Genetikk

rap.de: Der einzige deepe Song auf “Voodoozirkus“ ist “Sorry“. Auf eurem Debut, “Foetus“, gab's  noch mehre deepe Songs. “Träume haben“ ist auf youtube eins eurer meistgeklicktesten Songs. “Sorry“ ist doch hoffentlich kein Schlussstrich für die gesamte nachdenkliche Schiene, oder?

Sikk: Wir haben einfach nur 'ne starke Aversion dagegen, das gleiche nochmal zu machen. Oder, noch schlimmer: deepe Songs oder Liebeslieder extra zu machen, nur weil sie sich noch schön auf dem Album machen würden

Karuzo: Das ist dann die Grenze zum wirklichen Fake: Jedes Mal ein, zwei Muschi-Lieder auf’m Album, jedes Album ein Song über die große Liebe, und natürlich isses jedesmal 'ne Andere. Totaler Quatsch. Aber wenn's wieder Geschichten zu erzählen gibt, erzählen wir die auch

rap.de: Es gibt also für euch eine Grenze zwischen Entertainement und reinem Ausverkauf?

Karuzo: Klar, sonst müssten wir ja auch nen EM-Song machen. Es muss schon natürlich kommen. Wenn der Sikk grad keine Depressionen hat, kann er mir auch keine moll-lastigen Pianobeats liefern.

Sikk. Weil ich ja, wie gesagt, ziemlich real bin.

rap.de: Traurige Beats gibt’s nur in Lebenskrisen?

Sikk: Nee, manchmal spiel' ich auch lachend traurige Beats ein.

rap.de: Nochmal zurück zu den Masken: Die sind nicht nur ein Marketing-Gag, sondern auch Teil der Kunst, oder?

Sikk: Naja, es ist uns schon sehr wichtig, nicht erkannt zu werden.

Karuzo: Wir wollen nicht vor den Fans fliehen oder so was, aber es geht um die Musik, und nicht darum, wie wir aussehen. Würden wir uns verstecken wollen, würden wir ja komplett dicht machen, keine Interviews geben, gar keine Infos zu unserer Person rausgeben.

rap.de: Wobei andere Künstler, im Gegensatz zu euch, ja auch ohne Maske funktionieren würden.

Sikk: Klar, bei vielen anderen ist es einfach nur ein Gag.

Karuzo: Ist ja aber auch im Alltag nix anderes: wenn du jetzt zu deinen Schwiegereltern gehst, zeigst du auch nur einen Teil deiner Persönlichkeit. Bei deinen Freunden, bei deiner Freundin bist du ja auch immer wieder anders. Niemand ist zu hundert Prozent authentisch. Hundertprozentig authentisch ist nackt einkaufen gehen – zeig mir einen Rapper, der das macht. In dem Sinne sind wir die realsten von allen, indem wir das von Anfang an zugeben.

rap.de: Spielt Authentizität denn auch beim Hören von Musik überhaupt keine Rolle bei euch? Alte Berliner Rapsachen oder aktuell Haftbefehl werden ja gerade gefeiert, weil die Leute es als authentisch wahrnehmen.

Karuzo: Klar ist das cool, es ist aber cool, weil’s gute Musik ist und gut rüber gebracht wird. Xatar hat zum Beispiel echt ja einiges auf dem Kerbholz. Überfällt der einen Geldtransporter und so was, aber im Endeffekt feiern die Leute ihn, weil er das musikalisch gut rüber bringt.

rap.de: Es würde also gar keinen Unterschied machen, wenn Haftbefehl in Wirklichkeit ein gut verkleideter Soziologiestudent wäre?

Karuzo: Doch, ich würde es noch viel mehr feiern. Wie viel Kreativität müsste dann dahinterstecken? Wenn’s so ist: Haft, bitte oute dich! Aber was soll’s, so ist es ja auch schon ziemlich geil, dieses Ding mit seinem Slang, das hat vorher ja noch keiner gemacht. Das Gangster-Komplettsorglos-Paket. Bock auf Gangsterfeeling? Autoscheiben runter und Haftbefehl pumpen.

rap.de: Euch selber ist also auch als Hörer die Authentizität total egal?

Karuzo: Wenn Musik gut ist, ist sie immer authentisch. Ganz einfach. Selbst wenn es inhaltlich gefaket ist, drückt das ja 'nen echtes Gefühl von dir aus. Musik ist doch nur Übertragung von Informationen. Jede Form von Kommunikation ist Kunst, ich will die Gefühle in dir auslösen, die ich gerade empfinde.