Interview: „The Berlin Crips“ – die erste HipHop-Gang der DDR

Das bedeutet?

Da sind verrückte Sachen passiert. Die Mauer fiel. Alles veränderte sich für uns DDR-Jungs. Plötzlich waren wir umgeben von Nazis. Überall lauerte Ärger für uns – gefühlt an jeder Ecke. Ich erinnere mich an eine besonders brisante Geschichte. Wenn du willst, kann ich sie die eben erzählen…

Gerne.

Wir sind einmal geschlossen aufgetreten da waren wir 60, 70 Mann. Da haben wir den S-Bahnhof Schöneweide gestürmt, weil der von Glatzen besetzt war. Wir sind dann nach Köpenick ins Allende-Viertel in die Stammdisko der Doc Martens. Alles Skinheads. Das waren unsere Hauptfeinde – gleiches Alter wie wir, 17, 18 –  brutale Typen.

Da gab es damals einen Berg. Da haben wir uns zu sechzig gesammelt und den Club beobachtet und ihn schlussendlich dann gestürmt.

Wie ist der weitere Abend verlaufen?

Wie der Abend verlaufen ist? (lacht) Wir haben von den Doc Martens auf die Fresse bekommen. Die von uns. Zerschlagene Scheiben im Club, blutende Fressen – und dann kam auch schon die F3-Einheit. Das war die Spezialeinheit aus Neukölln – und die hat uns dann alle komplett abgeräumt.

Das war nach der Wende, richtig?

Das war nach der Wende, als in den Straßen Ost-Berlins kaum Polizei zu finden war.

Weshalb?

Weil viele Polizisten aus der ehemaligen DDR Angst hatten: „Okay, was passiert mit uns danach? Werden wir jetzt aufgrund der Systemgemeinschaft Polizei an die Wand genagelt? Nimmt man uns noch ernst?“ – und so weiter. Die haben sich alle versteckt. Ja, aber das Ereignis war auf jeden Fall nach der Wende.

Gab es sonstigen Kontakt zu Gangs? Wie war das Verhältnis?

Im späteren Verlauf hatten wir Kontakt zu den Crime Dolphins ­– die kamen aus dem Westen. An unserer Grenze in Rudow. Sonst gab es noch andere HipHop-Gruppen, die man kannte, mit denen man sich traf, feierte und abhing.

Erzähl noch etwas vom Spannungsfeld Ost-Berlins. Wie konnte man sich den Alltag damals vorstellen?

Die Situation war ganz einfach. Wir waren in unserer Gegend die Einzigen – umgeben von dem Bezirk Köpenick, da waren größtenteils Nazis. Und dann kam Marzahn, Lichtenberg – da waren gefährliche Skinheads. Da waren wir sehr selten. Die Gang hat sich auch mal in Fünfer- und Zehnergruppen aufgeteilt, die dann ihr eigenes Ding gemacht haben. Aber ich habe nicht groß auf dem Schirm, dass wir in Lichtenberg oder Marzahn unterwegs waren – das war schlichtweg zu gefährlich.

Es hat schon gereicht bis nach Köpenick oder Treptower Park zu fahren – dann ging es schon los. Die Frage war damals sowieso – kommst du bis Lichtenberg oder Marzahn durch?

Wow – und das war ein alltägliches Problem?

Das war ein alltägliches Problem. So lange wir in Altglienicke geblieben sind, war alles in Ordnung. Sobald wir da raus sind – aufgrund unserer Klamotten hat man gesehen – „Okay, das ist eine Rappergang.“ Wir haben die Klamotten oder den Stil auch nicht geändert während dieser Zeit – wir sind den Klamotten treu geblieben.