlebt.

Kommen wir zu einem Resümee. Du bist älter geworden, hast mehr Lebenserfahrung gesammelt. Wie empfindest du heute diese Periode deines Lebens?

Als gute Lebenserfahrung – als Training, um zu wissen – „Okay, ich muss kämpfen, wenn ich was erreichen will“. Der Zusammenhalt von damals hat mich krass geprägt, wir konnten uns aufeinander verlassen.

Wie sieht es mit Reue aus?

Hmmm… klar, wir haben auch Sachen gemacht, auf die ich heute nicht stolz bin, wie S-Bahn-Surfen, S-Bahn zutaggen, Scheiben einschlagen und so weiter – die Zeit war auch von Vandalismus geprägt. Aber grundlegend empfinde ich keine Reue. Wir waren damals im Verteidigungsmodus. Wir haben nicht grundlos Menschen attackiert. Deshalb werfe ich mir da nichts vor. Die positiven Erinnerungen überwiegen.